Blame Game im Irak

Während der Islamische Staat mit seiner Strategie weiter erfolgreich ist, sucht das Pentagon den feigen irakischen Soldaten die Schuld zuzuschieben

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Es klingt etwas ratlos, wenn der US-Verteidigungsminister Carter erklärt, die Einnahme Ramadis durch den Islamischen Staat zeige, dass den irakischen Truppen "offensichtlich" der Wille zum Kämpfen fehle. Zahlenmäßig seien die irakischen Truppen dem IS weit überlegen gewesen sein: "Dennoch scheiterten sie daran zu kämpfen. Sie zogen sich zurück, und heißt für mich, dass wir ein Problem mit dem Willen der Iraker haben, den IS zu bekämpfen und sich selbst zu verteidigen." Geschätzt wird, dass gerade einmal 200 IS-Kämpfer mehrere Tausend Soldaten, mindestens 2000, in die Flucht geschlagen haben.

Man könne die Iraker mit Waffen und Ausbildung versorgen, aber nicht mit dem Kampfwillen. Die Luftangriffe seien "effektiv", aber sie können nicht den Kampfwillen bei den Irakern ersetzen, wiederholte Carter ein ums andere Mal. Der irakische Regierungschef al-Abadi, der auch Oberbefehlshaber ist, hatte nach der Flucht der irakischen Truppen angeordnet, die strafrechtliche Vorgehen gegen Soldaten einzustellen, die geflohen oder nicht zum Dienst erschienen sind, die sich selbst verletzt haben oder Straftaten gegen die militärische Ordnung begangen haben. Offenbar wird eine weitere Erosion der Truppenmoral befürchtet.

Nach der Einnahme von Ramadi. Bild: IS-Video

Auf die Kritik von Carter antwortete der irakische Abgeordnete Hakim al-Zamili, der Vorsitzende Verteidigungsausschusses, dass die Behauptungen Carters "unrealistisch grundlos" seien. Schuld seien hingegen die Amerikaner, die die die Soldaten nicht mit guter Ausrüstung, Waffen und Luftunterstützung geholfen hätten. Das US-Militär suche nur nach anderen Schuldigen.

Allerdings manifestiert der Siegeszug des IS in der vergangenen Woche nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien mit der Einnahme von Palmyra, dass die vom Pentagon seit Sommer des letzten Jahres begonnene Kriegsführung wenn nicht gescheitert ist, so doch nicht viel bewirkt hat ("Der Krieg verläuft nicht immer linear"). Zwar wurde immer wieder betont, dass es ein langer Krieg werde und dass der IS alleine mit Luftschlägen nicht besiegt werden könne, aber selbst im Irak, wo kurdische Milizen und irakische Truppen trainiert und direkt aufgerüstet werden und teils mit der Unterstützung schiitischer Milizen als Bodentruppen dienen, ließen sich nur kleine Fortschritte vor allem in den kurdischen Regionen erzielen, die einhergingen mit Niederlagen in anderen. In Syrien wollen die USA erst Bodentruppen aus "gemäßigten Kämpfern" aufbauen, aber das läuft nur schleppend an und dürfte in nächster Zeit keine Rolle spielen.

Warum der İS die Schlachtung der Feindlichen Soldaten auf FullHD verbreitet Veröffentlicht am 20. Mai 2015 von niwelt

Ein ehem. US Ausbilder sagt im FoxTV: "Sobald die Irakische (Schiitische) Soldaten den Staub der angreifende İS Kämpfer sehen, haben Sie als erstes die Bilder der Soldaten im Kopf die erschossen oder geköpft worden sind, deswegen drehen die sich um und rennen weg."

Dies nennt man Psychologische Krieg Führung. Die Videos sind entsprechend sehr Wichtig.

Nicht nur ist das lange umkämpfte Ramadi an den IS gefallen, aus der Stadt sind 40.000 Menschen geflohen, dieser hat nun auch den strategisch wichtigen Grenzübergang Al-Walid nach Syrien erobert, nachdem sich auch hier die irakischen Truppen zurückgezogen haben oder geflüchtet sind, nachdem sie angeblich keine Unterstützung erhalten haben. Der IS behauptet, dass ihm auch hier große Waffenlager in die Hände gefallen seien. Einige Tage zuvor hatte der IS bereits den syrischen Grenzposten Al-Tanaf eingenommen, der sich bis dahin in der Kontrolle von Truppen des Assad-Regimes befand. So kann der IS nun auch hier frei in die Provinz Homs passieren und nicht nur von Palmyra, sondern auch von hier Richtung Damaskus vorstoßen.

