Bibel-Code, Koran-Code, Rotkäppchen-Code
Umstrittene Codes - Teil 2
Die Bibel, der Koran, das Voynich-Manuskript, die Kompositionen Bachs und die Cheops-Pyramide haben eines gemeinsam: In ihnen sind geheime Botschaften versteckt. Das jedenfalls behaupten einige umstrittene Theorien. In diesem zweiten und letzten Teil geht es um die Bibel, den Koran und einige weitere Code-Objekte.
Teil 1: Pyramiden-Code, Shakespeare-Code, Nudellöffel-Code
Die Schriften des berühmten Renaisssance-Astrologen Nostradamus haben schon so manchen Zeitgenossen zu spektakulären Interpretationen veranlasst. Der heute noch populäre Franzose hinterließ eine Vielzahl von Prognosen in Form von Gedichten (Zenturien), in denen es von Wortspielen, Buchstabenspielen, Andeutungen und Mehrdeutigkeiten nur so wimmelt. In diesem Gewirr wollen findige Nostradamus-Exegeten Prophezeiungen für alle möglichen Ereignisse der Weltgeschichte gefunden haben – dummerweise immer erst hinterher, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen war.
Andere suchten in den Nostradamus-Schriften nach einem versteckten Code – ähnlich wie es schon im 19. Jahrhundert in den Werken Shakespeares der Fall war (siehe ersten Teil dieses Artikels). Ohne Zweifel hätte der Renaissance-Astrologe in seinen Texten unauffällig ein paar Nachrichten verstecken können. Aber tat er es das tatsächlich? Laut der Biografie „Nostradamus: Ein Mythos wird entschlüsselt“ von Bernd Harder „erscheint jedes Jahr mindestens ein neues Nostradamus-Buch, das im Untertitel die ‚sensationelle Entschlüsselung‘ der Centurien verheißt“. Selbstverständlich sind die Aussagen der bisher „entdeckten“ Codes mindestens genauso spektakulär wie das, was Nostradamus-Deuter ohnehin schon in die unverständlichen Vierzeiler hineininterpretieren.
Der bekannteste Entdecker eines Nostradamus-Codes ist der Buchautor und Hobby-Historiker Manfred Dimde. Dessen Theorie überprüfte der inzwischen leider verstorbene Mathematiker und Skeptiker Volker Guiard im 1998 erschienenen Buch „Endzeittaumel“. Eine von Dimdes Methoden nennt sich demnach „das innere Wort“. Diese Methode sieht vor, dass man einen Satz nimmt, die Wortzwischenräume entfernt und (nach kaum nachvollziehbaren Regeln) ein paar Buchstaben austauscht. Anschließend nimmt man Teile dieser Zeichenfolge und schreibt ihnen eine halbwegs passende Bedeutung zu. Gemäß dieser Methode wird aus „M. Nostradamus“ die Folge MNOSTRADAMUS. Darin sind Wörter wie M (tausend), NO (schwimmen), STRA (Einsturz, Haufen), MUS (Maus) oder DAM (Frau, Dame) enthalten. Die jeweilige Bedeutung ist nicht gerade zwingend, auch wenn M das lateinische Wort für tausend ist und NO auf Lateinisch „ich schwimme“ heißt. Nimmt man es mit den Wortübergängen nicht so genau und lässt ein paar Buchstaben weg, dann kommt ein Satz wie der folgende zustande: M NO NOST OS S ST OSTR T AD R RAD
Dies heißt (laut Dimde): „Tausend Worte fließen aus dem Mund. Die Sequenz ohne Zeit ist wie eine Muschel. Die Zeit füge zur Weissagung. Strahle.“ Es dürfte klar sein, dass man auf diese Weise eine beliebige Zahl unsinniger Sätze produzieren kann, die sich wiederum auf unterschiedliche Weise interpretieren lassen. Die anderen von Dimde vorgeschlagenen Entschlüsselungsmethoden geben auch nicht mehr her. So gesehen verwundert es kaum, dass Volker Guiard Manfred Dimde offen als Scharlatan und dessen Theorie als Aprilscherz bezeichnet.
