Börsen in Panik
Dem "Schwarzen Montag" folgte der "Schwarze Dienstag" und er beschert weitere Verluste
Der Kursrutsch an den Börsen hat sich auch am Dienstag fortgesetzt. Ausgelöst wurde die Börsenpanik dadurch, dass US-Präsident George Bush ein umfassendes Konjunkturprogramm ankündigte, um der Rezession zu begegnen. Damit gestand er ein, dass es schlecht um die weltgrößte Einzelökonomie steht. Mit ihren Panikreaktionen zeigen die Märkte, dass sie kein Vertrauen in diese Maßnahmen haben. In der EU werden negative Folgen nun auch von offizieller Seite nicht mehr ausgeschlossen, obgleich allgemein weiter beschwichtigt wird.
Lange Monate wurde versucht, die Krise wegzureden, die nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA aufgezogen ist. Nachdem immer mehr Großbanken riesige Verluste zugeben mussten, setzte sich zuletzt langsam aber sicher die Erkenntnis durch, dass in den USA eine Rezession bevorsteht oder das Land längst im Würgegriff hat. Der Domino-Effekt dürfte weitere große Volkswirtschaften herunterziehen (Die Domino-Rezession?), schließlich sorgen die USA noch immer für etwa 60 Prozent der globalen Nachfrage.
Angesichts der Rezession kündigte der US-Präsident zum Wochenende ein Konjunkturprogramm an. Mit Steuernachlässen für Unternehmen und private Haushalte will er nun den Vorgängen begegnen, die er lange Zeit ignorierte. Mit rund 145 Milliarden Dollar, das sind etwa ein Prozent des Bruttosozialprodukts (BIP), soll die Konjunktur ankurbelt werden. Allgemein kritisieren Analysten in den USA, das Programm käme zu spät und sei nicht umfassend genug.
Auf diese Nachrichten reagierten die internationalen Börsen mit Panik. Aber viele "Finanzspezialisten" zeigten damit, dass auch sie die Krise verschlafen haben. Sie handeln nun nach dem Prinzip: "Rette sich wer kann". Sie machen damit aber auch klar, dass sie nicht daran glauben, dass eine Rezession mit weltweiten Folgen aufgehalten werden kann. Denn die steigende Staatsverschuldung, nicht zuletzt auch wegen des Irak-Kriegs wird mit dem Konjunkturprogramm genauso weiter verschärft wie durch die Rezession. Die Defizite in der Handelsbilanz sorgen zudem für eine weitere Entwertung des Dollars. Das Handelsbilanzdefizit betrug von Januar bis November 2007 etwa 650 Milliarden Dollar.
Der bisherige Wachstumsmotor in den USA wurde nicht über Ersparnisse und Investitionen angetrieben, sondern durch einen über Kredite finanzierten Konsum. Es ist deshalb kaum anzunehmen, dass die Senkung der Zinsen und Steuergeschenke ein strukturelles Problem lösen könnten. Viele Menschen sind derart verschuldet, dass die Konsumstimulierung über niedrige Zinsen und niedrige Steuern die Konjunktur nicht wieder in Gang bringen kann. Eine steigende Arbeitslosigkeit wird den Konsum ebenso bremsen, wie die Kreditgewährung wegen der Krise zurückgehen wird, auch weil die Häuser wegen der sinkenden Preise nicht mehr als Sicherheit dienen können.
In Europa hat es Spanien am schlimmsten erwischt
So setzte sich der weltweite Kursrutsch an den Börsen auch am Dienstag fort. Am Montag war der Dax schon um gut 7 % gefallen, ähnlich sah es in London, Paris und Zürich aus. Die Kurse von Bankaktien und Versicherungen gaben sogar zweistellig nach. Am Dienstag waren starke Schwankungen und weitere, wenn auch moderatere Verluste zu beobachten.
