Bundesbank: Zweistellige Inflation im Herbst möglich

Die Inflation wird auch über eine Gasumlage angetrieben, die Unternehmen erhalten, die Milliardengewinne schreiben. Signale für eine Rezession häufen sich.

Es könnte ein heißer Herbst und ein kalter Winter für viele Menschen in Deutschland werden, da sich viele Haushalte die extremen Energiepreise zum Heizen werden nicht leisten können. Dass zwei von drei Haushalten Schwierigkeiten haben werden, über die Runden zu kommen, sagt schon viel.

Da wegen Christian Lindner (FDP) – der als "Schattenkanzker" in der Ampel-Regierung den Ton angibt? – das Neun-Euro-Ticket zum Monatsende ausläuft und kein Nachfolge-Projekt dafür in Sicht ist, dürfte im September auch die offizielle Inflationsrate, die zuletzt auch wegen dem Tankrabatt leicht zurückgegangen war, wieder deutlich steigen.

Die Einschätzungen zur Inflation sind unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt (Destatis) rechnete sie auf 7,5 Prozent herunter - die Europäische Statistikbehörde Eurostat dagegen kommt auf 8,5 Prozent. Sie arbeitet mit dem weniger verzerrten "Harmonisierten Verbraucherpreisindex" (HVPI).

Dass bei der Teuerung noch reichlich Raum nach oben ist, zeigen große Euroländer wie Spanien mit einer bereits zweistelligen Rate von 10,7 Prozent oder Estland als Spitzenreiter mit 23,2 Prozent.

Dass sich Deutschland angesichts einer bereits stagnierenden Wirtschaft schon auf dem Weg in die Stagflation befindet, wurde an dieser Stelle bereits diskutiert. Inzwischen geht auch die Bundesbank davon aus, dass wir um die Rezession wohl nicht mehr herumkommen. Das könnte angesichts der sehr hohen Inflation mit einiger Wahrscheinlichkeit in einer Stagflation münden, womit sich die Lage zusätzlich verschlimmert.

"Rezession im Winter wahrscheinlich"

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat kürzlich in einem Interview die bisherige, zu positive Prognose der Bank kassiert. Man sei im Juni noch davon ausgegangen, dass das Wirtschaftswachstum 2022 bei knapp zwei Prozent liegen werde. "Aus heutiger Sicht dürfte es etwas weniger sein", erklärte er nun.

Kämen weitere Lieferprobleme etwa durch langanhaltendes Niedrigwasser hinzu, würden sich die Wirtschaftsaussichten für das zweite Halbjahr sogar noch weiter eintrüben, führte Nagel weiter aus:

"Wenn sich die Energiekrise zuspitzt, erscheint eine Rezession im kommenden Winter wahrscheinlich."

Aber auch das scheint angesichts der gesamten Entwicklungen noch eine viel zu positive Prognose. Auch ohne weitere Lieferprobleme wird Deutschland um eine Rezession im Winter nicht herumkommen. Was der Bundesbank-Präsident unter einer sich zuspitzenden "Energiekrise" versteht, bleibt ohnehin unklar.

Energiekrise und Gasumlage

Bisher zeigt sich, dass es in Deutschland zwar eine Energiekrise der Art wie in Frankreich nicht gibt, allerdings treibt die Krise in Frankreich und eine insgesamt absurde Energiepolitik der EU die Preise weiter hoch, weil Frankreich enorm viel Strom nachfragt.

Die Stromlücke, die auf dem internationalen Markt gedeckt werden muss, wird sich im Winter enorm vergrößern und damit die Preise auf immer neue Rekorde treiben. Dazu kommt, dass es sich Spanien zum Beispiel mit einem wichtigen Gaslieferanten verscherzt und zudem wichtige Infrastruktureinrichtungen blockiert hat.

Viele Familien stecken längst in einer massiven Energiekrise, die sich demnächst über horrende Rechnungen ausdrücken wird. Zu den extrem hohen Energiepreisen hat die Bundesregierung mit der Gasumlage noch einen Inflationstreiber draufgesetzt, der den Familien weiter Kaufkraft raubt: Dass man bei der Gasumlage von einem "Klassenkampf von oben" sprechen kann, hat Wolfgang Pomrehn gerade auf Telepolis ausgeführt.

Die Gasumlage bezahlen ohnehin nicht einmal alle Gaskunden. Ausgerechnet Festpreis-Kunden mit relativ günstigen Bedingungen fallen offensichtlich heraus. Das verrückte an der Umlage ist, dass sogar Firmen mit viel Geld bedacht werden, die Milliardengewinne schreiben. Statt ihre Übergewinne abzuführen, fallen nun zum Teil sogar weitere Milliardengewinne vom Himmel auf sie herab.

"Wenn sogar kerngesunde Unternehmen mit üppigen Gewinnen Geld aus der Gasumlage erhalten können, dann sichern die Verbraucher in Deutschland damit nicht etwa deren Existenz, sondern die Renditen der Eigentümer", fällt sogar dem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf.

