Gasumlage: Klassenkampf von oben

Klimaschutzbewegungen fordern die Enteignung der Energiekonzerne, um schnell auf Erneuerbare umzuschalten. Bild: niekverlaan / Pixabay License

Energie und Klima – kompakt: Über verheerende Fluten, Lindners Phobie gegenüber Neun-Euro-Tickets sowie Antifaschisten und über den dringenden Wunsch, Energiekonzerne zu enteignen.

Keine Atempause. Die Klimakrise zieht immer weitere Kreise, auch wenn sich der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) lieber um LNG-Terminals und Erdgasimporte aus möglichst fernen Ländern kümmert. Unvergessen sein Diener vor dem Emir von Katar. Dumm nur, dass nicht einmal diese unterwürfige Geste den gewünschten Erfolg brachte und sich unser guter Despot, bei dem sich die Arbeiter für die Fußballweltmeisterschaft zu Tode schuften, als ebenso unzuverlässig erwies als der andere, der böse Despot, der mit seinem Krieg. Nein, nicht Erdoĝan, der gehört zu den Guten und hat auch kein Gas, sondern Putin, die aktuelle Inkarnation alles Schlechten.

Pakistan: Verheerende Hochwasser

Aber wir schweifen ab. Von der Klimakrise sollte hier die Rede sein, vom voranschreitenden Klimawandel, der dieser Tage unter anderem in Pakistan mit voller Härte zuschlägt. 777 Menschen sind dort seit Juni bereits durch Hochwasser ums Leben gekommen, schreibt die Nationale Katastrophenschutzbehörde aus Islamabad. Ursache für die zahlreichen Überschwemmungen ist ein in diesem Jahr außergewöhnlich starker Monsun. Zahlreiche Flüsse sind dadurch über die Ufer getreten, von anderen wird es für die nächsten Tage erwartet.

Besonders hart sei die Provinz Belutschistan im Südwesten des Landes betroffen, schreibt der arabische Nachrichtensender Al Jazeera. Dort seien bereits 22.000 Wohnhäuser zerstört und 18.000 weitere beschädigt worden. Auf 280.000 Hektar ging in der Provinz die Ernte durch Überschwemmungen und schwere Regenfälle verloren. Das ist eine Fläche, die etwas größer als das Saarland ist. Pakistanisch Meteorologen sprechen von "außergewöhnlich überdurchschnittlichem Regen" und sehen im Klimawandel die Ursache.

Eine Reihe von Hitzewellen habe im Süden des Landes im Mai und Juni ideale Voraussetzungen für einen starken Monsun geschaffen, über den wir bereits vor einem Monat an dieser Stelle berichtet hatten. Durch Hitze über größeren Gebieten können Tiefdruckgebiete entstehen, die in diesem Fall Winde vom benachbarten Arabischen Meer anziehen. Dort haben sich die Wassertemperaturen in den letzten Jahren (weiter) erhöht. Meteorologen aus der Region warnen daher bereits seit längerem davor, dass die Niederschläge heftiger werden. Wärmeres Meerwasser bedeutet nämlich mehr Verdunstung und mehr Luftfeuchtigkeit, was zu stärkeren Niederschlägen führt.

Auch Pakistans Nachbarn im Osten – Indien – und im Norden – Afghanistan – sind zum Teil schwer betroffen. In Afghanistan warten noch immer viele ehemalige Mitarbeiter deutscher Organisationen oder der Bundeswehr darauf, dass die Bundesregierung ihnen die Einreise nach Deutschland erlaubt, um sie in Sicherheit zu bringen. Unterdessen versucht das internationale Fridays-for-Future-Netzwerk Hilfe für afghanische Klimaaktivisten zu organisieren. Aber das nur am Rande.

