Bio-Strategie 2030 trifft Glyphosat-Verlängerung

Glyphosat-Unkrautvernichter auf dem Boden – Symbol der Kontroverse um Pflanzenschutzmittel

Glyphosathaltige Unkrautvernichter kursieren unter verschiedenen Namen. Foto: Parkywiki / CC-BY-SA-4.0

Agrarminister Özdemir hat seine Bio-Strategie vorgestellt. Gegen die Zulassung des Ackergifts Glyphosat in Deutschland will er vorgehen. Woran dies scheitern könnte.

Das Verbot war schon in greifbarer Nähe. Nun rückt es wieder in weite Ferne: Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat darf für weitere zehn Jahre in der EU angewendet werden, wenn auch mit Auflagen und Einschränkungen.

Zuvor hatten sich in einem EU-Berufungsausschuss weder hinreichend Vertreter der EU-Staaten für noch gegen einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen. Bei der Abstimmung war eine qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 EU-Länder erforderlich, um den Vorschlag entweder zu unterstützen oder zu blockieren. Vor diesem Hintergrund konnte die EU-Kommission jetzt im Alleingang entscheiden.

Nach dem Vorschlag der Behörde wird der Einsatz von Glyphosat in der EU jetzt weiter bis 2033 erlaubt. Allerdings ist die Verwendung des Unkrautvernichters an Bedingungen geknüpft: Unter anderem sollen Landwirte mindestens fünf Meter breite Pufferstreifen einhalten. Die Mitgliedsstaaten sollen zudem die Menge und die Häufigkeit für den Einsatz des Mittels beschränken.

Eine Wiederzulassung hätte auch für einen deutlich kürzeren Zeitraum gelten können, kritisiert Cem Özdemir, der die erneute Zulassung ausdrücklich bedauert. Die Entscheidung der EU-Kommission werde dem Abstimmungsverhalten im zuständigen EU-Ausschuss in keiner Weise gerecht, erklärt der Bundesagrarminister.

Deutschland hatte sich bei der Abstimmung erneut enthalten. Denn während die FDP für eine Zulassungsverlängerung stimmte, hatten sich die Grünen dagegen ausgesprochen. Sechs weitere EU-Staaten, darunter Frankreich und die Niederlande, hatten sich enthalten. Nur Österreich, Luxemburg und Kroatien lehnten eine erneute Zulassung des Unkrautvernichters ab.

Mit Blick auf das weitere Vorgehen verwies Özdemir auf die im Ampel-Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung, Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen. Im Rahmen dessen, was Brüssel festgelegt hat, will er nun den nationalen Spielraum nutzen.

Denkbar wären strengere Regeln oder sogar ein nationales Verbot. Doch ein nationaler Alleingang dürfte schwierig werden. Zwar wollte Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner ein Verbot von Glyphosat ab 2024 sogar unabhängig von einer weiteren Zulassung auf EU-Ebene durchsetzen.

Fraglich ist jedoch, ob das vor Gericht standhält. Immerhin bestimmt eine EU-Verordnung, welche Pflanzenschutzmittel in den Mitgliedsstaaten eingesetzt werden dürfen.

Mitgliedsstaaten dürfen mit guter Begründung Zulassung verweigern

Für ein Glyphosat-Verbot im eigenen Land braucht es allerdings triftige Gründe. So müsste Deutschland zum Beispiel nachweisen, warum Glyphosat auf Feldern in Brandenburg links der Oder ein höheres Risiko für Mensch und Natur darstellt als auf polnischen Feldern. Luxemburg hatte diesen Weg probiert, war damit aber vor dem höchsten Verwaltungsgericht im Land gescheitert.

Bayer, einer der größten Produzenten von Pflanzenschutzmitteln, hatte seinerzeit gegen Glyphosat-Verbot geklagt. Im vergangenen Jahr verdiente der Konzern allein mit seinen Agrar-Produkten, zu dem primär das Geschäft mit Herbiziden gehört, mehr als 25 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr konnte Bayer den Umsatz um satte 44 Prozent steigern.

Der Grund hierfür seien "Preissteigerungen aufgrund von Versorgungsengpässen für glyphosathaltige Produkte" unter anderem im europäischen Markt, wie das Unternehmen erklärte.

Auch konventionelle Landwirte könnten klagen, sollte die Anwendung von Glyphosat hierzulande verboten werden. Ein deutscher Alleingang könnte als Nachteil im europäischen Konkurrenzkampf gesehen werden, warnt der Deutsche Bauernverband, der vor Wettbewerbsnachteilen innerhalb der EU warnt.

Umweltschützer und Verbraucherverbände sind von der Entscheidung der EU-Kommission enttäuscht. Sie fordern schon lange ein Verbot des umstrittenen Mittels. Die EU habe eine riesige Chance vertan. Dass Glyphosat für weitere zehn (!) Jahre erlaubt bleiben soll – und das ohne qualifizierte Mehrheit – sei ein Skandal, erklärt Öko-Test-Chefredakteurin Kerstin Scheidecker.

Ob Müsli, Spaghetti, Hummus, schwarzer Tee oder Bier – in hauseigenen Tests findet Öko-Test immer wieder Glyphosat. Daran ist zu erkennen, wie großflächig das Herbizid gesprüht wird. Auch Honig ist immer öfter mit Glyphosat belastet.

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