Bundesbank: Deutsche so reich wie nie

Dank steigender Börsenkurse und Corona-Pandemie verzeichneten die Deutschen erneut ein dickes Plus bei ihren Vermögen. Das trifft allerdings nicht auf alle zu.

Die Deutschen sparen fleißig und sind deshalb so reich wie nie. Das ist die Erzählung, die am Donnerstag von der Bundesbank und Medien in die Welt getragen wurde. Und die Zahlen scheinen ihnen recht zu geben: Das Geldvermögen der privaten Haushalte kletterte im vierten Quartal 2021 auf den Rekordwert von 7.618 Milliarden Euro.

Es waren aber vor allem die, die ihr Vermögen in Aktien oder Investmentfonds angelegt haben, deren Vermögen anstieg. Von dem Gesamtanstieg von rund 161 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorquartal fielen 86 Milliarden Euro auf die gestiegenen Börsenkurse. Inzwischen dürfte sich das aber wieder relativiert haben: Den Höchststand erreichte der Deutsche Aktienindex Anfang Januar und fiel seitdem wieder stark ab.

Offenbar vergällten auch die Corona-Pandemie und die vom Staat verordneten Einschränkungen den Deutschen die Lust am Einkauf. Den Angaben zufolge legten sie mehr Geld auf die hohe Kante als in den drei Monaten zuvor. Die Bestände an Bargeld oder die Einlagen von Giro- und Tagesgeldkonten stiegen damit um 31 Milliarden Euro, auf rund 2.149 Milliarden Euro.

Doch: Nur wer ein ausreichend hohes Einkommen hat, kann auch sparen. Und ein solches Einkommen zu erzielen, ist nicht überall möglich. Das zeigt eine Untersuchung, die am Dienstag vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler- Stiftung hervorgeht.

Die Studie verglich die durchschnittlichen Einkommen aller 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte miteinander. Spitzenreiter war demnach Heilbronn – mit einem durchschnittlichen verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von 42.275 Euro. Auf Platz zwei folgte der Landkreis Starnberg mit einem Einkommen von 38.509 Euro pro Kopf. Die Schlusslichter waren Gelsenkirchen und Duisburg, wo das durchschnittliche Einkommen mit 17.015 Euro beziehungsweise 17.741 Euro nicht einmal halb so hoch war.

Auch der Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland ist bezeichnend: Auch drei Jahrzehnte nach der sogenannten Wiedervereinigung zeigt sich ein deutliches Einkommensgefälle. Liegt der bundesweite Durchschnitt bei den verfügbaren Einkommen bei 23.706 Euro, so lag in Ostdeutschland nur ein Landkreis darüber: Potsdam-Mittelmark mit 24.127 Euro.

In den sogenannten alten Bundesländern zeige sich demnach ein Nord-Süd-Gefälle. Im Schnitt liege das Pro-Kopf-Einkommen in Bayern und Baden-Württemberg etwa 2.600 Euro höher als im übrigen Westdeutschland, so die Forscher.

"Aktuell belegen die Zahlen des WSI, dass das Einkommensgefälle von West nach Ost mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung immer noch beträchtlich ist, genauso wie das Nord-Süd- Gefälle im Westen nicht abnimmt", sagte die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow am Mittwoch. Die Bundesregierungen reagierten mit Kommissionen und Versprechungen, aber es ändere sich nichts.

Es ist beschämend, wenn die Wissenschaft ein ums andere Mal dokumentiert, wie weit Deutschland von gleichwertigen Lebensverhältnissen entfernt ist und die Bundesregierung - die aktuelle wie ihre Vorgängerinnen - über Absichtsbekundungen, nun wirklich etwas ändern zu wollen, nicht hinauskommt.

Susanne Hennig-Wellsow

Aufbau von Vermögen ausgeschlossen

Bei einem Teil der Bevölkerung in Deutschland wuchsen die Vermögen – andere rutschen immer tiefer in die Armut. Steigende Mieten, Lebenshaltungskosten und Inflation machen vor allem denen zu schaffen, die ohnehin nicht viel haben.

In verschiedenen Regionen der Bundesrepublik schlugen die Tafeln Alarm. In Norderstedt zum Beispiel, dort stieg die Zahl der Bedürftigen im Vergleich zum Jahresanfang um 20 Prozent. Und bei diesem Anstieg sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine noch nicht berücksichtigt.

Auch aus Nürnberg wird berichtet, dass der Andrang an den Tafeln riesig sei. Dort seien es zwar auch vor allem die ukrainischen Flüchtlinge, die zu den Essensausgaben strömten, doch auch Einheimische kämen immer öfter. Vor allem alte Menschen seien auf die Hilfen angewiesen, weil sie mit ihrer niedrigen Rente kaum über die Runden kämen. "Kein Wunder, wenn man sieht, was man jetzt auch im Discounter bezahlen muss", wird eine ehrenamtliche Helferin vom Bayerischen Rundfunk zitiert.

Vermögen aufbauen, Geld in Aktien anlegen oder auf dem Sparbuch ansammeln, ist für viele gar nicht möglich. Es sind in der Bundesrepublik rund acht Millionen Menschen, die von existenzsichernden Leistungen wie Hartz IV, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leben. Das ist fast jeder zehnte Einwohner Deutschlands.

Hinzu kommen dann aber noch die Personen, die Wohngeld, Kinderzuschlag oder Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten. Und auch die, die mit ihren Einkommen nur knapp über der Anspruchsgrenze von solchen Sozialleistungen liegen, rutschen bei höheren Lebenshaltungskosten leicht in die Armut. Ein Vermögen aufzubauen, ist für sie auch kaum möglich.

Vor diesem Hintergrund forderte Hennig-Wellsow, dass der Staat "stärker in die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums" eingreift. Am Mittwoch erklärte sie weiter, dass die Menschen nicht nur bei steigenden Preisen stärker entlastet werden müssten, es müsse sich auch etwas bei Lohnen und Gehältern grundlegend ändern. "Entscheidende Hebel sind hier Erleichterungen, um Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle Unternehmen und Beschäftigten in einer Branche gelten", sagte sie.

Darüber hinaus müssten auch Sozialleistungen so ausgestaltet werden, dass sie wirksam vor Armut schützten. Das gelte für die Rente, für die Grundsicherung und für Leistungen für Kinder.

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