Brexit: Die Kontrolle zurückgewinnen

Seite 2: Geleakte Überraschung: EU beharrt auf Status quo

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Erst im Februar 2017 hatten die Hoffnungen der britischen Fischer einen kapitalen Dämpfer erhalten. Ein geleaktes EU-Dokument hatte Vorkehrungen ans Tageslicht geholt, die Mitglieder des Europäischen Parlaments für eine Vereinbarung zum Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU ausgetüftelt hatten, darunter eine Klausel, die keine Anhebung des britischen Anteils an den gemeinsam bewirtschaften Fischbeständen vorsieht.

Wenn man auch weiterhin an einer nachhaltigen Fischerei interessiert sei, so die Argumentation in Brüssel, sehe man schlichtweg keine andere Alternative als die Weiterführung der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik. Der künftige Zugang Großbritanniens zum europäischen Binnenmarkt solle deshalb davon abhängig gemacht werden, ob die Briten ihre bisherigen fischereilichen Rechte und Pflichten auch weiterhin wie vereinbart wahrnähmen.

Das Festhalten der EU am Status quo hat handfeste wirtschaftliche Gründe: Rund ein Drittel des Gesamtfangs aller europäischer Fangflotten stammt aus britischen Gewässern. Die europäische Industrie schätzt, dass ein Verlust des Zugangs eine Halbierung des Reingewinns nach sich ziehen wird - und den Verlust von 6000 Vollzeit-Arbeitsplätzen.

Währenddessen sorgt eine weitere geleakte Klausel für Unmut: "Quota hopper" sollen auch weiterhin in britischen Gewässern zugelassen sein: Bootseigner aus der EU, die unter britischer Flagge fischen. Im Brexit-Vorfeld hatte sich die Diskussion an der CORNELIS VROLIJK entzündet, die ein Viertel der England zugeteilten Fischereiquoten hält, oder 6% der gesamten britischen Quote. Der Trawler fährt unter britischer Flagge, gehört jedoch zum niederländischen Fischereiunternehmen Cornelis Vrolijk/ Jaczon.

Dänemark beruft sich auf historische Zugangsrechte

Dänemark sucht unterdessen einen eigenen Weg, um auch weiterhin in britischen Gewässern fischen zu können, falls die Briten tatsächlich Ernst machen sollten. Die Dänen berufen sich auf historische Zugangsrechte, die ihrer Meinung nach bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen.

Dafür sind Kopenhagener Beamte tief ins Archiv gestiegen und haben einen Fall konstruiert, der auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wasserdicht sein soll, auch wenn die Dänen ein solches Szenario vorerst vermeiden wollen. Seit Jahrhunderten fischen sie in der Nordsee. Die Gemeinsame Europäische Fischereipolitik hat diesen Zugang geregelt und über Quoten in Zahlen gegossen. Dänische Fischer fangen 40% ihres jährlichen Fangs in der britischen 200-Seemeilen-Zone.

Für die dänische Regierung sind auch diese Quoten der Nachweis ihres Anspruchs auf historische Zugangsrechte, denn sie basieren auf traditionellen Fischereigewohnheiten. Einige dänische Gemeinden sind fast vollständig vom Zugang zu den britischen Gewässern abhängig, vor allem an der Küste von Jütland.

Die Dänen wollen zur Verteidigung UNCLOS in Stellung bringen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das die Staaten dazu anhält, traditionelle Fischereirechte benachbarter Länder innerhalb ihrer Hoheitsgewässer zu respektieren. Großbritannien und Dänemark sind beide Unterzeichner. Sollten sich die Briten sträuben, empfiehlt Niels Wichmann, Chef der dänischen Fischerverbands, ein Druckmittel: die Blockade des Verkaufs von britischem Fisch auf dem Kontinent. Der Anspruch der Briten auf die Reichtümer ihrer Hoheitsgewässer sei Nonsens. Für Öl und Gas gelte der vielleicht - aber nicht für Fisch.

Auch die European Fisheries Alliance, ein im März gegründetes Bündnis, das die Interessen der Fischereiindustrie europäischer Küstenanrainer bei den Brexit-Verhandlungen vertreten soll, hält die historischen Zugangsrechte für ein starkes Argument. Der Vorsitzende Gerard van Balsfoort, gleichzeitig Präsident der Pelagic Freezer-trawler Association, hatte das Gespräch mit dem zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Brexit-Minister David Jones gesucht und war danach etwas konsterniert: Sein Gesprächspartner hatte durchblicken lassen, dass das Vereinigte Königreich die alten Verträge zerreissen werde.