Börsen in Panikstimmung
Tagelang sollten Beschwichtigungsformeln Normalität vorgaukeln, doch neue negative Daten vom US-Immobilienmarkt sorgen nun für Panik an den Börsen
Ist die "schlimmste Bankenkrise seit 1931" durch das Eingreifen von Aufsicht und Kreditwirtschaft gerade noch verhindert worden, wie Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) behauptet? Zwar ist Sanio in den Urlaub nach Kanada abgedampft, doch nach Tagen der Beschwichtigungsformeln ist an den Aktienmärkten am Donnerstag Panik ausgebrochen, als erneut negative Daten von der platzenden US-Immobilienblase eintrudelten. Die Kurse stürzten ab. Der Trend ist nicht gebrochen, heute verlor der Nikkei-Index in Tokio sogar um 5,42 Prozent. Brüssel ermittelt nun gegen Rating-Agenturen, weil die nicht vor den Gefahren gewarnt hätten.
Es reichte, dass neue Zahlen aus den USA ein wenig schlimmer als erwartet ausfielen, um die Finanzmärkte zu Panikreaktionen zu bringen. Dabei darf man sich fragen, welche Zahlen die Finanzjongleure eigentlich erwartet hatten. Wegen der platzenden Immobilienblase in den USA hat sich die Zahl der neuen Projekte im Juli erneut um 6,1 Prozent verringert. Das betraf zu 7,3 Prozent Einfamilienhäuser und zu 1,6 Prozent Mehrfamilienhäuser. Im Jahresvergleich macht die Verringerung schon 21 Prozent (42 Prozent vom Höchststand im Januar 2006) aus. Diese Zahlen zeigen, welche Auswirkungen auf die gesamte US-Wirtschaft zukommen.
Es gäbe noch immer viel zu viele Häuser und Wohnungen auf dem Markt, weshalb die Preise weiter fallen werden, sagen nun die Analysten. Diese Anpassungen bei den Preisen, die höhere Arbeitslosigkeit im Bausektor und andere Folgen werden dazu führen, dass immer mehr Wohnungen auf den Markt geschwemmt werden, weil die Kredite nicht mehr bedient werden können (Am amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt droht ein Desaster). Dazu kommen die abflauende Neigung zum Konsum und die restriktivere Kreditvergabe, die neue Krisen auf den Finanzmärkten provozieren werden. Immer mehr Banken werden faule Kredite abschreiben müssen.
So verwundert es nicht, wenn der US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae mit einer weiteren Verschärfung der US-Hypothekenkrise rechnet. Der Verfall der Immobilienpreise habe zu einem Anstieg der Kreditausfälle geführt, teilte die Firma mit, die sich zum Teil in Staatshand befindet. In diesem Jahr könne der bisherige historische Höchststand erreicht werden und die Kreditausfälle könnten sich im kommenden Jahr sogar noch weiter erhöhen. Bei vielen Schuldnern sei für 2007 und 2008 eine Anhebung der Darlehensraten vorgesehen, so dass im kommenden Jahr mit "deutlichen Kreditverlusten" zu rechnen sei, sagte deren Chief Risk Officer Enrico Dallavecchia.
Weitere große Immobilienfirmen geraten in die Zahlungsunfähigkeit. Gerade hat der große US-Hypothekenvermittler First Magnus Corporation seine Geschäfte eingestellt. Es werden keine neuen Kredite mehr vergeben, erklärte das Unternehmen seinen Kunden. Nach Berichten werde auch diese Firma ein Insolvenzverfahren einleiten. Die Gesellschaft hat die Mehrzahl ihrer 5.000 Mitarbeiter schon entlassen.
Reflexe der Unsicherheit
Statt dem Ende der Krise, wie einige uns einreden wollen, sehen wir bisher erst die Spitze des Eisbergs und längst ist klar, dass die Krise den Bereich der schlecht abgesicherten Kredite auf dem Subprime Markt verlassen hat. Derzeit ist nur eines klar: Wir wissen nicht, was noch kommt, denn es liegen noch keine klaren Informationen darüber vor, wie stark auch europäische Banken in den Kreditmarkt der USA verwickelt sind (Immobiliencrash auf europäischer Tagesordnung). Sollten sie noch höhere Werte abschreiben müssen, als bisher angenommen, fallen ihre Verluste deutlich höher aus, schon dadurch entstünde eine bedrohliche Situation. Hausgemachte Probleme sind hier noch völlig ausgeklammert.