Kaum mehr als ein Aprilscherz sind meist auch die Para-Codes, die in folgenden Objekten gefunden wurden:
- Voynich-Manuskript: Das Voynich-Manuskript, das nach seinem Entdecker Wilfried Voynich benannt ist, gilt für viele als das rätselhaftetste Buch der Welt (siehe Das Voynich-Manuskript: das Buch, das niemand lesen kann). Das wahrscheinlich etwa 550 Jahre alte Werk ist in einer Schrift verfasst, die trotz zahlreicher Versuche bisher niemand entziffern konnte. Auch auf die zahlreichen Bilder darin konnte sich bisher niemand einen Reim machen. Ist die wahre Bedeutung des unverständlichen Buchs vielleicht in einem Code versteckt? Bereits zweimal vermeldeten parawissenschaftlich orientierte Hobby-Forscher, verborgene Nachrichten im Voynich-Manuskript gefunden zu haben. Den ersten Fund präsentierte bereits 1921 der Philosophie-Professor William Newbold (1865-1926). Er hielt winzig kleine Teile der Voynich-Schriftzeichen für Buchstaben einer griechischen Kurzschrift. Auf diese Weise konnte Newbold scheinbar einige der im Manuskript abgebildeten Gegenstände erklären – er hielt sie für Eierstöcke, Zellstrukturen, Spermien und den Großen Andromedanebel. Da diese Objekte nur mit einem guten Mikroskop bzw. Teleskop erkennbar sind, wäre diese Entdeckung angesichts des vermuteten Alters des Manuskripts eine Sensation gewesen. Doch praktisch alle Experten, die Newbolds Arbeit lasen, hielten sie für Humbug. Der zweite Voynich-Forscher, der im Voynich-Manuskript steganografische Botschaften gefunden haben will, ist der Buchautor Erhard Landmann. Die zahlreichen Sterne, die im Manuskript abgebildet sind, enthalten seiner Meinung nach mikroskopisch kleine Schriftzüge. Dies erkannte er, obwohl ihm keine Abbildung des Manuskripts mit ausreichender Vergrößerung zur Verfügung stand. Daher hat Landmann bis heute auch nicht verraten, welchen Inhalt die derart verborgenen Botschaften haben.
- Nazca-Scharrbilder: Bereits mit mehreren unterschiedlichen Codes wurden die berühmten Scharrbilder von Nazca (Peru) in Verbindung gebracht. Es handelt sich dabei um oft mehrere Hektar große Liniengebilde, die nur aus der Luft als Gesamtkunstwerk zu erkennen sind. Einige Bilder stellen Tiere (z. B. Affen und Kolibris), andere Menschen dar. Bekannt sind die Nazca-Scharrbilder nicht zuletzt aus der Präastronautik (diese beschäftigt sich mit den angeblichen Besuchen Außerirdischer im Laufe der Geschichte) – dort ist die Theorie populär, es handle sich um Markierungen für Außerirdische, die aus ihren Fluggeräten einen guten Blick auf die Scharrbilder haben dürften. Andere interpretierten irgendwelche Codes in die Bilder hinein. Demnach könnten die Bilder unter anderem Teil einer überdimensionalen Landkarte, eine Art Riesen-Visitenkarte einer vergangenen Kultur oder eine Sternkarte sein.
- Bach-Kompositionen: Der Theologe und Musikwissenschaftler Friedrich Smend (1893-1980) fand einen angeblichen Code bei Johann Sebastian Bach. Er ging davon aus, dass der bekannte Komponist ein einfaches Zahlenalphabet nutzte (A=1, B=2, C=3 usw., wobei I und J sowie U und V nicht unterschieden werden). Wie Bach diese Zahlen verwendete, zeigt angeblich der „Canon a 4 voce“, den der Komponist 1713 für einen gewissen Johann Gottfried Walther geschrieben hat. Wandelt man Bachs Name in Zahlen um und zählt diese zusammen, dann ergibt sich: B+A+C+H = 2+1+3+8 = 14. Der Name Walther liefert folgendes Ergebnis: W+A+L+T+H+E+R = 21+1+11+19+8+5+17 = 82. Da der besagte Kanon 14 Taktstriche und 82 Noten hat, glaubte Smend nicht an einen Zufall. Auch wenn Smend in seinen Veröffentlichungen zahlreiche weitere Beispiele nennt, erzielte er keine größere Anerkennung mit seinen Forschungen. Deutlich spektakulärer als Smends Bach-Code ist eine angebliche Entdeckung der beiden Autoren Kees van Houten und Marinus Kasbergen aus dem Jahr 1986. Sie behaupten, dass Bach sein eigenes Geburts- und Sterbedatum in seine Werke einkodiert hat.
