Brasilien will Atommacht werden

Der brasilianische Präsident will für nationale Unabhängigkeit ein Atom-U-Boot und vor allem die Uran-Anreicherung 500 Millionen US-Dollar investieren

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Brasilien hat bereits zwei Atomkraftwerke, die 1982 und 2000 ans Netz gegangen sind (Bericht über Brasiliens Atomindustrie der IAEA). Besonders mit dem Reaktor Angra II, gebaut mit deutscher Technik in einem Nationalpark, gab es viele Probleme, was den Mitte der 80er Jahre beschlossenen Plan, ein weiteres AKW zu errichten, über 20 Jahre lang hinausgezögert hat. Liegen geblieben ist auch das Projekt, ein atomgetriebenes U-Boot zu bauen, und auch die Anreicherung von Uran soll technisch weiter entwickelt werden. Das soll jetzt, wie der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva ankündigte, schnell anders werden.

Neben den beiden AKWs soll ein weiteres in einem Naturschutzpark gebaut werden. Bild: eletronuclear.gov.br

Lula sagte, Brasilien werde über 500 Millionen US-Dollar - und wenn nötig auch mehr - investieren, um das verschleppte Atomprogramm voranzubringen. Der umstrittenste Teil ist die Anlage zur Anreicherung von Uran. Brasilien will sich den „Luxus gönnen, eines der wenigen Länder auf der Erde zu sein, die die Technik des Kreislaufs der Urananreicherung vollständig beherrschen“ - ein Ziel, das auch der Iran anstrebt. Mit angereichertem Uran lassen sich Atomwaffen herstellen, Lula versichert aber ebenso wie die iranische Regierung, man habe dies nicht vor, sondern benötige das Uran nur zur Stromerzeugung. Bislang lässt Brasilien, das selbst große Uranvorkommen besitzt, Uran im Ausland anreichern, ab letztem Jahr hat das Land mit der Urananreicherung begonnen, muss aber weiterhin Nuklearmaterial zur Fertigstellung ins Ausland exportieren. Geplant sind neben Angra 3 noch drei weitere AKWs.

Vor drei Jahren gab es allerdings bereits Probleme mit der IAEA, da Brasilien IAEA-Inspektoren die Wiederaufbereitungsanlage in Resende nicht ganz überprüfen lassen wollte, angeblich aus Sorge, dass technische Entwicklungen, vor allem die in Brasilien entwickelten Zentrifugen, weiter gegeben werden könnten. (Brasilien und die friedliche Urananreicherung) So wurden die Zentrifugen wurden abgedeckt, was zu der Kritik führte, dass Brasilien damit den Atomwaffensperrvertrag untergrabe oder möglicherweise doch Material für Waffen herstellen wolle. Brasilien wehrte sich dagegen, mit Iran verglichen zu werden, und erzielte Ende 2004 eine Einigung über die Inspektionen. Die Abdeckung wurde verkleinert und es wurden weiter Prozeduren vereinbart, um sicherstellen zu können, dass kein Uran abgezweigt werden. 2006 erhielt dann Brasilien die Genehmigung zur Urananreicherung. Bis 2010 will Brasilien den ganzen Bedarf an angereichertem Uran selbst herstellen, damit Autonomie erlangen und vielleicht auch selbst in das profitable Geschäft der Urananreicherung einsteigen, das bislang in China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Japan, Russland und den USA betrieben wird.

Brasilien hat den Atomwaffensperrvertrag erst 1998 ratifiziert, aber das Zusatzprotokoll noch nicht, das Überraschungsbesuche der Inspektoren erlaubt. 1994 wurde von Brasilien aber zusammen mit Argentinien der Vertrag von Tlatelolco zur Ächtung von Atomwaffen in Lateinamerika unterzeichnet - wodurch Lateinamerika zum atomwaffenfreien Kontinent erklärt wurde, das Land ist seit 1996 Mitglied der Nuclear Suppliers Group (NSG). Überdies hat Brasilien den Atomteststoppvertrag ratifiziert (im Unterschied zu China, Israel, dem Iran, Ägypten, Libyen, Indien, Pakistan und den USA). Zuvor hatte das brasilianische Militär aber ein Atomwaffenprogramm betrieben. Mit der Hilfe Deutschlands konnte Brasilien bereits in den 70er Jahren Uran anreichern. Ebenfalls mit deutscher Hilfe wurden in Brasilien die ersten Atomkraftwerke gebaut.

Niemand könne Brasilien daran hindern, erklärte Lula, seine „historische Aufgabe zu erfüllen“. Und er versicherte, dass in Brasilien auch niemals mit der sauberen und sicheren Technik ein Unfall wie in Tschernobyl passieren werde. Nach Lula ist das Hauptprojekt des Atomprogramms der Bau des atomgetriebenen U-Boots, der in den nächsten sechs Jahren abgeschlossen werden soll. Und zudem geht es Brasilien nicht nur um Unabhängigkeit in der Atomenergie, sondern auch darum, ein wichtiger Spieler im Feld der Energiepolitik zu werden und Anerkennung zu erhalten, was allerdings auch die Ziele des Iran sind. „Wir haben die Möglichkeiten“, erklärte der brasilianische Präsident „uns in eine große Energiemacht zu verwandeln und wir werden davon nicht ablassen. Dann werden wir als Nation und als Macht sehr viel mehr Anerkennung finden. Warum nicht groß träumen und sagen, dass wir einAtom-U-Boot haben wollen.“ Brasilien werde mit U-Boot und Wiederaufbereitung endgültig zu einem „souveränen Staat“:

Wir werden unsere Streitkräfte ausrüsten und unser Land auf die Kenntnis des Urananreicherungskreislaufs vorbereiten.