Blankoscheck für Kampfflugzeuge

Seite 2: Kampfjets - Neuer Kaufversuch

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Es hat jedoch seinen Grund, dass die Schweizer Regierung von sich aus das Volk anruft: Als 1993 der F/A-18 angeschafft wurde, gab es dagegen eine Volksinitiative, Diese war zwar nicht erfolgreich, wohl aber das Referendum gegen den Kauf von 22 schwedischen Kampfflugzeugen vom Typ Gripen im Wert von 3,126 Milliarden Schweizer Franken. Das Ansinnen des damaligen Verteidigungsministers Ueli Maurer (SVP) fiel beim Wahlvolk am 18. Mai 2014 mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen bei 46,6 Prozent Ja-Stimmen durch.

Nun versucht sein Amtsnachfolger und SVP-Parteifreund Guy Parmelin, die Neuanschaffung durchzubringen. Vor allem auf ihn geht laut Neuer Zürcher Zeitung die Idee zurück, auch beim neuen Kaufversuch eine Volksabstimmung abzuhalten. So entschied der Bundesrat jetzt:

Da es sich bei der Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums um ein grundlegendes sicherheitspolitisches Anliegen handelt und die beiden letzten Beschaffungsvorlagen für Kampfflugzeuge dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurden, will der Bundesrat, dass die Schweizer Stimmbevölkerung darüber befinden kann. So kommt er dem demokratischen Empfinden der Schweiz und auch Forderungen aus dem Parlament entgegen.

Bundesrat

Die Regierung will das Programm Air2030 als sogenannten Planungsbeschluss großer Tragweite (Art. 28 Abs. 3 Parlamentsgesetz) ins Parlament einbringen. Eine Abstimmung findet aber keineswegs automatisch statt, sondern nur, wenn die Bevölkerung das durchsetzt - wobei bei einem Referendum die Hürden niedriger sind als bei der Volksinitiative:

Wenn das Parlament diesen Beschluss verabschiedet, untersteht er dem fakultativen Referendum, das heisst die Bevölkerung hat die Möglichkeit, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln und eine Volksabstimmung herbeizuführen.

Bundesrat

Ein Pauschalgeschäft

Allerdings gibt es dabei einen Haken: Die Berner Regierung will diesmal keine Abstimmung über die Anschaffung konkreter Flugzeuge wie 2014 beim Gripen, sondern einen sogenannten Planungsbeschluss, das sind "Vorentscheidungen, die festlegen, dass bestimmte Ziele anzustreben sind".

Das heißt aber auch: Abgestimmt werden soll ohne jede Kenntnis darüber, was genau zu welchem Preis beschafft werden soll. Explizit schreibt der Bundesrat, der weitere Zeitplan sehe eine Referendumsabstimmung vor "noch bevor sich der Bundesrat für einen Flugzeugtyp entscheidet". "Volk muss im Blindflug über Kampfjets abstimmen", kommentierte daher die Luzerner Zeitung. Und die Neue Zürcher Zeitung analysierte:

Mit dem Entscheid zum Planungsbeschluss betritt die Landesregierung demokratisches Neuland. Ein solcher wurde bis dato noch nie angewendet.

NZZ

Ausdrücklich verworfen hat die Regierung das, was sie selbst als "normales Vorgehen für Rüstungsbeschaffungen" bezeichnet: das neue Militärgerät einfach "im Rahmen der Armeebotschaft und ohne vorhergehenden Grundsatzbeschluss" im Parlament zu beantragen.

Armeebotschaften sind ein Schweizer Terminus Technicus für Vorschläge der Regierung an das Parlament, welche Rüstungsgüter angeschafft werden sollen, also der Entwurf für den Verteidigungsetat. Im Jahr 2018 waren das Gelder in Höhe von 2,053 Milliarden Franken. Die Mittel wurden unter anderem benötigt, um neue Radarsysteme zur Luftraumüberwachung anzuschaffen.

Das Verfahren eignet sich aber nach Ansicht der Schweizer Regierung nicht für neue Kampfflugzeuge, wobei sie dafür demokratietheoretische Gründe anführt: "Bei diesem Vorgehen könnte die Stimmbevölkerung darüber nicht befinden. Der Bundesrat will aber die Möglichkeit einer Volkabstimmung schaffen." Das Referendum soll aber auch den Militärs Sicherheit geben: "So kann früh Gewissheit geschaffen und unnütze Planungsarbeiten vermieden werden. Danach könnte der Bundesrat die Beschaffung voraussichtlich mit der Armeebotschaft 2022 dem Parlament beantragen."

Kritik und Teilnahme am Referendum

Die Gruppe "Schweiz ohne Armee" (GSoA,) reagierte empört und kritisierte "die undemokratische Methode eines referendumsfähigen Planungsbeschlusses". "Ein Planungsbeschluss enthält weder die exakten Kosten noch Typus, Fähigkeiten oder Anzahl der Jets", so ihre Kritik. Man werde auf jeden Fall ein Referendum anstreben, kündigten die Militärgegner an. So sagte Lewin Lempert, der Sekretär der GSoA:

Die vorgeschlagene Variante des Bundesrates ist demokratiepolitisch fragwürdig, da dem Pannendepartement VBS ein Blankocheck über 8 Milliarden Franken ausgestellt wird. Nichtsdestotrotz werden wir eine breite Allianz gegen den Kauf neuer Kampfjets aufstellen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden diese Milliardenausgaben wie schon beim Gripen nicht tolerieren.

Lewin Lempert

Auch Grünen und Sozialdemokraten kritisierten das Vorgehen der Regierung. Der Bundesrat scheue "offensichtlich die konkrete Auseinandersetzung mit den Stimmberechtigten um ein konkretes Projekt", sagte Balthasar Glättli von den Grünen:

Obwohl die Stimmberechtigten sich gegen den Kauf des Gripen für drei Milliarden Franken ausgesprochen haben, ignoriert der Bundesrat die klare Botschaft und präsentiert die Stossrichtung eines Planungsbeschlusses, laut dem 8 Milliarden Franken für die Luftverteidigung ausgegeben werden sollen.

Blathasar Glättli

Es sei eine "Scheinabstimmung", so die sozialdemokratische SP. "Eine Scheinabstimmung bringt keine Klärung bei der entscheidenden Frage, ob wir die F/A-18 überstürzt ersetzen müssen oder ob nicht vielmehr deren Nutzungsdauer verlängern sollten", sagte SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf. Die Regierung solle eine konkrete Projektvorlage machen, forderte sie. Dass die Sicherheit im Schweizer Luftraum gewährleistet werden muss, sei weitestgehend unbestritten. "Darüber lohnt es sich nicht abzustimmen", argumentierte sie:

Wir stimmen auch nicht generell darüber ab, ob wir Strassen brauchen. Vielmehr haben wir darüber abgestimmt, mit wie viel Geld der Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (NAF) alimentiert wird und wofür dieses Geld bestimmt ist.

Priska Seiler