Björn Höcke droht mit "Dunkeldeutschland"
- Björn Höcke droht mit "Dunkeldeutschland"
- Die neue Elite
- Der Kitsch als Zentrum der von Höcke propagierten Lebensart
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Der AfD-Politiker spricht Klartext über das von ihm angestrebte undemokratische Regime. Eine Auseinandersetzung mit seiner Denkweise
Björn Höcke gehört zu den führenden Politikern der AfD. Er fiel mehrfach mit selbst für die AfD extremen Äußerungen auf. Die Relativierung dieser Vorstöße ("ich habe doch n u r ... ") gehört wie auf der anderen Seite die Etikettierung "Nazi" zu den Ritualen einer Auseinandersetzung, bei der die Begründung der Behauptungen nicht den Platz erhält, den sie haben sollte.
Dazu kommt, dass Trennlinien zwischen Behauptungen, Unterstellungen und tatsächlichen politischen Ansichten verschwimmen. Sei es, weil Vertreter der Neuen Rechten sich auf mehrdeutige Provokationen gut verstehen, sei es, weil manche ihrer politischen Gegner zu schablonenhaft vorgehen.
Höcke selbst gibt nun mit der Veröffentlichung eines knapp 300 Seiten langen Protokolls eines Gespräches, das Sebastian Hennig mit ihm geführt hat ("Nie zweimal in denselben Fluss", Berlin 2018), die Gelegenheit, dass seinen Ansichten genau "auf den Zahn gefühlt" wird. Das soll im Folgenden geschehen.
Er trägt nicht nur seine politischen Auffassungen vor. Seine Ausführungen wollen nicht nur argumentieren und Stimmung machen. Sie verkörpern eine bestimmte Lebensart und subjektive Gestimmtheit. Von deren Durchsetzung in der ganzen deutschen Bevölkerung erwartet sich der AfD-Politiker Großes. Das Gesprächsprotokoll präsentiert die von Höcke gewollte politische und psychische Transformation in schonungsloser Offenheit.
Die Ablehnung des Grundgesetzes
Höcke hält faktisch wenig von Grund- und Menschenrechten sowie von Gewaltenteilung und Parlamentarismus. Für ihn sind "die westlichen Werte" "aufgeblasener Werteschaum" (S. 199). "Der Parteiengeist muss überwunden, die innere Einheit hergestellt werden", sagt er. (288) Schluss mit dem "westlich-dekadenten Liberalismus und der ausufernden Parteienherrschaft"! (285) An deren Stelle soll "eine fordernde und fördernde politische Elite, die unsere Volksgeister wieder weckt", treten. (286)
Mit Machiavelli bezweifelt er, dass "ein Volk überhaupt in der Lage ist, sich selbst aus dem Sumpf wieder herauszuziehen". (286) "Es braucht eine starke Persönlichkeit und eine feste Hand an langer Leine, um die zentrifugalen Kräfte zu bändigen und zu einer politischen Stoßkraft zu bündeln." (231)
Bei dieser Aussage handelt es sich um eine Kompromissbildung zwischen Höckes Votum für "die feste Hand" und dem Versuch, das Plädoyer für die autoritäre Lösung nicht als ganz so hart erscheinen zu lassen, wie es faktisch ist. Herauskommen tut die unfreiwillig komische Formulierung von der "festen Hand an langer Leine".
Der Ausschluss der Opposition aus dem "Volk"
Höcke macht deutlich: Der von ihm angestrebte Ausschluss von Teilen der Bevölkerung aus dem "Volk" betrifft nicht allein die Migranten. Höcke belässt es nicht dabei, in offen rechtsradikalem Ton für den Kampf gegen den vermeintlich "bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch" (216) zu agitieren. Er plädiert auch in Bezug auf die Menschen mit reindeutscher Abstammung für einschneidende Maßnahmen.
Höckes Gesprächspartner meint - von Höcke unwidersprochen - diesbezüglich: "’Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser kuriert werden’, wusste schon Hegel". (254) Höcke stellt zur von ihm angestrebten Umwälzung fest, dass "wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind" mitzumachen. (257)
Höcke denkt an einen "Aderlass" und deutet an, dass diejenigen Deutschen, die seinen politischen Projekten nicht zustimmen, aus Höckes Deutschland ausgeschlossen werden. Auf welche Art und Weise dies geschehen soll, bleibt der Phantasie überlassen. Wahlweise treten die Optionen Migration, Entrechtung, Kriminalisierung oder Liquidierung vors innere Auge.
Die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen. (257f.)
Björn Höcke
Die Ausblendung von Realität und das Lob eines faschistischen Regimes
Angesichts dieser Ansagen stellt der mit Höcke sympathisierende Gesprächspartner Hennig eine von ihm ganz und gar nicht kritisch gemeinte Frage. Ob Höcke denn "eine Lanze für den (italienischen - Verf.) Faschismus brechen" wolle? (141) Höcke antwortet: "Wir haben Preußen als positives Leitbild." (142) Hennig hakt nach: "Man kann den Faschismus ja auch als den Versuch einer 'Preußifizierung' Italiens verstehen." (142)
Der Geschichtslehrer Höcke findet das einen "interessanten Gedanken" (142) und fügt hinzu: "Das 'unbequeme Leben', das Mussolini seinen Landsleuten abforderte, erinnert zumindest ein bisschen an die kratzige, aber wärmende preußische Jacke, von der Bismarck sprach". (142) Höcke weiß vom italienischen Faschismus nur Gutes zu berichten ("gute Straßen und pünktliche Züge") (142).
Auffallend ist, dass Höcke aber beredt schweigt
- zur Einparteiendiktatur, zum Verbot anderer Parteien und der Gewerkschaften,
- zur Verfolgung aller, die oppositionelle Aktivitäten oder abweichende Meinungen zeigen,
- zu den italienischen Eroberungskriegen in Afrika,
- zur Entrechtung der Juden und ihrer Deportation in deutsche KZs.
Es ist schon ein Zynismus sondergleichen, angesichts der Opfer des italienischen Faschismus vom "unbequemen Leben" (Mussolini) zu sprechen und von einer "ein bisschen kratzigen, aber wärmenden preußischen Jacke" (Höcke). Die italienischen Faschisten übten bereits vor ihrer Machtausübung Terror aus gegen die Selbstorganisation von Landarbeitern, gegen Genossenschaften, gegen Gewerkschaften und gegen linke Parteien.
Selbst der von Rechten verehrte Ernst Nolte arbeitet heraus, dass die Gewalt der Faschisten von weit größerem Ausmaß und "von ganz anderer Natur war" als die Gewalt von links in Italien.2 In der faschistischen Gewalt "lebt etwas vom urtümlich Bösem, von zynischer Menschenverachtung und diabolischer Freude an der Erniedrigung der anderen Menschen, von lichtloser Liebe zur Gewalt um ihrer selbst willen".3 "Schon früh sprach Mussolini vom faschistischen Leoparden, der mit dem trägen Vieh der sozialistischen Massen nach Belieben verfahre".4