- Turiner Grabtuch: 1997 fanden die Wissenschaftler André Marion und Anne-Laure Courage mit einer Computeranalyse angebliche Inschriften auf der berühmten katholischen Reliquie. Es handelt sich dabei um etwa einen Zentimeter große griechische und lateinische Buchstaben. Untypischerweise revolutioniert dieser Fund jedoch nicht die Weltgeschichte, sondern ließ lediglich einige belanglose Wörter zum Vorschein kommen. Bisher gibt es noch keine Bestätigung durch weitere Untersuchungen. Im Juli 2009 gab es Berichte über weitere Buchstabenfunde. Dieses Mal soll auf aramäisch der Satz „Wir haben gefunden” auf dem Tuch aufgetaucht sein. Da es erneut nicht um eine weltbewegende Botschaft geht, sind die Chancen, dass ein echter Code vorliegt, sicherlich größer als in den anderen in diesem Artikel betrachteten Fälle.
Diese Liste ließe sich noch deutlich verlängern. Unter anderem „entdeckten“ fleißige Hobby-Steganografen geheime Botschaften in Kornkreisen, Stonehenge, der Kathedrale von Chartres, den Werken von Aristoteles, Shakespeares Grabstein, dem Roman „Gullivers Reisen“ und dem Comic „Dick Tracy“. Keine dieser Behauptungen konnte sich durchsetzen.
Bibel-Code und Koran-Code
Der mit Abstand bekannteste Para-Code findet sich (angeblich) in der Bibel. Dieser Bibel-Code geht auf Arbeiten des israelischen Mathematikers Eliyahu Rips und dessen Mitarbeiter Doron Witztum zurück (siehe Gibt es versteckte Botschaften in der Bibel?). Die beiden ordneten den Text der Thora (Altes Testament) zunächst in so genannten äquidistanten Buchstabenfolgen an. Diese entstehen, indem man beispielsweise nur jeden fünften oder zehnten Buchstaben berücksichtigt und Wortzwischenräume sowie Satzzeichen ignoriert. In den entstandenen Buchstabenfolgen suchten Witztum und Rips nach den Namen und Lebensdaten bedeutender jüdischer Persönlichkeiten. Tatsächlich förderte die Suche deutlich mehr Funde zutage, als die Wahrscheinlichkeit erwarten ließ. Wissenschaftliche Erklärungen schienen zu versagen, da alle Personen erst nach Niederschrift der Thora lebten. 1994 veröffentlichten die Forscher ihre Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift Statistical Science.
Auch der Bibel-Code hat die Eigenschaft, dass er mit der Zeit spektakulärer wurde. Von der Rips-Veröffentlichung angeregt entwickelte der Journalist Michael Drosnin seine eigene Code-Version. Mit einer grob vereinfachten Variante von Rips’ Methode suchte er in der Thora nach Prophezeiungen zur Weltgeschichte. Tatsächlich fand er verschiedene Ereignisse, die sich auf Persönlichkeiten wie Winston Churchill, Adolf Hitler und Jitzchak Rabin bezogen. Seine Ergebnisse veröffentlichte Drosnin 1997 in einem Buch namens „The Bible Code“ (dt. „Der Bibel Code“), ein zweiter Band erschien 2002. Im Gegensatz zu Rips und Witztum verzichtete Drosnin jedoch auf eine statistische Kontrolle und machte nur sehr spärliche Angaben zu seinen Suchexperimenten.
Drosnins Buch rief schnell einige Kritiker auf den Plan, die teilweise mit absurden Vergleichscodes reagierten. Brendan McKay fand beispielsweise „Prophezeiungen“ in Herman Melvilles „Moby Dick“, während der Skeptiker Wolfgang Hund mit einem Rotkäppchen-Code antwortete. Doch nicht nur Drosnins Bibel-Code, sondern auch die Ergebnisse von Rips und Witztum blieben nicht unwidersprochen. Demnach haben die beiden bei der Auswahl der jüdischen Persönlichkeiten, der Schreibeweise der Namen und der Erstellung des statistischen Modells jeweils die Möglichkeit mit der höchsten Trefferquote ausgewählt. Aus einer der vermeintlich bedeutendsten Entdeckungen der Wissenschaftsgeschichte ist somit inzwischen eine Banalität geworden, die unter Wissenschaftlern kaum noch eine Bedeutung hat.
