Bundesbank: Zweistellige Inflation im Herbst möglich

Seite 2: Inflation: Aussichten

Und diese Umverteilung von unten nach oben ist ein Faktor, der die Wirtschaft in den kommenden Monaten tief in die Rezession ziehen wird, was also sogar volkswirtschaftlich absurd ist. Der Bundesbank-Präsident Nagel geht inzwischen auch davon aus, dass es zu zweistelligen Inflationsraten in Deutschland kommen dürfte. Die Mondzahl, von Destatis geliefert, benutzt nicht einmal er. Sondern er bezieht sich schon auf die etwas ehrlicheren 8,5 Prozent von Eurostat.

"In den kommenden Monaten haben wir viele Sondereffekte: Der Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket laufen aus, das dürfte die Inflationsrate um gut einen Prozentpunkt erhöhen. Die Gasumlage kommt, im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt werden, was wiederum die Preise dämpft", erklärt er.

Doch insgesamt geht er davon aus, dass "in der Summe in den Herbstmonaten sogar eine Inflationsrate von 10 Prozent möglich ist". Er führt an, dass zweistellige Inflationsraten in Deutschland das letzte Mal vor über 70 Jahren gemessen wurden, nämlich im vierten Quartal 1951. Es waren nach damaligen Berechnungen elf Prozent.

Es spricht derzeit sogar viel dafür, dass diese Marke von elf Prozent gerissen werden könnte, da sich die steigenden Energiepreise erst langsam in steigenden Preisen für Waren und Dienstleistungen niederschlagen. Dazu ist der nächste große Inflationstreiber von dieser Bundesregierung programmiert.

Denn die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas soll nur bis März gelten. Man kann sich aber zudem schon jetzt ausrechnen, dass das angesichts der Energiesituation in Europa nicht besser, sondern eher noch schlechter werden wird. Das wird sich mit großer Wahrscheinlich in noch höheren Preisen niederschlagen.

Dazu kommt dann ein Preisschub im März, wenn die Mehrwertsteuer auf Gas mitten in der kalten Zeit wieder auf 19 Prozent angehoben wird. Nagel wartet allerdings mit einer sehr optimistischen Inflationsprognose für 2023 auf, die aus der heutigen Sicht utopisch erscheint.

Zwar wurde die bisherige Prognose von 4,5 kassiert und Nagel geht davon aus, "im nächsten Jahr im Schnitt eine sechs vor dem Komma" stehen wird. Damit gesteht er ein, dass die Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Kernaufgabe versagt, für Geldwertstabilität bei einer Inflation von zwei Prozent zu sorgen.

Telepolis hatte auch schon mehrfach aufgezeigt, dass wegen der erratischen Geldpolitik der EZB nicht einmal dann mit einer Entspannung bei den Energiepreisen zu rechnen ist, wenn sich die Preise für Öl und Gas stabilisieren sollten. Da Energie in US-Dollar gehandelt wird, müssen wir auch dann mehr Euros für Energie bezahlen, wenn sich die Gas- und Ölpreise nicht erhöhen oder sogar sinken. Schon seit Juli ist die Parität des Euro zum Dollar Realität.

Der Wert des Euro fällt weiter. Er ist sowohl zum Schweizer Franken und auch zum Dollar längst sogar schon unter die Parität abgesackt. "Der Euro fällt und fällt. In dieser Woche ist er auf ein neues 20-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen." Seit Jahresbeginn hat der Euro gut 14 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar eingebüßt, stellt auch die Tagesschau fest.

Zitiert werden Experten, die davon ausgehen, dass der Euro noch deutlicher gegenüber dem Dollar fallen wird, womit sich Energie in der Eurozone weiter verteuern dürfte. Richtig stellt die Tagesschau fest, dass damit Urlaube außerhalb des Euroraums genauso teurer werden, wie andere Waren die zum Beispiel aus den USA importiert werden müssen. Es ist klar, dass damit der schwache Euro den Inflationsdruck weiter anheizen wird, womit die schleichende Enteignung von breiten Bevölkerungsschichten weiter geht oder sogar weiter an Fahrt aufnimmt.

Auch das ist eine Komponente des Klassenkampfs von oben, dem allerdings bisweilen auch einige aus dem linken Lager das Wort reden, wenn sie die abstruse Geldpolitik der EZB verteidigen. Die hat, wie hier immer wieder ausgeführt, viel zu lange mit einer Zinserhöhung und einer Straffung der ultralockeren Geldpolitik gewartet. Zudem war die Zinserhöhung zu zaghaft und wurde durch die Ankündigung, die Notenpresse über weitere Anleihekäufe weiterlaufen zu lassen, schon wieder konterkariert.

Wer glaubt, dass eine Straffung der Geldpolitik und eine Leitzinserhöhung keine Auswirkung auf die Inflation hätten, sollte den Blick in die USA wenden. Schon erste Leitzinserhöhungen hatten den Anstieg der Inflation gebremst. Nachdem die US-Notenbank FED die Zinskeule geschwungen und die Leitzinsen sogar in zwei großen Schritten inzwischen sogar auf eine Zinsspanne von 2,25 und 2,5 Prozent angehoben hat, ist die Teuerung im Juli im Jahresvergleich sogar deutlich zurückgegangen.

Wurden im Juni noch 9,1 Prozent registriert, waren es im Juli 8,5 Prozent. Die etwas ehrlichere US-Inflationsrate liegt damit nun sogar unter der in der EU von durchschnittlich 8,9 Prozent. Einen solch starken Rückgang hatten viele Experten nicht erwartet.

Es ist klar, dass die hohe und steigende Inflation in der Eurozone der breiten Bevölkerung immer mehr Kaufkraft entzieht. Das Geld fehlt für andere Ausgaben und wird die Wirtschaft besonders stark belasten, die ohnehin schon schwächelt. um die harte Landung, die durch eine viel zu späte Handlung der EZB provoziert wurde, wird vermutlich deshalb noch härter, weil weiter auch nichts gegen inflationstreibende Spekulation und die enormen Übergewinne unternommen wird.

Die werden durch absurde Maßnahmen wie die Gasumlage sogar noch verstärkt. Dies alles schafft, neben den realen Auswirkungen, auch eine große Verunsicherung und hält weiter Kaufkraft zurück. Das alles ist Gift für eine kapitalistische Wirtschaft.