Auf der Burg von Palmyra. Bild: IS-Foto

Einmal wieder scheint es, als ob das Assad-Regime nicht auf dem Rückzug ist, sondern ins Wanken kommen könnte, da nicht nur der Islamische Staat vorrückt, sondern auch andere islamistischen Gruppen wie die mit al-Qaida verbundene al-Nusra-Front. In Israel zeigt man sich bereits besorgt und scheint man mit al-Nusra, die einen großen Teil der Grenze kontrollieren, ganz gut leben zu können, wie die üblichen israelischen Ex-Militärs der Jerusalem Post erzählten. Assad sei völlig abhängig von der Unterstützung durch den Iran und die Hisbollah. Die Hisbollah kämpfe an der Grenze Libanons gegen den IS, die Nusra-Front und die Freie syrische Armee. Israel sei bislang nicht direkt tangiert, eher sei es so, dass die Hisbollah wegen der Kämpfe in Syrien derzeit keine Kräfte hätten, einen Angriff auf Israel zu starten.

Die Strategie des Islamischen Staats, gleichzeitig mit kleinen Verbänden an unterschiedlichen Fronten zu kämpfen, mit massiven, Tod, Angst und Schrecken verbreitenden Selbstmordanschlägen Stellungen aufzubrechen und mit brutaler Gewalt vorzugehen, scheint weiterhin zu funktionieren. In Palmyra soll der Islamische Staat wieder Hunderte von Menschen getötet haben, das dient der Einschüchterung der Bevölkerung und dem gewollten Image gegenüber den Gegnern, gnadenlos vorzugehen. Nach dem IS wurde eine Zehnfache Überzahl an syrischen Truppen in die Flucht geschlagen, der Angriff auf Palmyra sei von einer tschetschenischen Gruppe ausgeführt worden.

Als irakische Truppen und schiitische Milizen das bereits vom IS verlassene Tikrit wieder einnahmen, stieß er gegen Ramadi und die Ölraffinerie Baidschi vor, wo derzeit Kämpfe stattfinden. Das zeigt, dass der IS mit einer Guerillastrategie kämpft, dem Gegner kein großes Ziel bietet, schnell auch wieder abzieht, aber die irakischen Truppen mit vielen, zeitgleichen Angriffen erschöpft und zerstreut.

Dass sich der Islamische Staat gleichzeitig im Irak und in Syrien an mehreren Fronten verbreiten kann, weist darauf hin, dass er weiterhin über genügend Kämpfer, Waffen und Logistik verfügt und sich noch nicht überdehnt hat, wie manche schon voreilig meinten. So lange vor allem in Syrien keine einigermaßen durchsetzungsfähige Zentralregierung herrscht, wofür es keinerlei Anzeichen gibt, vielmehr ist der Staat zerfallen und kämpfen viele Fraktionen gegeneinander, wird auch der sunnitische Teil des Irak nicht "befriedet" werden können, da die IS-Kämpfer immer einen Rückzugsraum haben und in Syrien über Ressourcen verfügen, die den weiteren Krieg finanzieren helfen.

Kämpfe finden derzeit in der Umgebung von Ramadi statt. Im ebenfalls vom IS kontrollierten Falludscha will die irakische Armee mit Hubschraubern wichtige Stellungen des IS angegriffen haben. In al-Baghdadi soll ein Angriff zurückgeschlagen worden sein, der IS hingegen berichtet, es seien Dutzende von Soldaten getötet worden. Aus Al-Ankoor, 20 km südlich von Ramadi, sollen irakische Truppen und schiitische Milizen IS-Kämpfer vertrieben haben. Ein ähnlicher Erfolg wird von Husaybah, 10 km östlich von Ramadi berichtet, stimmt nicht, propagiert der IS.

Irakische Truppen, aber vor allem schiitische Milizen, die die Amerikaner lieber aus den Provinz Anbar fernhalten wollten, sollen nun Ramadi wieder unter Regierungskontrolle bringen. Möglicherweise wird dann Ramadi nach Kobane und Tikrit zur nächsten Geisterstadt. Vorerst haben sich nach Informationen der BBC etwa 3000 schiitische Kämpfer vor Ramadi versammelt, die aber erst einmal ihre "Verteidigungslinien" etwa in Husaybah sichern wollen. Hier hat es nach Angaben der schiitischen Milizen bei Kämpfen Tote gegeben. Vermutlich hat der IS das Gebiet um Ramadi mit Sprengfallen und Minen umgeben.