Fleisch als Identität: Warum Deutschland am Schnitzel festhält

Teller mit Fleisch

Fleisch gilt vielen als Symbol deutscher Esskultur. Die Deutschen essen pro Jahr etwa 55 Kilo davon. Doch hinter der Liebe zum Schnitzel steckt mehr als nur Genuss.

Der Fleischkonsum gilt manchen heute als Zeichen für die deutsche Identität. Es geht dabei nicht um Gesundheit, sondern die Freiheit, sich ein Tier töten zu lassen und die vermeintlich besten Stücke zu verzehren.

"Fleisch ist ein Stück Lebenskraft" dichtete die inzwischen aufgelöste Centrale Marketinggesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft (CMA), deren Ende auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 2009 zurückgeht und deren Kampagnen durch Pflichtbeiträge der Landwirte finanziert wurden.

Heute steht Fleisch in den Medien meist für Fehlernährung, Umweltzerstörung und Tierleid und kämpft einerseits mit ordentlichen Imageproblemen, bekommt heute jedoch gerade in den alternativen Medien Zuspruch aus der größer werdenden rechten Ecke.

Fleisch war Zeichen zunehmenden Wohlstands

Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder, der an der Universität Regensburg mit einem Forschungsprojekt mit dem Titel "Fleisch als Kulturgut" herausfinden wollte, welche Bedeutung Fleisch abseits seiner Bedeutung als organische Substanz für die Menschen in Deutschland bedeutet, stellt in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur schon am 29. August 2018 fest:

Das Spannende am Fleisch ist ja, dass wir von Beginn der Menschheit an eigentlich den Wohlstand einer Gesellschaft und die Innovationskraft einer Gesellschaft ablesen können an der Eiweißzufuhr, die zumindest im Binnenland in der Regel über Fleisch erfolgt und sonst über Fisch. Und die Hirngröße, die Entwicklung der Gehirngröße, all das hängt von Eiweißzufuhr ab, und Fleisch ist eben primär dann erst mal auch Eiweiß- und Energieträger.

Wir können das besonders deutlich im 18., 19. Jahrhundert sehen. Im 19. Jahrhundert haben wir zu Beginn der Zeit, in der Frühindustrialisierung einen dramatisch niedrigen Fleischverbrauch, viel zu wenig Eiweiß. Ein Großteil der Bevölkerung in Mitteleuropa isst praktisch vegetarisch – faktisch.

Und dann kommt im Verlauf des 19. Jahrhunderts die große Steigerung des Fleischkonsums. Am Ende der Kaiserzeit haben wir ungefähr 55 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr, also ungefähr fast so viel wie heute. Und das wird von den Menschen als großer Wohlstandsmarker wahrgenommen.

Menschen ziehen aus einer dörflichen Umgebung, aus den armen Agrargebieten in die Industriestädte, nicht nur, weil sie dort Arbeit finden, sondern weil sie mit dem Geld, das sie verdienen, Fleisch essen können, weil das eine so hohe kulturelle Wertigkeit hat. Fleisch ist praktisch im Kaiserreich Chiffre für hohen Lebensstandard.

In Zeiten, in welchen immer mehr von einer Rückkehr zu längst vergangene Zeiten träumen, werden die politischen Forderungen nach einem staatlich garantierten Fleischkonsum immer lauter, obwohl für den Konsum von rotem Fleisch wie Rind-, Schweine- und Lammfleisch nachgewiesen ist, dass er das Risiko für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes erhöht.

Aktuell empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für Erwachsene einen maximalen Verzehr von 300 Gramm Fleisch pro Woche, inklusive daraus hergestellter Wurstwaren.

Preise für Kalbsfleisch steigen

Die Leistungssteigerungen beim Milchvieh hat dafür gesorgt, dass die Milchkühe weniger oft kalben müssen, um die vermarktbare Menge an Milch zu produzieren.

Die dadurch reduzierte Zahl der Kälber und die Aufgabe zahlreicher bäuerlicher Betriebe hat heute dazu geführt, dass die meist türkischen Imbissbetriebe ihre Kalbsfleischdöner vielfach aus der Speisekarte gelöscht haben.

Umweltfolgekosten des Fleischkonsums werden noch nicht bezahlt

In Deutschland wird viel Fleisch konsumiert und nur Aldi Süd hat die niedrigste Fleischkategorie aus seinem Sortiment entfernt, während Rewe und Edeka sich einen Wettstreit beim billigsten Fleischangebot liefern. Die Umweltfolgeschäden, die etwa in Südamerika durch Regenwaldabholzung und Holzkohlegewinnung sowie durch den Anbau von Futtermittelpflanzen wie Soja entstehen, werden vom deutschen Konsumenten noch nicht bezahlt.

Der Fleischkonsum, wie er derzeit in Deutschland vorherrscht und 60 Prozent der Agrarfläche für den Anbau von Futtermitteln belegt, wird sich auf Dauer nicht halten können und die Verbraucher hierzulande werden den Preis dafür bezahlen müssen. Mit Gülle verseuchtes Grundwasser und zerstörte Böden werden die Lebensgrundlage vielerorts zerstören.

Reduzierte Umsatzsteuer für Gastronomie

CDU/CSU und SPD haben in ihren Sondierungsgesprächen vereinbart, dass der Umsatzsteuersatz für Speisen in der Gastronomie wie zu Zeiten von Corona wieder auf 7 Prozent reduziert wird, damit mehr Menschen das inzwischen durchaus eingeschränkte gastronomische Angebot nutzen können.

Dabei setzen sowohl die Systemgastronomie, deren Haupttätigkeit schon klassisch im Aufwärmen industriell vorgefertigter Waren besteht, als auch die eher bürgerliche Traditionsgastronomie aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal heute auf Fertigprodukte, die mit der klassischen Zubereitung noch maximal den Namen gemein hat.

Im Gegensatz zu Lebensmitteln, die Verbraucher im Laden kaufen können, fehlen den Speisekarten der Restaurants viele Angaben zu den verwendeten Zutaten. Andere Länder sind da deutlich weiter. So bekommt man in den Suki-Lokalen der thailändischen MK-Gruppe mit der Rechnung einen Ausdruck mit den Nährwertangaben der bestellten Zutaten. Deutsche Speisekarten bieten heute gerade einmal Angaben zu den in den Speisen enthaltenen Allergenen, die der Nutzer sich dann aus den Fußnoten zusammensuchen muss.

Anmerkung der Redaktion: In einer älteren Fassung des Artikels wurde mit Krottenbach-Schlettburg ein Ort benannt, in dem vegane Lebensmittel ausdrücklich verboten sein sollen. Das stimmt nicht und entstammt einem satirischen Artikel.