Biohacker zwischen Gemeinwohl und Profit

Seite 3: CRISPR: Kampf um Pfründe und die Zukunft der Evolution

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Aufgrund der rasanten Entwicklung beim Genome Editing werden neue Impulse für verschiedenste Anwendungen erwartet - auch in der Biohacker-Szene, in der zum Beispiel erste Kits für Heimanwendungen kursieren (Gentechnik für Alle). Und weit darüber hinaus: das Genschneide-Werkzeug CRISPR/Cas hat der Gentechnik wegen seines Innovationspotentials einen Boom beschert, der stellenweise hysterische Ausmaße angenommen hat.

Die Diskussion um CRISPR ist in der breiteren Öffentlichkeit angekommen, aus gutem Grund: Geschäftstüchtige Beteiligte berauschen sich an den neuen Möglichkeiten, zum Beispiel in der therapeutischen Genom-Editierung beim Menschen. CRISPR-basierte Unternehmen könnten schon bald einen Milliarden von Dollar schweren Zweig der Medizin bilden.

Dringlicher noch als die Klärung ethischer Grundsatzfragen rund um die Anwendung von CRISPR am Menschen scheint gegenwärtig das Feststellen der Eigentumsverhältnisse zu sein. Während ein Moratorium zur CRISPR-Nutzung am Menschen nicht zustande kam, ist der Kampf um die Urheberschaft und die Kontrolle einer gerade erst im Entstehen begriffenen Industrie in vollem Gange.

Der Streit um CRISPR beleuchtet exemplarisch die Nichteignung bisher ausgeübter Praktiken zum Schutze geistigen Eigentums vor dem Hintergrund der stattfindenden revolutionären Veränderungen in der Biologie, deren Folgen momentan unabsehbar sind. Patente können auf der einen Seite zur Blockierung gesellschaftlich erwünschter Ergebnisse führen, auf der anderen Seite kann eine ungehinderte Verbreitung des neuen Wissens zu Problemen auf ganz unterschiedlichen Ebenen führen. Im Falle von CRISPR sind das vor allem mögliche ökologische und ethische Konsequenzen.

Parallel zur Eigentumsfrage wird am rechtlichen Rahmen zur Nutzung der neuen Technologie gezimmert. In Deutschland will die Bundesregierung mit einer Änderung des Gentechnikgesetzes den Weg für CRISPR ebnen - über eine Neudefinition von dem, was gentechnisch veränderte Organismen eigentlich sind. Im begleitenden Diskurs bedient man sich bei schon von anderen Anlässen bekannten Argumenten, die sich in der Vergangenheit in schöner Regelmäßigkeit als Illusion erwiesen: zum Beispiel das Versprechen einer Verringerung der Pestizidbelastung in der Landwirtschaft. Doch der Blick in die Geschichte bringt die Herolde des Fortschritts kaum dazu, ihren Fanfaren nachdenklichere Weisen zu entlocken.

Die gemeinschaftlich genutzte Ressource in der sich abzeichnenden Bioökonomie der Zukunft sind genetische Codes, deren digitale Information kopiert, geteilt und editiert werden kann. Die Rückübersetzung der Codes in analoge Gegenstücke kann zu wertvollen physisch vorliegenden Produkten führen, ein nutzbares Gut: von der DNA über Proteine bis hin zu neuen Organismen.

Teile der Biohacker-Szene streben zur Austarierung des Innovationssystems einen globalen ethischen Minimalkonsens an, in den auch fundamentale Fragen zu Vorstellungen vom Leben an sich einfließen und der einen freien Zugang zur Technologie sowie Schutz vor ihrer Vereinnahmung durch Einzelinteressen gewährt. Beobachter plädieren für eine Neujustierung der Trennlinie zwischen veräußerbarer und nichtveräußerbarer Natur: Was genau sollte genetisch veränderbar sein dürfen und einem Zugriff durch Schutzrechte zugänglich gemacht werden? Wie lange sollten sie gelten, und würden sie eine Open-Source- und Open-Access-Nutzung erlauben? Sind Nutzungslizenzen denkbar, die die Einhaltung ethischer Standards erzwingen?

Ob an einem Biogemeingut angelehnte Lizenzmodelle eine Chance haben werden, bleibt abzuwarten. Wo von hohen Gewinnen geträumt wird, erlahmt erfahrungsgemäß der politische Wille zu einer wirksamen Regulierung durch die Gesellschaft, und die Sorge vor rücksichtslos profitorientierten oder gar missbräuchlichen Anwendungen tritt in den Hintergrund - ein menschlicher Wesenszug, der seit kurz nach der Urzeit fest im Humangenom verankert scheint.

Teil 1: Biohacker zwischen Spaß und Kommerz