Böse Iraner und gute Iraner im Irak
Der Fall MEK
Der Fall ist nur ein Nebenschauplatz im Irak. Aber er kann illustrieren, wie es um den politischen Spielraum des irakische Premierministers und seiner Souveränität tatsächlich bestellt ist. Und wie ernst es den USA mit Ansprüchen ist, denen zufolge der befreite Irak mit den Verbrechen des gestürzten Regimes vor Gericht ins Reine kommen kann. Es geht um die obskure Gruppe der MEK (vgl. Wenn es den eigenen Interessen dient), der Mudschahedin e-Khalq, was meist mit Volksmudschahedin übersetzt wird.
Wie Anfang der Woche bekannt wurde, erwägt Chefankläger Jaafar al-Moussawi, führende Mitglieder der Mudschahedin e-Khalq vor Gericht zu stellen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie im Jahr 1991 den Diktator Saddam Hussein dabei unterstützt hätten, Aufstände von Kurden und Schiiten mit brutaler Gewalt niederzuschlagen. Man habe ausreichende Beweise dafür, „dass die iranische Gruppe an der Seite des früheren Regimes Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen habe, so al-Mousawi, dem obersten Staatsanwalt des Iraqi High Tribunal.
Das Gericht wurde kurz nach der Invasion 2003 ins Leben gerufen, um „crimes against humanity and genocide“ unter Saddam Hussein zu verfolgen. Auch die Verurteilung des Ex-Diktators zum Tode wurde dort ausgesprochen. Die Anklage gegen die MEK wäre die erste, die sich gegen Ausländer richtet, die mit Saddam Husseins verbrecherischen Aktivitäten gemeinsame Sache gemacht haben.
Laut neueren Informationen der Washington Post ist die irakische Regierung gar bestrebt, alle 3.800 Mitglieder der Gruppe, die sich in einem Camp nördlich von Bagdad (vgl. Die Sekte von Camp Aschraf...) aufhalten, auszuweisen.
Der Fall ist ein Politikum, weil die MEK über eine starke Lobby in Hardliner-Kreisen der US-Regierung verfügen soll. Zu lesen ist auch, dass von dieser Gruppe, die auch als Sekte bezeichnet wird, Informationen über ein „geheimes Kernwaffen-Programm“ in Iran an die USA weitergeleitet wurden. Nicht wenige sehen in diesem Zusammenhang eine Parallele zu den obskuren Informanten der amerikanischen Regierung im Vorfeld des Irak-Feldzugs.
Für Iran ist die MEK eindeutig eine terroristische Organisation, die weiterhin Anschläge auf iranischen Boden ausführt; die dazu gehörige Floskel, die bei solchen Anschlägen öfter auftaucht (vgl. Gestützt auf gesammelte Beweise) lautet dann: „perpetrated by a group with support from the US“. Die Gruppe findet sich allerdings auch auf der EU-Liste der terroristischen Gruppen und nach Informationen der Washington Post soll sie auch in den USA auf einer solchen Liste geführt werden.
In Washington, wo die Gruppe unter dem Kürzel NCRI (National Council of Resistance of Iran) operiert, ist man in einflussreichen Kreisen allerdings eher abgeneigt, die Gruppe als terroristisch einzustufen (vgl. Herzliche Beziehungen zu Terroristen); manche Falken erhoffen sich von ihr Hilfe beim „Regime Change“ in Iran. Die wohlwollende Einstellung der US-Regierung gegenüber der Gruppe übersetzt sich in einem für Terroristen im Zeichen des GWOT bemerkenswerten Status als „Protected Persons“. Die MEK-Mitglieder verfügen, wie auch der Bericht der Washington Post hervorhebt, in ihrem Camp über seltene Privilegien, etwa dass ihre "Top-Leaders von amerikanischen Soldaten herum chauffiert werden". Das Camp in Ashraf soll nach Beschreibungen einer amerikanischen Reporterin eine selten komfortable Anlage im Irak sein:
Der Irak hat eine Oase, wo Brunnenwasser über Kiesel plätschert und Blumen in üppigen Gärten blühen. Das Krankenhaus ist sehr sauber und voll ausgestattet, Schulen bieten Violin-Kurse an und Fahrer gehorchen der Straßenverkehrsordnung. Die Elektrizität funktioniert die ganze Zeit, das Wasser ist immer sauber in dieser heiteren, selbstgenügsamen Anlage. Das einzige, was fehlt, ist die Möglichkeit zum Ausgang.
Den Ausgang wollte Mailiki schon im Sommer vergangenen Jahres zwangsweise herbeiführen: Er drohte der Gruppe mit Ausweisung. Dass er dieses Ansinnen, das ihm vermutlich bei Verhandlungen mit iranischen Vertretern öfter nahegelegt wird, nicht durchsetzen konnte, mag am Widerstand von US-Vertretern liegen. Man darf gespannt sein, wie sich der Premier in diesem Fall zwischen den beiden großen Einflusspolen im Irak durchmanövrieren wird.