Die Beschwörungsformeln, die Konjunktur sei stabil, weshalb die Krise nicht durchschlagen werde, erhalten ohnehin schon Dämpfer. So spricht man bei Goldman Sachs nun schon davon, dass die Ökonomie "etwas schwächer" als erwartet ist. Das Zauberwort einer Rezession taucht nun immer öfter als Schreckgespenst in Berichten auf (Kommt eine Rezession in den USA?).
Tatsächlich sind die Reaktionen der Finanzmärkte nur Reflexe der Unsicherheiten. Die Tatsache, dass die Börse in Tokio am Freitag auf eine rasante Talfahrt ging und sogar 5,42 Prozent verlor, hat damit zu tun, dass es die Immobilienblase in Japan war, die 1991 die Ökonomie in die Knie zwang. Deshalb fiel der Kurssturz in Tokio sogar noch stärker aus als nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001. Viele Banken konnten damals nur mit staatlicher Hilfe vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. In Japan ist man gebranntes Kind und deshalb besonders sensibel. Ähnlich war es in London, wo die Kurse um 4,1 Prozent stürzten, dort verliert die Blase schon seit mehr als einem Jahr langsam an Druck.
Stark traf es auch die Börse in Madrid, wo die Kurse mit 3,7 Prozent stärker stürzten als nach den Anschlägen im März 2004 in der spanischen Hauptstadt, was vor allem mit hausgemachten Problemen zu tun hat. Denn bisher ist nur eine Bank bekannt, die von der US-Krise betroffen ist und das nur mit schlappen 270 Millionen Euro. Doch das heißt nichts, weitere und bekanntere Namen mit höheren Abschreibungssummen werden auftauchen, denn die Verschleierung in Spanien hat Methode. Als Namen tauchen immer wieder die Santander Bank und BBVA auf.
Auch wenn die Banken alles in trockenen Tüchern hätten, wie sie bisher ständig behaupten, wissen doch alle, dass sich in Spanien ebenfalls eine Immobilienblase gefährlich aufgeblasen hat, in die sie stark involviert sind. Das Platzen dieser Blase ist auch durch großen Mengen an Schwarzgeld, das hier in Immobilien zum Waschen geflossen ist, nicht mehr aufzuhalten.
Der Rekordbetrug an Sparern im vergangenen Jahr hat zudem gezeigt, wie schlecht das Finanzsystem kontrolliert und abgesichert ist. Spanien hat zudem nichts unternommen, um präventiv der vorhersehbaren Krise entgegen zu steuern. Die Banken wurden zu immer absurderen Kreditformen animiert, um das Platzen der Blase bis nach den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr hinüber zu retten (Verschulden auf Lebenszeit in Spanien).
Entsprechend geringer fielen die Verluste an den Börsen in Paris und Mailand (3,3 %) und Frankfurt mit 2,4 % aus, wo die Gefahren von eigenen platzenden Immobilienblasen jeweils geringer sind. An den heftigen Reaktionen der Börsen konnten auch die massiven Interventionen der US-Notenbank nichts ändern, die am Donnerstag erneut 17 Milliarden US-Dollar auf dem Markt schoss. Insgesamt hat die FED inzwischen 88 Milliarden Dollar in den Markt gepumpt. Überraschend hat die Notenbank nun heute den Diskontsatz um einen halben Prozentpunkt auf 5,75 Prozent herabgesetzt, um kurzfristig Liquidität zu schaffen. Zwar lässt sie den zentralen Zinssatz für Tagesgeld unverändert bei 5,25 Prozent, gesteht nun gegen bisherige Äußerungen den Ernst der Lage ein. Die Lage an den Finanzmärkten habe sich verschlechtert und die Risiken für das Wirtschaftswachstum hätten sich deutlich erhöht, begründete sie den Schritt. Bisher hatte die FED erklärt, die Zinsen nicht senken zu wollen, um die Krise abzuschwächen. Das werde erst geschehen, wenn es zu einer wirklichen Gefahr für das Wachstum käme. Das ist nun der Fall.
Inzwischen geraten die internationalen Rating-Agenturen in den Blick der Ermittler in Brüssel. Die sollen eigentlich die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten. EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy lässt prüfen, ob sie zu spät vor den Risiken im US-Hypothekengeschäft gewarnt haben, teilte eine Sprecherin von McCreevy mit. Bis April 2008 solle geprüft werden, ob die Agenturen angemessen schnell auf die Krise am US-Hypothekenmarkt reagiert hätten. Gesetzliche Maßnahmen seien nicht mehr ausgeschlossen, hieß es aus Brüssel.