Mehr Vorsorge nötig

Zahlreiche Todesopfer und schwere Verwüstungen durch extreme Niederschläge hat es letzte Woche auch im Sudan gegeben, wie Al Jazeera an anderer Stelle berichtet. Die Plattform SciDevNet berichtet, dass es seit Jahresbeginn im Afrika südlich der Sahara über 600 Todesopfer in Folge schwerer Regenfälle und Überschwemmungen gegeben habe und dass mancherorts die Ernte bedroht sei. Afrikanische Experten fordern daher dringend besseren Hochwasserschutz und bessere Entwässerungssysteme.

Dem können sicherlich Fachleute in vielen Ländern zustimmen. Hierzulande haben wir zuletzt 2021 während des Juli-Hochwassers im Ahrtal und im angrenzenden Rheinland gesehen, wie Fahrlässigkeit, viel zu spät warnende Behörden und ein Mangel an Vorsorge das Leid erheblich vergrößert haben.

Schwindende Gletscher

Derweil hat Pakistans Norden noch ein anderes Hochwasserproblem. Dort sorgt das zunehmend wärmere Klima dafür, dass die Gletscher in der warmen Jahreszeit erheblich mehr Wasser verlieren. Dadurch können – wie bereits im Mai berichtet – aus Gebirgsflüssen reißende Ströme werden. Das Schmelzwasser der über 7.000 Gletscher des Landes füllt außerdem tausende Gletscherseen, von denen manche durch Barrieren aus Geröll aufgestaut werden. Barrieren, die bei steigendem Wasserstand eingerissen werden können.

Das Ergebnis eines solchen Dammbruchs wäre eine schlimme Flutwelle, die in den Tälern unterhalb der Seen schwere Verwüstungen anstellen könnten. Nach Angaben der Japan Times sehen pakistanische Behörden in 33 Fällen die akute Gefahr, dass Gletscherseen sich ins Tal ergießen könnten.

In Europa ist das Zerstörungspotenzial der Gletscherschmelze zwar nicht so groß wie in Pakistan, aber auch hier schwinden, wie bereits in der letzten Wochenschau erwähnt, die Gletscher. Nun berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass es auf dem Gipfel des Schweizer Matterhorns derzeit keinen gefrorenen Schnee gebe, der das lose Gestein zusammenhält. Bergführer würden daher von Besteigungen dringend abraten. Die Null-Grad-Grenze habe zuletzt bei 5100 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Auch der Sommer-Skibetrieb habe eingestellt werden müssen. Die Gletscherspalten lägen frei, weil es an Schnee mangele. Ähnliche Probleme für den Bergtourismus werden auch vom Montblanc, von der Jungfrau und dem Weismies gemeldet.

Neun-Euro-Ticket zu erfolgreich

Der Klimawandel ist also auch hierzulande für viele Menschen inzwischen zum Greifen nah, doch für die deutschen Liberalen ist das noch lange kein Grund, "mehr Klimaschutz zu wagen". Der Verkehrssektor – genauer: der Straßenverkehr – ist der einzige Bereich, in dem in den letzten 30 Jahren keinerlei Minderung der Treibhausgasemissionen stattgefunden hat. Da könnte man eigentlich schon mal auf die Idee kommen, dass da etwas nachgeholt werden müsste, dass ein wenig mehr Tempo in Sachen Klimaschutz notwendig wäre.

Zum Beispiel, mit einem Tempolimit, mit einer weniger autofreundlichen Gestaltung der Städte oder indem erheblich mehr Gelder in die seit Jahrzehnten eher auf Verschleiß betriebene Bahn gesteckt werden. Oder indem der öffentliche Personennahverkehr, der ÖPNV, attraktiver gestaltet wird. Letzteres wäre der Bundesregierung ja sogar fast gelungen. Das Neun-Euro-Ticket, erwies sich als voller Erfolg. Bei den Bürgerinnen und Bürgern außerordentlich beliebt führte es zu einem teils erheblichen Anstieg der Fahrgastzahlen im Regional- und Nahverkehr.