Diese Bereicherung auf Kosten der Gaskunden muss deshalb nun klipp und klar durch das Wirtschafts- und Klimaministerium rechtlich ausgeschlossen werden.

Man fragt sich auch hier: Wer regiert eigentlich in Berlin, ist es etwa nicht der SPD-Genosse Olaf Scholz?

Milliardengeschenke für Firmen

Was bedeuten die inflationstreibenden Milliardengeschenke für Firmen, die anders als zum Beispiel Uniper gar nicht in Schieflage gekommen sind? Das lässt sich etwa an EnBW aufzeigen. Würde der Konzern auf Gelder aus der Umlage verzichten, hätte der Energiekonzern wohl seine Gewinnprognose kappen müssen, also hätten die Aktionäre auch den Gürtel etwas enger schnallen müssen.

Doch jetzt muss die die EnBW die Prognose nicht kassieren, wie sie kürzlich mitgeteilt hat:

Trotz erhöhter Unsicherheiten durch die anhaltend volatile Marktsituation hält die EnBW unverändert an ihrer Ergebnisprognose auf Konzernebene für das laufende Gesamtjahr 2022 fest. Das Adjusted EBITDA für das Geschäftsjahr 2022 wird in einer Bandbreite von rund 3,03 bis 3,18 Milliarden Euro erwartet, dies entspricht einer Steigerung von 2 bis 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

EnBW

Übersetzt heißt das, dass der normale Verbraucher die Gewinnsteigerung im Vergleich zum Vorjahr bezahlt. Es wird kein Konzern vor dem "Zusammenbruch" gerettet, wie es der grüne Bundeswirtschaftsminister Habeck erzählt. Er spricht sogar von der "gerecht möglichsten Form", um die "zusätzlich aufgelaufenen Kosten in der Bevölkerung zu verteilen".

Die Alternative dazu "wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen und damit weite Teile des europäischen Energiemarktes", will uns Habeck mit einem Katastrophenszenario seine Maßnahme verkaufen.

Der Journalist Jürgen Döschner twittert dazu richtig, dass "die Gasumlage ein gigantisches Geschenk an die fossilen Konzerne ist". Die kommt zudem von einem Mann, der doch angeblich über die Energiewende das Klima retten und aus der fossilen Energie aussteigen will.

"Verbraucher sorgen so dafür, dass zB EnBW seinen Aktionären drei Milliaraden Überschuss vermelden und satte Dividende ausschütten kann", resümiert Döschner. Demnach malt der Wirtschaftsminister Habeck ein Szenario an die Wand, dass es nicht gibt: Es werden keine Konzerne gerettet, sondern steigende Konzerngewinne garantiert.

Unter den Nutznießern befindet sich zum Beispiel auch der OMV-Konzern aus Österreich. Die Zeitung Standard hatte kürzlich dazu berichtet:

Die zwei größten heimischen Energiekonzerne OMV und Verbund haben ihre Gewinne in der ersten Jahreshälfte 2022 massiv steigern können. Der Öl-, Gas- und Chemiemulti OMV hat von den hohen Öl- und Gaspreisen stark profitiert und seinen Umsatz und Gewinn mehr als verdoppelt.

Standard

Auch wenn Habeck von "Versorgungssicherheit in Deutschland", die zielgenau sei, fabuliert, so scheint zielgenau nur die Absicherung der Konzerngewinne auf Kosten einfacher Menschen.

Inflation: Aussichten

Und diese Umverteilung von unten nach oben ist ein Faktor, der die Wirtschaft in den kommenden Monaten tief in die Rezession ziehen wird, was also sogar volkswirtschaftlich absurd ist. Der Bundesbank-Präsident Nagel geht inzwischen auch davon aus, dass es zu zweistelligen Inflationsraten in Deutschland kommen dürfte. Die Mondzahl, von Destatis geliefert, benutzt nicht einmal er. Sondern er bezieht sich schon auf die etwas ehrlicheren 8,5 Prozent von Eurostat.

"In den kommenden Monaten haben wir viele Sondereffekte: Der Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket laufen aus, das dürfte die Inflationsrate um gut einen Prozentpunkt erhöhen. Die Gasumlage kommt, im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt werden, was wiederum die Preise dämpft", erklärt er.

Doch insgesamt geht er davon aus, dass "in der Summe in den Herbstmonaten sogar eine Inflationsrate von 10 Prozent möglich ist". Er führt an, dass zweistellige Inflationsraten in Deutschland das letzte Mal vor über 70 Jahren gemessen wurden, nämlich im vierten Quartal 1951. Es waren nach damaligen Berechnungen elf Prozent.

Es spricht derzeit sogar viel dafür, dass diese Marke von elf Prozent gerissen werden könnte, da sich die steigenden Energiepreise erst langsam in steigenden Preisen für Waren und Dienstleistungen niederschlagen. Dazu ist der nächste große Inflationstreiber von dieser Bundesregierung programmiert.

