Bio, fair und ohne Kinderarbeit

Ein neues Gesetz soll gerechtere Arbeitsbedingungen und nachhaltigen Umweltschutz im globalen Süden garantieren. Längst gibt es Unternehmen, die fairen Handel mit Bioprodukten betreiben. Zum Beispiel mit Kakao und Kaffee.

Sie schleppen zu schwere Säcke, atmen giftige Pestizide, gehen nicht zur Schule. Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Menschenhandel sind auf afrikanischen Plantagen an der Tagesordnung. Fast jedes zweite Kind einer Familie mit Kakaoanbau muss auf einer Plantage mitarbeiten. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie des National Opinion Research Center (NORC) der Universität Chicago. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden in Ghana und in der Elfenbeinküste rund 1,56 Millionen Mädchen und Jungen zwischen 5 und 17 Jahren zur Kinderarbeit gezwungen.

Aus den oben genannten Ländern stammen rund 70 Prozent des westafrikanischen Kakaos. Rund zwei Millionen Kinder verrichten gefährliche Schwerstarbeit auf den Plantagen. Innerhalb von zehn Jahren (bis 2019) stieg der Anteil an Kinderarbeit von 30 auf 41 Prozent.

In diesem Zeitraum habe es hier keine Fortschritte gegeben, erklärt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut in Bonn gegenüber der ARD. Ein Grund dafür sei, dass der Preis um ein Drittel eingebrochen ist. Ein Bauer in der Region müsse heute das Doppelte verdienen, um seine Existenz zu sichern. Im Kakao-Sektor konnte man einen direkten Zusammenhang zwischen Preis und Kinderarbeit beobachten.

So wird für die Herstellung einer Tafel Schokolade aus konventionellem Anbau etwa sieben Cent gezahlt. Die Wertsteigerung kommt bei der Weiterverarbeitung. Ob dabei Kinderarbeit im Spiel ist, ist nicht nachvollziehbar. Das bedeutet aber auch, ein paar Cent mehr würde die Existenz der Bauern sichern, ohne dass es dem Supermarkt-Kunden weh tut.

Kakao von Plantagen aus Westafrika beziehen vor allem Hersteller wie Nestlé und Mondelez, deren Produkte auch in deutschen Supermärkten landen. Ein anderes Beispiel ist die Palmölproduktion, die häufig mit Landraub und Pestizid-Vergiftung von Wasser und Boden einhergeht und in der Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften. Der belgische Lebensmittelhersteller Van de moortele zum Beispiel bezieht Palmölprodukte aus Guatemala. Unter anderem stellt das Unternehmen Süßwaren für Edeka her.

Jahrelang haben Unternehmen wie Nestlé, Unilever und Mars immer wieder versprochen, Kinderarbeit auf den Plantagen entlang der Lieferketten nachzuverfolgen, ohne wirklich aktiv zu werden. Jedenfalls hat sich an den Missständen nichts geändert. Nun will das Wirtschaftsministerium deutsche Unternehmen per Gesetz dazu verpflichten, dafür zu sorgen, dass ihre direkten Zulieferer nicht gegen Menschenrechte verstoßen.

Faire Preise ohne Ausbeutung

Diskutiert wird ein Lieferkettengesetz, das sich an "Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" orientiert, die bereits vor zehn Jahren vom Deutschen Global Compact Netzwerk (DGCN) herausgegeben wurden.

Von der Produktion bis zur Verarbeitung sollen alle menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken geprüft werden. Die Unternehmen müssen eine Risikoanalyse machen und somit präventiv tätig werden. Das Gesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gelten. Ab 2024 werden Unternehmen mit mindestens tausend Beschäftigten einbezogen, heißt es.

Zwar sind die Sorgfaltspflichten bezüglich Lieferanten differenziert ausformuliert, was aber fehlt, ist eine eigene umweltbezogene Sorgfaltspflicht, kritisiert Christian Wimberger von der Christlichen Initiative Romero im Interwiev mit hr-Inforadio. Unternehmen müssen nur dann tätig werden, wenn eine Umweltzerstörung auch menschenrechtliche Folgen nach sich zieht. Das greife viel zu kurz, weil sich viele Umweltzerstörungen erst nach Jahren zu Menschenrechtsverletzungen bzw. gesundheitlichen Problemen entwickeln.

Pioniere des Fairen Handels: El Puente und GEPA

"Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt", lautet die Definition der internationalen Dachorganisation des fairen Handels FLO e.V.