In Europa erwischte es am schlimmsten die Madrider Börse. Der Ibex 35 verzeichnete seinen historisch stärksten Absturz. Insgesamt fielen die Kurse mit 7,54 % sogar stärker als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA. Seit dem Jahreswechsel hat die Madrider Börse schon mehr als 17 % an Wert verloren. Dass es Spanien so deutlich trifft, hängt auch damit zusammen, dass auch hier die Immobilienblase mit unabsehbaren Folgen am Platzen ist. Fallende Immobilienreise, eine hohe Inflation und steigende Arbeitslosigkeit sind schon zu beobachten. Wie in den USA werden auch in Spanien die Zahlen, vor allem vor den Wahlen im März, schön gerechnet. Wie in Europa brachen die Kurse aber an allen wichtigen Finanzplätzen auf breiter Front ein. Die Kurse an der Tokioter Börse fielen am Montag zunächst "nur" um knapp 4 %. Doch dem "Schwarzen Montag" folgte in Asien ein ganz "Schwarzer Dienstag" und die Kurse gaben in Tokio erneut um 5,65 % nach. Noch deutlicher waren die Verluste in Südkorea, Hongkong, Shanghai und Bombay. Sie lagen zwischen 6 und 12 % weshalb der Handel an diesen Börsen zwischenzeitlich ausgesetzt werden musste.
US-Notenbankchef senkte erneut die Leitzinsen
Mit Spannung wird der Handel heute an der Wall Street in den USA erwartet. Die Börsen dort waren wegen eines Feiertags am Montag geschlossen. Allgemein wurde erwartet, dass der US-Notenbankchef Ben Bernanke die Leitzinsen senken wird, um den erwarteten Kurssturz zu dämpfen. Das hat er Bernanke kurz vor der Eröffnung des Handels tatsächlich getan und die Leitzinsen erneut, nun sogar um 0,75 % gesenkt. Abzuwarten bleibt, ob sich die Gerüchte bestätigen, dass mit der Citigroup, nach ihren Milliardenverlusten die größte US-Bank vor der Pleite stehe.
In Europa haben sich die Finanzminister nun auf eine offizielle Sprachregelung geeinigt, die weiter beschwichtigen soll. "Wir sind nicht sehr glücklich, sondern sehr besorgt über die Situation", sagte der slowenische Finanzminister Andrej Bajuk, der den EU-Finanzministern derzeit vorsteht. "Wir denken jedoch, dass Europa dank eines soliden Fundaments die Lage meistern wird", meinte er. Vor dem Treffen der Finanzminister in Brüssel sagte der Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker, die Finanzmärkte reagierten derzeit "irrational und folgten einem Herdentrieb". Noch am Montagabend hatte er skeptischer erklärt, sollte es in den USA tatsächlich zu einer Rezession kommen, bliebe dies nicht ohne Folgen für das Wachstum in der Eurozone.
Juncker und Bajuk haben Recht und Unrecht zugleich, denn irrational haben sich die Börsen in der gesamten Krise verhalten. Nach der ersten großen Panikreaktion ging man wieder zur Tagesordnung über, gewöhnte sich zunächst sogar an die Horrormeldungen von Milliardenverlusten, so als hätte das keine Auswirkungen. Die Lage wurde aber immer kritischer und das bricht nun, mit noch heftigeren Ausschlägen, an der Konjunkturpolitik der USA auf. Dabei war die bevorstehende Rezession in den USA schon seit Monaten abzusehen (Spekulationsblase in den USA platzt).
Eine allgemeine Panik oder einen Börsencrash wollen die EU-Finanzminister natürlich vermeiden. Das würde die Lage noch zusätzlich verschlimmern, weit über den Schaden hinaus, der schon längst angerichtet wurde. Bankenpleiten, wie sie bei der britischen Northern Rock oder der deutschen Sachsen LB gerade noch verhindert werden konnten, stünden dann auf der Tagesordnung. Das Vertrauen wäre dahin und das würde das gesamte Finanzsystem mit unabsehbaren Folgen erschüttern. So versuchte auch Angela Merkel heute zu beruhigen, in Deutschland drohe keine Rezession, ähnlich äußerten sich auch andere europäische Staats- und Regierungschefs. Doch das hatten Bush, Bernake und Co vor einige Monaten auch noch erklärt.
Man darf nun davon ausgehen, dass der politische Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) weiter steigt, eine noch deutlichere Konjunkturpolitik zu machen. Bei der nächsten Zinssitzung am 30. Januar ist nun sogar mit einer Zinssenkung zu rechnen, auch wenn dies der relativ hohen Inflation im Euroraum und dem EZB-Ziel der Geldwertstabilität widerspricht. Damit würde aber dann auch zugegeben werden, dass die Lage in Europa ernster ist als allgemein behauptet wird.