Biogasanlagen: Ein ungenutztes Potenzial für die Energiewende
Biogasanlagen könnten die Energiewende vorantreiben. Doch ihr Potenzial wird von der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Was mit ihnen möglich ist.
Anfang Februar teilte die Bundesregierung mit, sich auf die wesentlichen Elemente ihrer Kraftwerksstrategie geeinigt zu haben. Dazu zählt die Ausschreibung von neuen Gaskraftwerkskapazitäten, die vollständig auf Wasserstoff als Brennstoff umgestellt werden können, also "H2-ready" sind.
H2-ready Gaskraftwerke: Deutschlands Plan für 2035–2040
Bundeskanzler, Bundeswirtschaftsminister und Bundesfinanzminister haben sich darauf geeinigt, kurzfristig viermal 2,5 Gigawatt (GW) H2-ready-Gaskraftwerke auszuschreiben, "die ab einem 2032 festzulegenden Umstiegsdatum zwischen 2035 und 2040" vollständig auf Wasserstoff umstellen sollen. Denn für eine vollständige Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen braucht es Kraftwerke, die vom Wetter unabhängig kurzfristig einspringen können.
Gaskraftwerke bieten die nötige Flexibilität, aber auch fossiles Erdgas muss perspektivisch aus dem Energiemix verschwinden, um CO2-Neutralität zu erreichen. Grüner Wasserstoff hingegen kann per Elektrolyse erzeugt werden, wenn gerade zu viel Windstrom vorhanden ist. De facto muss grüner Wasserstoff größtenteils importiert werden, die Bundesregierung bemüht sich schon heute darum, entsprechende Handelsbeziehungen aufzubauen.
Biogas als flexibler Energieträger: Potenziale und Herausforderungen
Was mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke können sollen, das könnten auch Biogasanlagen, argumentieren der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Fachverband Biogas. "Wir brauchen ein flexibles Backup, was erneuerbar und dezentral ist und da fehlt nach wie vor der politische Wille", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter in einer Rede beim Energiedialog 2024 im Januar.
Mit einem flexiblen Biogasanlagenpark – gemeint sind Biogasanlagen mit angeschlossener Verstromung in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) – könnten bis 2030 zusätzliche Kapazitäten von 6 GW geschaffen werden, bis 2045 sogar von 18 GW. Die heutigen Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Biogas liegen bei 5,9 GW.
Zusätzlich erzeugen die Anlagen in der Regel Wärme, die beispielsweise in kommunalen Wärmenetzen zum Heizen genutzt werden kann. Die Abwärme der Stromerzeugung kann aber auch wieder in den landwirtschaftlichen Betrieb fließen, etwa in das Beheizen von Gewächshäusern oder Fischzuchten.
Investitionen für einen flexiblen Einsatz von Biogas
Dabei ginge es aber nicht darum, mehr Biogas zu produzieren, dieses soll nur einfach flexibler verstromt werden. Die Volllaststunden der BHKW würden deutlich reduziert, von heute durchschnittlich 5.740 pro Jahr auf 2.920 im Jahr 2030 und 1.460 im Jahr 2045. Dafür müssten die Anlagenbetreiber allerdings in ein zusätzliches Blockheizkraftwerk und einen Gasspeicher investieren, erläutert der BEE auf Nachfrage von Telepolis.
"Diese Investitionen bedürfen einer Anschubfinanzierung, die für Biogas über den so genannten 'Flexibilitätszuschlag' erfolgt", schreibt der BEE. Der bestehende Flexibilitätszuschlag sei allerdings reformbedürftig.
Grüner Wasserstoff und Biogas: Vergleich der Kosten
Der flexible Einsatz von Biogas würde insgesamt günstiger sein als die Substitution von Erdgas durch Wasserstoff, rechnet der Verband vor: "Die Kosten für die Substitution von Erdgas reduzieren sich bei 89 TWh Biogas auf 8,4 bis 17,4 Mrd. Euro pro Jahr im Jahr 2045. Es sind ggf. weitere Kosteneinsparungen möglich, wenn bestehende Gasnetze nicht von Methan auf Wasserstoff umgerüstet werden müssen."
Versprochen wird auch, auf diesem Weg keine neuen Konkurrenzen zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu schaffen. Verstärkt zum Einsatz kommen könnten etwa Gülle und Stroh, kommunale und industrielle Reststoffe, Zwischenfrüchte und Kleegras und Aufwuchs etwa von Grünland und Biodiversitätsflächen. Dass die Tierbestände in Zukunft wahrscheinlich schrumpfen werden, sei bei dieser Abschätzung von Potenzialen bereits einkalkuliert.
Biomethan: Eine Brücke zwischen Tradition und Innovation
Das Biogas direkt an den Anlagen zu verstromen, wo es erzeugt wird, ist allerdings nicht unbedingt notwendig. Letztlich lässt es sich zu Biomethan veredeln, das genauso eingesetzt werden kann wie fossiles Erdgas.
"Zurzeit speisen etwa 200 Anlagen Biomethan in die existierenden Gasinfrastrukturen ein. Weitere Anlagen sind im Bau bzw. in der Planung", lässt sich beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nachlesen.
Damit aus dem Biogas Biomethan wird, muss es getrocknet, entschwefelt und das enthaltene Kohlendioxid abgeschieden werden. Die Bundesregierung hat mit der Novelle des EEG 2023 auch daraufgesetzt, dass mehr Biogas in Biomethan umgewandelt wird. Das Ausschreibungsvolumen für Biomethananlagen soll schrittweise anwachsen, bei einer gleichbleibenden Gesamtleistung der Biogasanlagen.
Der BEE sieht die Veredelung zu Methan allerdings nur stellenweise als passende Lösung an.
"Die Biomasse sollte am besten dort genutzt werden, wo sie anfällt. Wenn ein Gasnetz in der Nähe verfügbar ist, die Anlage in effizienter Größe errichtet werden kann und keine ausreichende Wärmesenke vor Ort gegeben ist, macht Biomethan sehr viel Sinn. Gerade im ländlichen Raum sieht es jedoch häufig anders aus, und dann ist die dezentrale Nutzung ebenso sinnvoll", erklärt BEE-Pressesprecher Adrian Röhrig gegenüber Telepolis. Im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem sei der Verband weiter mit dem Bundeswirtschaftsministerium im Gespräch.
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