Brennpunkt Spitzbergen: Politik in der Arktis in Krisenzeiten
Seite 2: SvalSat und das Datenkabel
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Das heißt nicht, dass es kein Misstrauen gibt und der Spitzbergenvertrags immer von allen gleich interpretiert wird. Russland bemängelt regelmäßig Einschränkungen und sieht unter anderem kritisch auf die vielen Antennen von SvalSat, der Empfangsstation auf dem Platåberg bei Longyearbyen. Betreiber der Station ist Kongsberg Satellite Services (KSAT). Spitzbergens geografische Lage ist perfekt zur Abnahme von Daten, die von Satelliten auf einer polaren Umlaufbahn gesendet werden.
Genutzt wird dies unter anderem von der Esa, Nasa, Eumetsat und Noaa. Der norwegische Journalist Bård Wormdal beschrieb 2011 in seinem Buch "Satellitkrigen", wie über SvatSat heruntergeladene Bilder der Erde auch militärisch genutzt wurden, zum Beispiel im Irak-, Libyen- und im Afghanistankrieg. "Dual Use" ist nach aktueller norwegischer Rechtsauffassung allerdings zulässig.
Im Sommer 2022 hat die norwegische Aufsichtsbehörde aber den Antrag von zwei Firmen abgelehnt, die über SvalSat Daten herunterladen wollten. Dabei handelte es sich um ein US- und ein türkisches Projekt mit explizit militärischer Zielsetzung.
Die Daten, die bei SvatSat ausgelesen werden, laufen über eine leistungsfähige Glasfaserverbindung zum norwegischen Festland. Diese besteht aus zwei Strängen, die nicht ganz auf derselben Trasse liegen. Es wird jeweils nur ein Strang benutzt. Die Redundanz zahlte sich im Januar 2022 aus – plötzlich war ein Kabel beschädigt, vermutlich durch äußere Einwirkung. Es handelte sich aber nicht um einen kompletten Bruch, sondern um einen Ausfall der darin verlegten Stromversorgung, die der Betreiber wieder herstellen konnte.
Bei den Ermittlungen verhörte die Polizei den Kapitän eines russischen Trawlers, der sich zur fraglichen Zeit in dem Bereich befand. Fischen ist dort aber erlaubt, und man konnte ihm nichts nachweisen. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Später, nach den Anschlägen auf Nord Stream, kamen mehr Details ans Licht: So soll der russische Trawler Melkart-5 das Kabel auf untypische Weise und auffällig oft gekreuzt haben.
Auch ein anderer Kabelschaden wurde nun in neuem Licht betrachtet: Dem Lofoten-Vesterålen Meeresobservatorium fehlten seit dem 3. April 2021 ein paar Kilometer Kabel. Die damalige Erklärung war, dass es vermutlich von einem Fischereifahrzeug versehentlich abgerissen wurde.
Allerdings lauschten dort nicht nur Biologen, sondern auch das Forschungsinstitut der norwegischen Streitkräfte, zum Beispiel nach U-Boot-Geräuschen. Und es gibt drei russische Trawler, die an beiden Orten waren.
Ausländer in Longyearbyen
Die Idee, Ausländern in Longyearbyen das kommunale Wahlrecht zu entziehen, hatte ursprünglich nichts mit dem Ukraine-Krieg und Russland zu tun. Das kommunale Wahlrecht in Longyearbyen gibt es erst seit 2002, vorher war Longyearbyen eine "Company Town" der Bergbaufirma Store Norske. Die Inselverwaltung (Sysselmester) wird direkt von Oslo eingesetzt. Die Befugnis des kommunalen örtlichen Gremiums, Longyearbyen Lokalstyre, sind begrenzt.
Trotzdem war es ein Fortschritt in Sachen Demokratie und ein Schritt hin zu einer "normalen" norwegischen Kommune. Und wie in anderen norwegischen Kommunen auch erhielten ausländische Mitbürger nach drei Jahren Wohnzeit das passive und aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Das gilt aber nur für Longyearbyen. Die Bergarbeiter aus dem russischen Barentsburg haben darauf keinen Einfluss.
Als der Gesetzesentwurf zur Einschränkung des kommunalen Wahlrechts im Sommer 2021 publik wurde, wurde er damit begründet, dass immer mehr Einwohner in Longyearbyen keine Anknüpfung an das norwegische Festland hätten. Damit bestehe die Gefahr, dass in Longyearbyen nicht mehr die Interessen norwegischer Spitzbergen-Politik umgesetzt würden.
Nur Ausländer, die zuvor schon drei Jahre in einer norwegischen Festlandkommune gelebt haben, haben weiter Stimmrecht. Gerechtfertigt wird das auch damit, dass jedes Jahr nicht wenige staatliche Mittel nach Spitzbergen fließen. Auf Spitzbergen erhobene Steuern dürfen dagegen nur dort ausgegeben werden. Da sich durch einen Aufenthalt auf Spitzbergen auch keine Ansprüche auf eine norwegische Staatsbürgerschaft erwerben lassen, sind somit selbst langjährige Einwohner von Longyearbyen dauerhaft von der kommunalen Mitbestimmung ausgeschlossen.
Fakt ist, dass Ausländer in Longyearbyen eine große Gruppe sind, 750 von rund 2500 Einwohnern. Die wenigsten von diesen haben vorher in Festland-Norwegen gewohnt. Viele arbeiten in der Tourismusbranche. Sie stellen ein Drittel der Wahlberechtigten (einige Einwohner sind minderjährig, andere noch nicht drei Jahre dort).
Vor Ort ist die Idee einer solchen Zweiklassengesellschaft auf Protest gestoßen. "Wenn die Ausländer bei der Kommunalwahl nicht abstimmen dürfen, kann das die Lokaldemokratie irrelevant machen", so der noch amtierende Vorsitzende von Longyearbyen Lokalstyre, Arild Olsen, gegenüber High North News. Langjährige Lokalpolitiker, darunter Olsen selbst, wollen unter diesen Umständen nicht mehr antreten.