Entsprechend fordern Verbraucherzentralen, die Grünen, die Linkspartei und viele mehr, eine Verlängerung oder zumindest eine kostengünstige Anschlusslösung. In Jena wird dafür sogar regelmäßig demonstriert, Hamburg geht am Freitag für die Fortsetzung auf die Straße und Kassel am Samstag im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – der mit den Erinnerungslücken bei seinen Banker-Kontakten – spricht von einem "großen Erfolg".

Nur einer stellt sich quer. Porscheminister Christian Lindner von der FDP, der neben seinen Lobbygeschäften für die Automobilindustrie auch noch für das Finanzressort zuständig ist, findet, die rund 30 Millionen Ticket-Nutzerinnen und -Nutzer würden eine "Gratismentalität" zeigen und die dem Fiskus entstehenden Kosten von jährlich rund 12 Milliarden Euro seien unakzeptabel.

Zum Vergleich: Das Dienstwagenprivileg kostet jährlich 4,4 Milliarden Euro, die Begünstigung von Flugtreibstoff 7,4 Milliarden (Wert für 2017) und allein der Bau von 3,2 Kilometer Autobahn in Berlin 700 Millionen Euro. Doch derlei Vergleiche gefallen dem liberalen Minister nicht, weshalb er es vorzieht, das Debattenklima zu vergiften. Es hätten ja sogar Leute vor seinem Ministerium für das Neun-Euro-Ticket demonstriert. Das sei vor allem "die Antifa" gewesen, ließ er wissen.

Das sagt einiges über Lindners Verhältnis zur Demokratie aus. Für den Minister ist Antifaschismus offensichtlich so eine Art Schimpfwort, das er für bestens geeignet hält, den Gegner zu stigmatisieren. Das erinnert an die dunkelsten Kapitel des deutschen Liberalismus. Aber so sieht es halt aus, wenn Profis sich um den Klimaschutz kümmern.

Für Enteignung

Die Aktiven der Klimaschutzbewegung, denen der Minister mit diesem anderen seiner berüchtigten Denksprüche bescheinigte, Amateure zu sein, lassen sich unterdessen nicht beirren und setzen ihre Aktionen fort. Für den 23. September wird der nächste internationale Klimastreiktag der Jugendbewegung "Fridays for Future" vorbereitet. Neben den Forderungen nach Klimaschutz soll auch die nach Entschädigung für die angerichteten Schäden aufgestellt werden, die sich natürlich an die Industrieländer richtet, die den größten Teil der historischen Emissionen zu verantworten haben.

Schon ein paar Wochen zuvor, am kommenden Samstag, will der deutsche Ableger des Jugendnetzwerks gemeinsam mit dem Netzwerk "Ende Gelände", dem rheinländischen Anti-Braunkohle-Protestcamp "Lützerath lebt" und der Kampagne "RWE & Co. Enteignen" in Köln demonstrieren. Dort soll die Forderung nach Enteignung der Energiekonzerne im Vordergrund stehen. Motto: "Enteignen statt Krise – eine klimagerechte Zukunft aufbauen".

"Die Energiekrise bringt mehrere Millionen Menschen in der BRD in existenzielle Not", heißt es in einer kurzen Pressemitteilung des Bündnisses. Die Demonstration sei eine Antwort auf steigende Energiepreise und das Fehlen sozialer Antworten. Die Energiekonzerne müssten enteignet und der Energiesektor vergesellschaftet werden. (Hier der ausführlichere Aufruf zu Kölner Demonstration.) Inflation und Gasumlage würden private Haushalte in finanziellen Ruin treiben, während Konzerne "Milliardengewinne" einfahren.

Das grün geführte Wirtschaftsministerium findet die Gewinne übrigens ganz in Ordnung, wie kürzlich in der Bundespressekonferenz zu erfahren war. 34 Milliarden Euro wird schätzungsweise über die Gasumlage in die Kassen von elf Konzernen umverteilt werden. Man könnte das auch – ebenso übrigens wie Christian Lindners kaum verhohlene Abscheu vor Menschen mit geringem Einkommen – Klassenkampf von oben nennen.