Bostons Gesichtserkennung versagt - im Geheimen

Nach Tampa zeigt sich auch die Gesichtserkennung am Flughafen von Boston als Mogelpackung. Was aber erst ein Jahr später der Öffentlichkeit mitgeteilt wird

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Zuzugeben, dass eine als "sicheres Mittel gegen den Kampf gegen den Terror" angepriesene Technik nicht das verspricht, was man sich von ihr versprochen hat, ist nicht leicht. Demzufolge behält man negative Ergebnisse dann auch gerne mal für sich - schließlich will man ja die Bevölkerung nicht verunsichern. Wenn dann natürlich Auskunft begehrt wird, muss man schon einmal mit der Wahrheit heraus rücken - so wie jetzt als es um die Gesichtserkennungssysteme am Bostoner Flughafen geht.

Am 25.10.2001, etwas über einem Monat nach dem verhängnisvollen "9/11", verkündete USA Today es:

Boston airport to use face-recognition system

Der Logan Flughafen in Boston war zu der Zeit schon berühmt-berüchtigt als "der" Flughafen, auf dem die Attentäter ihre Tickets gebucht hatten. Ein Grund mehr um jetzt die Gesichtserkennungs-Software in Betrieb zu nehmen, die die Gesichter der eincheckenden Reisenden mit den Gesichtern in einer Datenbank verglich und Alarm schlagen sollte, wenn der Abgleich ergab, dass es sich um einen "vermeintlichen Terroristen" handelte. Bis Dezember 2001, so USA today, sollte die Gesichtserkennung in Betrieb gehen und Sicherheit gewährleisten.

Bereits am 02.11.2001 fand sich, auch auf USA Today, eine Meldung darüber, dass die American Civil Liberties Union herausgefunden habe, wie man die Gesichtserkennungssoftware austricksen könne. "Sonnenbrillen, ein Hut, ein Lächeln... schon wird der "vermeintliche Terrorist" nicht mehr erkannt." Aber nicht nur, dass der Terrorist, so er denn an Bord gehen wolle, dies tun könne, sei das Problem, sagte Stephen Brown von der ACLU Rhode Island. Es sei auch ein Problem, dass völlig unschuldige Menschen als "false positives" in den Mühlen der Gesichtserkennung landen könnten. Die Firma hinter der Software beschwichtigte und stellte fest, dass die Software Kriminelle ausfindig machen könnte ohne irgendwelche Grundrechte zu verletzen.

Die ACLU sah dies ganz anders. Für sie garantierte Gesichtserkennung weder Sicherheit noch Freiheit. Sie sah darin eher ein Werkzeug, um die Bevölkerung zu bespitzeln. Wer Gesichtserkennung wirklich für ein effektives Werkzeug zur Strafverfolgung sehe, der sei wahrscheinlich mit einem der Hersteller verbunden, der eben diese Technik der Regierung verkaufen will.

Und im Juli 2002 urteilte "The Register" bereits vernichtend über den Versuch, Terroristen mittels des "photographischen Ouja-Boards" aufzuspüren. Das System, so The Register, habe zwei Probleme: würde man es zu genau einstellen, würde es bei Hund und Katz Alarm schlagen, würde man es zu ungenau einstellen, könnte jeder Terrorist nur durch eine Sonnenbrille dem System entkommen. Die Herstellerfirma verwahrte sich natürlich gegen solch bissige Kommentare und konterte, dass man nunmehr alle 20 Minuten auf den Monitor sehen müsse - das sei sicherlich nicht zuviel um die Sicherheit von Amerikas Flughäfen zu gewährleisten. Und da würde ihm die Bevölkerung Amerikas bestimmt Recht geben.

Heute, über 1.5 Jahre nachdem Gesichtserkennung auf dem Bostoner Flughafen zum "Normalzustand" wurde, bestätigt sich die Ansicht der ACLU (vgl. Gesichtserkennungssystem machte nur Fehler) insofern, als dass die Software nicht einmal annähernd so effektiv war wie es noch 2001, kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center, versprochen wurde. Das System versagte in 96 Fällen. In 153 Fällen war es erfolgreich. Würde man aber dieses Ergebnis noch als annähernd positiv bewerten, so relativiert sich dies, wenn man einmal genau betrachtet, wie die Ergebnisse zustande kamen:

Die Bilder von 40 Angestellten wurden in eine Datenbank aufgenommen. Diese Angestellten versuchten nun, auf diverse Arten, die Technik auszutricksen - mit dem vorgenannten Erfolg.

Ein Sprecher der beteiligten Firmen meinte, das schlechte Abschneiden läge an dem angewandten Verfahren. Bei einem "1-zu-1-Verfahren" wäre die Erfolgsquote weitaus höher. Ein "1-zu-1-Verfahren" bedeutet, dass das Aussehen des Pass-Inhabers mit dem Foto des Passes verglichen wird (analog Führerschein...)

A spokesman for one of the companies whose system was tried at Logan Airport says the test was not a fair measure of the technology. Meir Kahtan of Identix of Minnetonka, Minn., says the technology is far better suited for "one-to-one" identification, such as comparing photos on passports or driver's licenses, than random searches of photo databases.

Inwiefern eine solche Methode überhaupt einer Gesichtserkennungssoftware bedarf, wird nicht weiter kommentiert. Allerdings werden mittlerweile auch Techniken wie Infrarot-Kameras oder Iris-Scans getestestet. Die seit Juli 2002 feststehenden Resultate bezüglich Logan wurden erst jetzt der ACLU zur Verfügung gestellt nachdem die eine entsprechende Anfrage im Zuge des Freedom of Information Act gestellt hatte. Ergebnisse, was andere Techniken angeht, die die Transportation Security Administration testet, welche für das "Passenger Screening" verantwortlich ist, wurden bisher nicht veröffentlicht.

Die negativen Ergebnisse des Feldversuches am Logan Flughafen werden jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Pläne, Gesichtserkennung ab Oktober 2004 einzuführen, haben. Dies teilte Kelly Shannong, Sprecherin des "State Department's consular affairs office" mit. Ab Oktober 2004 sind Reisende aus insgesamt 27 Staaten, welche in die USA einreisen wollen, nicht dazu berechtigt, dies zu tun, sollten die Passfotos nicht mit der Gesichtserkennungssoftware kompatibel sein - egal wie effektiv sich diese darstellt.