Britische Verhältnisse: "Bahn für Alle" warnt vor Zerschlagung

Seite 2: Ampel will mehr Wettbewerb

Allerdings stecke auch die neue Gesellschaft schon heute mehr Geld in die Begleichung von Zinsen als in den Erhalt des Schienennetzes, wie Bündnissprecher Carl Waßmuth erläuterte. Dasselbe Szenario stehe für die InfraGO zu befürchten. Für ihn passt die Rede von der Gemeinwohlorientierung vor allem nicht damit zusammen, dass nach dem Willen der Koalition sogar noch mehr Privatbahnen auf die Schiene gelotst werden sollen.

Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es dazu: "Die Eisenbahnverkehrsunternehmen werden markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb weitergeführt." Dass dies mit dem Wohlwollen selbst der Grünen-Partei geschehen soll, zeigt sich eindrücklich am Beispiel Berlin. Dort hat die frühere grüne Verkehrssenatorin mit Feuereifer die Ausschreibung von zwei Dritteln des S-Bahn-Netzes vorangetrieben, um für "effektiven Wettbewerb" zu "vernünftigen Preisen bei dauerhaft guter Qualität" zu sorgen.

"Bahn für Alle" gibt nichts auf solche Bekenntnisse. Vielmehr sei zu befürchten, dass der DB-Konzern nach der Strukturreform im Wettbewerb noch kleiner geschrumpft und auf Deutschlands Schienenwegen demnächst noch mehr Chaos herrschen werde. Dabei sei die Idee eines Wettbewerbs zwischen vielen Bahnunternehmen auf einem staatlichen Schienennetz ausgerechnet im Vereinigten Königreich krachend gescheitert. Tatsächlich ist die Politik dort gerade dabei, eine wieder einheitliche staatliche Bahngesellschaft namens "Great British Rail" auf die Beine zu stellen.

United Railways of Europe

Für Deutschland zeichnet sich das genaue Gegenteil ab, wobei die InfraGO auf lange Sicht womöglich selbst ein Kandidat für eine Privatisierung werden könnte. Tatsächlich hatten FDP und Grüne damit geliebäugelt, das Konstrukt ganz aus dem Staatskonzern herauszulösen. Dagegen warb Jorinde Schulz von "Bahn für Alle" und Sprecherin von "Eine S-Bahn für Alle" heute für eine Umkehr für ganz Europa.

"Nach einem Vierteljahrhundert Großversuch auf dem Rücken von Fahrgästen und Beschäftigten sehen wir: Der sogenannte Wettbewerb auf Europas Schienennetzen ist gescheitert. Er hat das System Bahn nicht vorangebracht, sondern zurückgeworfen."

Als Gegenentwurf bringt das Bündnis mit den "United Railways of Europe" als Dachgesellschaft aller europäischen Bahnen ein "kontinentweites, bezahlbares Nacht- und Fernreisezugnetz" ins Spiel, "das komfortables Reisen für alle ermöglicht und gleichzeitig – durch die Verlagerung von Flügen auf Züge – Treibhausgasemissionen in erheblicher Größenordnung einspart".

Mit den Plänen der Koalition werde dagegen "die Einheit von Rad und Schiene zerstört und der Fernverkehr der Privatisierung preisgegeben", mahnte Waßmuth. "Statt die Bahn zu spalten, muss die ganze Bahn gemeinnützig werden." Ob da mal Volker Wissing hingehört hat? Bestimmt nicht. Und außerdem verhandelt der ja noch – für den Porsche-Boss.

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