Nach dem Erfolg des Bibel-Codes ließ ein Koran-Code nicht lange auf sich warten. 2004 veröffentlichte ein gewisser Adel Awadalla ein Buch namens „The Mystifying Codes of The Holy Quran“, in dem er entsprechende Entdeckungen präsentierte. Mit Hilfe des Codes soll es möglich sein, verschiedenste Ereignisse der Weltgeschichte aus dem Koran herauszulesen – insbesondere solche, die sich erst lange nach dessen Entstehung ereignet haben. Besonders schlüssig wirkt Awadallas Vorgehensweise jedoch nicht. Er ordnet jedem Buchstaben des arabischen Alphabets eine Zahl zwischen 1 und 1.000 zu (dies ist nicht seine Erfindung, sondern entspricht einer alten arabischen Tradition) und zieht aus diesen Zahlen allerlei Schlüsse. In einer Koran-Sure ermittelt Awadalla beispielsweise 397 als Summe der Buchstabenwerte des ersten Verses. Dies entspricht (laut Awadalla) der Anzahl der Jahre zwischen dem Beginn des Aufenthalts der Juden in Ägypten und der Offenbarung der Thora. Im zweiten Vers ergibt sich die Summe 1224. Dies entspricht angeblich der Zeitspanne zwischen der Thora-Offenbarung und dem Beginn des Christentums im Jahr 11 n. Chr. Im dritten Vers ergibt sich 3121. Dies ist die Zeitspanne zwischen dem Beginn des Judentums und dem Ende des Osmanischen Reichs im Jahr 1908.
Allerdings ist es völlig willkürlich, den Beginn des Judentums auf das Jahr 1213 v. Chr. festzulegen. Das Jahr 11, in dem das Christentum entstanden sein soll, muss man sogar als falsch bezeichnen, da Jesus von Nazareth erst um das Jahr 30 öffentlich auftrat. Warum Awadalla das Jahr 1908 als Ende des Osmanischen Reichs nimmt (und nicht etwa das Jahr 1923), ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Angesichts dieser Fehler brauchen wir uns auch bezüglich der diffusen Katastrophen (es geht um Krieg und um „besondere Bestrafungen“), die Awadalla für die kommenden Jahre aus dem Koran herausliest, keine großen Sorgen zu machen.
Code-Fieber
Es gibt wohl nur einen Para-Code, der an Popularität annähernd mit dem Bibel-Code aufnehmen kann: den Da-Vinci-Code. Bekannt wurde dieser durch den gleichnamigen Roman von Dan Brown, der auf Deutsch unter dem Titel „Sakrileg“ erschienen ist. Der Da-Vinci-Code ist angeblich im Gemälde „Abendmahl“ von Leonardo da Vinci versteckt. Allerdings geht es hierbei nicht um eine in Buchstaben kodierte Nachricht, sondern um verschiedene Gesten und Anordnungen, die auf dem Gemälde zu erkennen sind und angeblich eine geheime Bedeutung haben.
Hintergrund des Da-Vinci-Codes ist eine Verschwörungstheorie. Diese besagt, dass Jesus von Nazareth mit der in der Bibel mehrfach erwähnten Maria Magdalena verheiratet war und diese zur Verbreitung des christlichen Glaubens auserwählt hatte. Diese wahren Absichten Jesu sind jedoch heute angeblich nur noch einer kleinen Gruppe von Eingeweihten bekannt – der Bruderschaft von Sion. Zu dieser Bruderschaft soll auch Leonardo da Vinci gehört haben. Als er sein berühmtes Abendmahl malte, schmuggelte er angeblich ein paar Hinweise auf sein geheimes Wissen in das Bild. So soll die Person auf dem Bild rechts neben Jesus nicht den Apostel Johannes, sondern Maria Magdalena darstellen (tatsächlich hat die abgebildete Person weibliche Züge). Der Zwischenraum zwischen den beiden hat die Form eines mit der Spitze nach unten zeigenden Dreiecks, was den Mutterschoß und das göttlich Weibliche symbolisieren soll. Die Körperhaltung der beiden entspricht ebenfalls der V-Form. Außerdem fehlt der Kelch auf dem Bild, was in den Augen der Verschwörungstheoretiker daran liegt, dass Maria Magdalena selbst der Heilige Gral ist.
Doch so schön diese Geschichte auch ist – sie ist durch nichts belegt. Die Ehe Jesu mit Maria Magdalena ist reine Spekulation und die Bruderschaft von Sion hat vermutlich nie in der beschriebenen Form existiert. Kunsthistoriker weisen außerdem darauf hin, dass der Apostel Johannes auf vielen Gemälden mit jugendlichen Zügen dargestellt wird, da es sich der Überlieferung nach um den jüngsten Apostel handelte. Dass Johannes auf dem Bild wie eine Frau aussieht, kann einfach daran liegen, dass da Vinci es mit der Jugendlichkeit etwas übertrieben hat. Vielleicht wollte der geniale Künstler auch jemanden ärgern, oder vielleicht war sein Modell eine Frau. Eine Verbindung zu Maria Magdalena, der Bruderschaft von Sion und irgendwelchen Verschwörungen ist aus dem Bild allerdings mit dem besten Willen nicht herauszulesen.
