Björn Höcke droht mit "Dunkeldeutschland"
Seite 3: Der Kitsch als Zentrum der von Höcke propagierten Lebensart
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Die inhaltliche Armut seines politischen Projekts versucht Höcke zu kompensieren. Wenn man der Bevölkerung faktisch nicht mehr als "Ausländer raus" und "eine starke Hand" zu bieten hat, dann muss man sich wenigstens als denjenigen empfehlen, der ihnen ein neues Selbstbewusstsein verschaffe. Die subjektive Aufwertung des kleinen Ichs durch ein pompöses Größenselbst bildet das Angebot von Höcke für die Deutschen.
In dem Gesprächsprotokoll wird deutlich, wie Höcke selbst jedes einzelne Moment seiner Existenz adelt, indem er es unmittelbar auf das große Ganze und Allgemeine bezieht. Wie in vielen Lebensmitteln heute die Geschmacksverstärker dominieren, so dominieren im Kitsch die stimmungsvollen Effekte. Kitsch besteht in der Vortäuschung einer Tiefe der Erkenntnis oder des Gefühls, ohne dass diese existiert.
Höcke badet im Kitsch: "Und in dieser Ländlichkeit, wo die Welt noch groß und der Tag noch lang ist, liegt meine eigentliche Heimat, und dort wird sie auch bleiben." (33) "Im dahingleitenden Geschichtsstrom - der Rhein! - verschwinden die menschlichen Werke nach und nach - die Burgruinen!" (30)
Sich und anderen die eigene Bedeutsamkeit einreden
Der Übereifer, mit den Höcke ein bestimmtes Bild von sich aufdrängen will, wirkt penetrant. Höcke und sein Gesprächspartner zitieren unablässig aus dem philosophischen und literarischen Bildungsgut. Diese Zitate wirken wie ausgerupfte Federn. Höcke zitiert zwei Mal "den Lebenskunstphilosoph Wolfgang Schmid" (48) und zwei Mal Wilhelm Schmid, ohne zu wissen, dass alle vier Zitate von Wilhelm Schmid stammen.
Höcke hat es auf bedeutungsgravitätische Effekte und "Selbstverwichtigung" abgesehen. Er bietet in Serie unstimmige Bilder, missglückte Metaphern sowie sentimentale Phrasen. Seine Aufladung mit Größe funktioniert um den Preis unfreiwilliger Komik.
Tatsächlich bleibt mir gegenwärtig oft nur das Schwelgen in Erinnerungen, wenn ich spätabends zu Hause vor dem Kaminfeuer sitze.(80)
Björn Höcke
Ein Angeber kann es nicht dabei belassen mitzuteilen, er sei abends müde und sitze im Sessel. Er leidet unter dem Drang, sich größer darzustellen, als er ist. Unter einem "Schwelgen" vorm "Kaminfeuer" macht er es nicht.
Der Sinn des Größenwahns
Höcke versteht die Darstellung seiner Gefühlswelt nicht privat, sondern normativ. Der AFD-Politiker will eine Transformation der Gesellschaft, die über das Politische weit hinausgeht. Er hat klare Vorstellungen, zu welcher Lebensart seine Barbarossa-Elite die Deutschen umerziehen soll. Man fühlt sich an die Scherzpostkarte erinnert, auf der es heißt: "Ich leide nicht an Realitätsverlust. Ich genieße ihn." Die von Höcke angestrebte Mentalität steht im Gegensatz zum Satz "Reif ist, wer auf sich selbst nicht mehr hereinfällt" (Heimito von Doderer).
Der AfD-Politiker predigt die Ergriffenheit von der eigenen Hingabe an selbstwertdienliche Illusionen. Höcke empfiehlt das Primat des Scheins über das Sein nicht allein den einzelnen Individuen, sondern dem ganzen deutschen "Volk".
Die dauernde Anrufung weihevoller Bedeutungen soll eine Stimmung von "Herrlichkeit" erzeugen. Wer sich an ihr berauscht, erhebt sich subjektiv über die Wirklichkeit und ordnet diesem euphorischen Zustand auch die Aufmerksamkeit für die "menschlichen Härten und unschönen Szenen" (254), die Höcke ankündigt, unter.
Gegen die Moderne
Höcke empfiehlt sich als Retter und Leader, der die eigentliche und wesentliche Mission der Deutschen wahrnimmt und ihnen nahebringt. Er tritt auf als Verkünder des infolge seiner vermeintlichen Ewigkeit Unwidersprechlichen, das alles moderne Argumentieren überbiete.
Gemeint sind angeblich fundamentale Seinsschichten. "Die Moderne" (258ff.) wolle, so Höcke, von ihnen nichts wissen. Höcke kann sich nicht entscheiden, ob die Moderne diese vermeintlich übergeschichtlichen Fundamente zerstöre oder ob letztere den nie versiegenden Kraftquell des anzustrebenden AfD-Deutschlands bilden. Höckes Mission lautet jedenfalls: "Es geht nicht nur darum, ein Gemeinwesen gut zu organisieren. Es geht auch um die Wiederverzauberung der Welt." (163)
Höcke attackiert "die Moderne", um rationales Argumentieren zu entwerten. Die Aufmerksamkeit für die eklatanten Widersprüche seiner Aussagen könnte seiner Stimmungsmache schaden.