El Puente mit Sitz im niedersächsichen Nordstemmen arbeitet nach diesen Prinzipien: Produzenten soll durch faire Preise ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht und Arbeitsbedingungen sollen nachhaltig verbessert werden. Seit Beginn der 1970er Jahre vertreibt das Unternehmen in rund 900 Weltläden deutschland- und europaweit Lebensmittel, Kaffee, Kosmetik und Handwerksprodukte aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Es arbeitet mit Kleinbauern, Familienbetrieben und lokalen Fairhandelsorganisationen in über 40 Ländern zusammen.

Mit einer hundertprozentigen zinsfreien Vorfinanzierung können die Partner unabhängig wirtschaften und nötige Investitionen tätigen, ohne von teuren Krediten abhängig zu sein. Ein fester Bestandteil ist die entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Für das Unternehmen gelten die Standards des Fairen Handels der World Fair Trade Organization (WFTO), in dem rund rund 370 Fair-Handels-Organisationen aus 70 Ländern organisiert sind. Zudem ist es im Forum Fairer Handel e.V. sowie im Weltladen-Dachverband e.V. organisiert.

Nach ähnlichen Kriterien arbeitet auch GEPA. Seit 1975 unterstützt die faire Handelsorganisation Produzenten im Süden nachhaltig, klärt Konsumenten auf, um ungerechte Welthandelsstrukturen zu verändern.

Mit "fair plus" werden Projekte vorfinanziert, für Kaffee und Tee oft mehr gezahlt als die allgemeinen verbindlichen Mindeststandards. So werden nach eigenen Angaben 70 Prozent des Kilo-Preises für Bio-Darjeeling-Grüntee an Teepflücker und -pflückerinnen gezahlt. Darüber hinaus bekommen Handwerkspartner auf Anfrage direkt eine Art zinslosen Kredit, bevor sie ihre Produkte liefern.

Kakaoanbau mit Wertschöpfung im eigenen Land

Mehr als 80 Prozent der Kakaoplantagen sind nicht größer als fünf Hektar und werden von Kleinbauern bewirtschaftet - zu wenig für ein existenzsicherndes Einkommen - erst recht bei Ernteausfällen oder bei unsicheren Landrechten. Häufig fehlt es an Wissen über alternative Anbaumethoden, um den Ertrag zu erhöhen.

Nicht selten müssen in den Anbauregionen Regenwälder weichen. Den Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie zufolge ist der Anteil des nachhaltigen Kakaoanbaus von 2011 bis 2019 von drei auf 72 Prozent gestiegen. Das Familienunternehmen Ritter Sport etwa betreibt eigene Kakaoplantagen in Nicaragua im Agroforstsystem. Die Bauern werden direkt vom deutschen Schokohersteller entlohnt und fortgebildet.

Ein Handelsunternehmen, dass ebenfalls mit Schokolade aus sozialverträglichem Anbau handelt, ist Premifair mit Sitz in München. Als Mitglied der Initiative Fairness im Handel vertreibt Premifair Schokolade aus ökologischem Anbauprojekten. Und das begann so: Als Santiago Peralta in den 1990er Jahren während eines Studienaufenthaltes in Europa weilte, sah er, wie Edelkakao zu Niedrigpreisen importiert wurde. Chocolatiers fuhren höchste Gewinne ein, in der Schweiz lagen sie sogar um das Hundertfache des Einkaufspreises. Daran wollte der Ecuadorianer etwas ändern.

2002 gründete er gemeinsam mit seiner Frau eine ökologische Schokoladenmanufaktur in Ecuador. Die Kakaobauern sollten ihr Produkte zu fairen Konditionen herstellen. Rund 4.000 unter Vertrag stehenden Kleinbauern sind in Kooperativen organisiert. Für die Rohware erhalten die Bauern das Doppelte von dem, was auf dem Weltmarkt gezahlt wird.

Sie erwerben ein umfassendes Verständnis des biodynamischen Anbaus - von der Verarbeitung bis hin zum fertigen Produkt. Vor allem erfahren sie, was aus den Rohprodukten hergestellt wird, denn viele Bauern hatten vorher das Produkt "Schokolade" noch nie gesehen.

Seit das Gewicht der Kakaobohnensäcke von 90 kg auf 22,5 kg reduziert wurde, können sich auf die Frauen ein eigenes, unabhängiges Einkommen durch Kakaoanbau erschließen. Im PACARI-Shop La Floresta in Quito werden die Schokoladen zur Verkostung und dem Verkauf angeboten, weitere Shops im Land wurden eröffnet.

