Bomben statt Waffenstillstand
Kolumbiens Präsident Pastrana kündigt Friedensprozess auf und lässt seit Donnerstag Nacht die Rebellenzone bombardieren
Die Entführung einer Linienmaschine und Sprengung einer Brücke durch die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC-EP bezeichnete die kolumbianische Regierung als "Tatbestand eines terroristischen Akts". In einer Fernsehansprache am Mittwoch Abend erklärte Präsident Andrés Pastrana den seit drei Jahren laufenden Friedensprozess für beendet und ließ Stunden später Ziele in der FARC-Zone bombardieren.
"Wir machen unsere Arbeit", sagte ein Pilot der kolumbianischen Luftwaffe nach einem Einsatz über der entmilitarisierten Zone am Donnerstag. Zuvor hatte die Armee innerhalb weniger Stunden über 200 Bomben mit einem Zerstörungsradius von bis zu 100 Metern über 85 strategisch wichtigen Punkten abgeworfen. Darunter von den FARC gebaute Strassen, Militärstützpunkte und 25 Landepisten, die laut Armee hauptsächlich für Waffentransporte und Drogenhandel benutzt wurden. Pastrana begründete seine Entscheidung vor den Kolumbianern mit Video- und Fotomaterial von Luftaufnahmen, die umgangreiche Baumaßnahmen der Guerilla und neu angelegte Kokafelder in der Zone belegen. Der Guerilla entzog er den politischen Status und erneuerte die Haftbefehle für die noch zuvor am Verhandlungstisch sitzenden Rebellenchefs.
Der kolumbianische Präsident suchte die militärische Aktion in den Rahmen des amerikanischen Kriegs gegen den Terrorismus zu stellen. Die USA hatten die FARC auch in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen. Die kolumbianische Regierung hofft, dass die US-Regierung die Einschränkungen der im Rahmen des Plan Colombia gewährten Gelder von 1,3 Milliarden Dollar und militärischen Ausrüstung wie Hubschrauber nicht nur Drogenbekämpfung, sondern auch für den direkten Einsatz gegen die Guerilla freigegeben werden.
Auslöser des Verhandlungsendes war die Entführung einer Linienmaschine am Mittwoch Morgen, bei der ein Senator verschleppt wurde. Vier Guerilleros ließen das Flugzeug auf einer Strasse landen, nachdem zuvor Dutzende Rebellen angrenzende Bäume gefällt hatten, um eine Landepiste zu improvisieren. Alle anderen 36 Passagiere wurden freigelassen. Laut Armeeangaben sollen sich neben kolumbianischen Entführten auch 30 Ausländer in der Gewalt der Guerilla befinden, darunter Deutsche. Genauere Angaben wurden jedoch nicht gemacht. Bereits in den letzten Wochen hatten die FARC zahlreiche Anschläge mit über 20 zivilen Opfern verübt. Ganze Landesteile waren ohne Energieversorgung, nachdem über 33 Strommasten gesprengt wurden. Fünf Bomben explodierten in mehreren Städten.
Noch einen Monat zuvor konnten internationale Vermittler unter Leitung der UNO eine Reaktivierung des Friedensprozesses erreichen (Wer ist Herr im Hause?). Geplant war die Aushandlung eines temporären Waffenstillstandes bis zum 7. April, der nun der Realität weicht. Beobachter erwarten eine Eskalation der Gewalt in dem seit 1964 anhaltenden Konflikt. In einer Erklärung machte UN-Generalsekretär Kofi Annan die Rebellen für das endgültige Scheitern der Gespräche verantwortlich. Die FARC ihrerseits gaben in der rebellennahen Nachrichtenseite Anncol Pastrana und der "Intoleranz der Oligarchie mit ihrer Zweiparteiendominanz" die Schuld.
Verhandlungswille war auf beiden Seiten kaum noch zu erkennen. Im Januar zusammengezogene Armee-Einheiten, wurden während der Gespräche nicht mehr von der Zonengrenze zurück verlegt (Chronik eines angekündigten Krieges). 13.000 Soldaten sollen am Freitag in der "Operation Thanatos" - nach dem griechischen Totengott benannt - auf dem Landweg in die Zone einmarschieren, um schätzungsweise 8.000 Guerilleros zu bekämpfen, die derzeit in der Zone vermutet werden. Laut Armee versuchen diese, sich in weiter südlichere Landesteile abzusetzen. Die Rebellen zerstörten auf dem Weg Autos, die sie in der Zone für den Transport benutzt hatten und die laut Regierung als gestohlen galten. Die Bombardierungen in den Waldgebieten hielten den Donnerstag über an. Ziele waren Treibstofflager und Fahrzeuge der Guerilla. Ein Kampfflugzeug musste beschädigt wieder zurückkehren, nachdem es beschossen wurde.
In der Nacht zu Freitag meldete das kolumbianische Radio erste Opfer. So sollen zwei Kinder und ein Erwachsener ums Leben gekommen sein. Die Luftwaffe bestritt jedoch eine Schuld durch die Bombardierungen. Die Guerilla sprengte unterdessen mehrere Strommasten, so dass die südlichen Provinzen Caquetá und Huila komplett ohne Energieversorgung blieben.
Bereits jetzt kursieren offenbar Todesdrohungen der Paramilitärs gegen Anwohner der ehemaligen FARC-Zone, die in den letzten Jahren in Kontakt mit der Guerilla gestanden haben sollen. 30 Personen wurden nach Berichten aus der Stadt San Vicente del Caguán aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Menschenrechtsorganisationen warnten vor Übergriffen rechter Milizen gegen die Bevölkerung.
In der Provinz Valle del Cauca lancierten FARC-Einheiten zusammen mit der kleineren ELN-Guerilla eine Offensive, bei denen mindestens 18 Paramilitärs getötet wurden.