Denn die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas soll nur bis März gelten. Man kann sich aber zudem schon jetzt ausrechnen, dass das angesichts der Energiesituation in Europa nicht besser, sondern eher noch schlechter werden wird. Das wird sich mit großer Wahrscheinlich in noch höheren Preisen niederschlagen.

Dazu kommt dann ein Preisschub im März, wenn die Mehrwertsteuer auf Gas mitten in der kalten Zeit wieder auf 19 Prozent angehoben wird. Nagel wartet allerdings mit einer sehr optimistischen Inflationsprognose für 2023 auf, die aus der heutigen Sicht utopisch erscheint.

Zwar wurde die bisherige Prognose von 4,5 kassiert und Nagel geht davon aus, "im nächsten Jahr im Schnitt eine sechs vor dem Komma" stehen wird. Damit gesteht er ein, dass die Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Kernaufgabe versagt, für Geldwertstabilität bei einer Inflation von zwei Prozent zu sorgen.

Telepolis hatte auch schon mehrfach aufgezeigt, dass wegen der erratischen Geldpolitik der EZB nicht einmal dann mit einer Entspannung bei den Energiepreisen zu rechnen ist, wenn sich die Preise für Öl und Gas stabilisieren sollten. Da Energie in US-Dollar gehandelt wird, müssen wir auch dann mehr Euros für Energie bezahlen, wenn sich die Gas- und Ölpreise nicht erhöhen oder sogar sinken. Schon seit Juli ist die Parität des Euro zum Dollar Realität.

Der Wert des Euro fällt weiter. Er ist sowohl zum Schweizer Franken und auch zum Dollar längst sogar schon unter die Parität abgesackt. "Der Euro fällt und fällt. In dieser Woche ist er auf ein neues 20-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen." Seit Jahresbeginn hat der Euro gut 14 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar eingebüßt, stellt auch die Tagesschau fest.

Zitiert werden Experten, die davon ausgehen, dass der Euro noch deutlicher gegenüber dem Dollar fallen wird, womit sich Energie in der Eurozone weiter verteuern dürfte. Richtig stellt die Tagesschau fest, dass damit Urlaube außerhalb des Euroraums genauso teurer werden, wie andere Waren die zum Beispiel aus den USA importiert werden müssen. Es ist klar, dass damit der schwache Euro den Inflationsdruck weiter anheizen wird, womit die schleichende Enteignung von breiten Bevölkerungsschichten weiter geht oder sogar weiter an Fahrt aufnimmt.

Auch das ist eine Komponente des Klassenkampfs von oben, dem allerdings bisweilen auch einige aus dem linken Lager das Wort reden, wenn sie die abstruse Geldpolitik der EZB verteidigen. Die hat, wie hier immer wieder ausgeführt, viel zu lange mit einer Zinserhöhung und einer Straffung der ultralockeren Geldpolitik gewartet. Zudem war die Zinserhöhung zu zaghaft und wurde durch die Ankündigung, die Notenpresse über weitere Anleihekäufe weiterlaufen zu lassen, schon wieder konterkariert.

Wer glaubt, dass eine Straffung der Geldpolitik und eine Leitzinserhöhung keine Auswirkung auf die Inflation hätten, sollte den Blick in die USA wenden. Schon erste Leitzinserhöhungen hatten den Anstieg der Inflation gebremst. Nachdem die US-Notenbank FED die Zinskeule geschwungen und die Leitzinsen sogar in zwei großen Schritten inzwischen sogar auf eine Zinsspanne von 2,25 und 2,5 Prozent angehoben hat, ist die Teuerung im Juli im Jahresvergleich sogar deutlich zurückgegangen.

Wurden im Juni noch 9,1 Prozent registriert, waren es im Juli 8,5 Prozent. Die etwas ehrlichere US-Inflationsrate liegt damit nun sogar unter der in der EU von durchschnittlich 8,9 Prozent. Einen solch starken Rückgang hatten viele Experten nicht erwartet.

Es ist klar, dass die hohe und steigende Inflation in der Eurozone der breiten Bevölkerung immer mehr Kaufkraft entzieht. Das Geld fehlt für andere Ausgaben und wird die Wirtschaft besonders stark belasten, die ohnehin schon schwächelt. um die harte Landung, die durch eine viel zu späte Handlung der EZB provoziert wurde, wird vermutlich deshalb noch härter, weil weiter auch nichts gegen inflationstreibende Spekulation und die enormen Übergewinne unternommen wird.

Die werden durch absurde Maßnahmen wie die Gasumlage sogar noch verstärkt. Dies alles schafft, neben den realen Auswirkungen, auch eine große Verunsicherung und hält weiter Kaufkraft zurück. Das alles ist Gift für eine kapitalistische Wirtschaft.