Kinder pflücken Bohnen für deutsche Kaffeetrinker

Kaffee wächst ausschließlich in subtropischen und tropischen Klimazonen, wo er mit bestehenden Regenwäldern konkurriert. Die Kultur wird in mehr als 70 Ländern produziert, in den meisten ist Kinderarbeit eher die Regel als die Ausnahme, so wie in Kenia und Tanzania, wo mehr als die Hälfte der Kinder auf den Plantagen arbeiten. In Honduras und Guatemala wird mehr als 30 Prozent der Kaffee-Ernte durch Kinderarbeit gewonnen.

So sorgte ein Bericht von Journalisten, die Kinder auf Kaffeeplantagen in Guatemala aufgespürt hatten, im März 2020 für mediales Aufsehen. Die Bohnenernte sei u. a. an Starbucks und Nespresso verkauft worden, hieß es damals.

Die hochtechnisierten Kaffeeplantagen werden meist intensiv mit Düngern und Chemikalien bewirtschaftet. Das hat nicht nur schädliche Auswirkungen auf Boden sowie Flora und Fauna, sondern auch auf die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Der erodierte, ausgelaugte Boden kann dann nur noch beweidet werden. Im Ökologischen Terrassenanbau werden Reservoirs für Regenwasser geschaffen. Im Idealfall wachsen die Kaffeesträucher zwischen schattenspendenden Bäumen.

Üblich ist der Mischanbau mit Bananen, Grapefruit- und Avocado, aber auch Eukalyptus, Ananas und Papaya. Diese so genannten Schattenpflanzen schützen vor Wind und intensiver Sonneneinstrahlung. Pflanzenreste werden kompostiert, mit dem Kompost wiederum werden die Kaffeepflanzen gedüngt.

"Solidarischer Kaffee" aus dem Regenwald

Nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten die Bauern von Teikei Coffee (Teikei: japanisch für Zusammenarbeit) im mexikanischen Hochland: In den Nebelwäldern von Veracruz bewirtschaften die Bauern eine Wald-Landwirtschaft mit Arabica-Kaffee. Im Schatten des Regenwaldes wachsen neben Kaffee und weidenden Ziegen Bananen, Avocado, Vanille, Kurkuma und Heilpflanzen.

Die Bauern der Finca El Equimite kultivieren Gemüse und Kaffee, Demeter-zertifiziert und im Agroforstsystem. Darüber hinaus gibt es kleinere Fincas von etwa vier Hektar, auf denen Kaffee für den Verkauf und Gemüse zur Selbstversorgung produziert wird. 70 Prozent des tropischen Regenwaldes bleiben somit erhalten.

Die Fincas sind unter dem Dach von Ensambles Cafés Mexicanos vereint, eine Art Genossenschaft, die den Bauern den Weg zur eigenen Zertifizierung erleichtert und alle Verarbeitungsschritte übernimmt. Seit 2017 wird der Bio-Kaffee aus Mexiko an 600 Mitglieder nach Deutschland geliefert. Ähnlich dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft zahlen die Gemeinschaften in Europa bedarfsorientiert.

Die Bauern erhalten mehr als ein Viertel des Umsatzes. Damit können sie die Bedürfnisse ihrer Familien decken. Der Rest des Geldes fließt in Transport, Rösterei, Versand, Kaffee- und Mehrwertsteuern sowie Verwaltung. Gewinne werden in zukunftsfähige Landwirtschaft und Bildungsarbeit reinvestiert. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen insgesamt 500 regionale Kleinbauernfamilien auf eine assoziative Wirtschaftsweise umstellen.

Auf klimafreundlichen Segelschiffen der Timbercoast-Reederei kommt der Kaffee einmal im Jahr während einer zweimonatigen Reise über den Atlantik nach Europa. 2018 wurden erstmals elf Tonnen Kaffee geliefert, ein Jahr später war es schon etwa doppelt so viel. Seit 2019 verarbeitet Teikei seine Bohnen in einer eigenen Rösterei in Hamburg, bedarfsorientiert nach dem Prinzip des assoziativen Wirtschaftens. Im Teikei-Café in Hamburg wird auch fair gehandelter Kaffee angeboten. Von hier aus wird der Kaffee in ganzen Bohnen in Ein-Kilo- bzw. Zehn-Kilo-Packs an die Mitglieder geliefert. Ernteanteile können online erworben werden.