Echte Codes und gar keine Codes
Angesichts der vielen zweifelhaften Codes in diesem Artikel soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Code-Funde in bedeutenden Objekten gibt, die anerkanntermaßen echt sind oder zumindest plausibel erscheinen. Hier eine Auswahl:
- Der Renaissance-Roman „Hypnerotomachia Poliphili“ enthält ein so genanntes Akrostichon (so nennt man einen Code, der sich ergibt, wenn man jeweils die ersten Buchstaben von Zeilen oder Wörtern aneinanderreiht). Dieses lautet: POLIAM FRANCISCVS COLVMNA PERAMAVIT (Francesco Colonna hat Polia sehr geliebt). Diese versteckte Botschaft könnte ein Hinweis auf den Autor des anonym veröffentlichten Buchs sein.
- Mehrere Kornkreise enthalten unbestrittenermaßen einen Code. Ein 2003 in Großbritannien aufgetauchtes Exemplar war beispielsweise mit einer (belanglosen) Nachricht im ASCII-Format versehen. Ein Kornkreis aus dem Jahr 2008 enthält Markierungen, die die Zahl Pi im Dezimalsystem repräsentieren. Ist dies der Beweis dafür, das Außerirdische das Dezimalsystem nutzen und den ASCII-Standard kennen?
- Der Berliner Fernsehturm ist 365 Meter hoch. Dies entspricht der Anzahl der Tage im Jahr. Falls unsere Nachkommen oder Besucher aus dem Weltall das metrische System kennen, werden sie das Gebäude vielleicht als steinernes Lehrbuch betrachten.
Durch den Bibel-Code und den Da-Vinci-Code ist der Begriff „Code“ in den letzten Jahren zu einem Modewort geworden. Das anfangs erwähnte Buch „Der Pyramiden Code“ ist ein Beleg dafür. Bücher namens „Nostradamus-Code“ oder mit einem ähnlichen Titel sind gleich mehrere auf dem Markt. Dabei wird das Wort „Code“ häufig auch für Dinge verwendet, die nichts mit einem Code zu tun haben. So berichtete die (von vielen als pseudowissenschaftlich bezeichnete) Zeitschrift „Wunderwelt Wissen“ in ihrer Aprilausgabe des Jahrs 2008 über einen „Geheimcode der Smaragdtafel“. Der zugehörige Artikel ist deutlich seriöser, als es die Ankündigung auf der Titelseite vermuten lässt, und weiß nichts von einem Geheimcode.
Einen ähnlichen Code-Missbrauch betrieb ein deutscher Verlag im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Voynich-Manuskript. Ein durchaus seriöses Buch zum Voynich-Manuskript stammt von Rob Churchill und Gerry Kennedy. Es heißt im Original schlicht „The Voynich Manuscript“. Dem Verlag Rogner & Bernhard fiel für die deutsche Übersetzung kein besserer Titel ein als „Der Voynich-Code“. So erhielt ein lesenswertes Buch unnötigerweise einen pseudowissenschaftlichen Anstrich. Gleiches gilt leider auch für das (ebenfalls seriöse) Buch „Der Darwin Code“ von Thomas Junker und Sabine Paul, dessen verkaufsfördernder Titel in ärgerlicher Form an den Bibel-Code und den Da-Vinci-Code erinnert.
Ohne das Wort „Code“ im Namen kommt dagegen das Buch „Das letzte Geheimnis“ von Ian Caldwell und Dustin Thomason aus (Caldwell, Thomason 2006). Darin geht es um versteckte Botschaften in dem bereits erwähnten Roman „Hypnerotomachia Poliphili“ aus dem 15. Jahrhundert. Ist „Das letzte Geheimnis“ ein weiterer Beitrag zur geistigen Umweltverschmutzung? Nein. Es handelt sich um einen Roman – ohne den Anspruch, authentisch zu sein.
Der Text erschien in ähnlicher Form erstmals in der Zeitschrift Skeptiker (1-2010). Klaus Schmeh ist Verschlüsselungsexperte und Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Sein Telepolis-Buch Link auf /tp/r4/buch/buch_36.html (2008) behandelt die Geschichte der Steganografie und geht auch auf Para-Codes ein. Seine Web-Seite: www.schmeh.org.