Bundesregierung: Nawalny mit Nowitschok vergiftet
Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr hat in Proben einen "chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe" nachgewiesen
Nachdem die Charité mitgeteilt hatte, dass der russische Oppositionspolitiker Nawalny vergiftet worden sei, man aber die Substanz noch nicht nachgewiesen hat, wandte sich die Universitätsklinik an das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München und das britische Militärlabor Porton Down (Charité hat sich an ein deutsches Militärlabor und Porton Down gewandt). Letzteres hatte im Fall Skripal das Nervengift Nowitschok identifiziert, was später von der OPCW bestätigt wurde.
Die Bundesregierung gab nun über den Sprecher der Bundeskanzlerin, Steffen Seibert, eine offizielle Erklärung bekannt, dass der Nachweis eines Nervengifts aus der in der Sowjetunion entwickelten Nowitschok-Gruppe "zweifelsfrei" sei. Bundeskanzlerin Merkel, so die Erklärung, habe sich mit Außenminister Maas, Bundesfinanzminister Scholz, Bundesjustizministerin Lambrecht, Verteidiungsministerin Kramp-Karrenbauer und dem Chef des Bundeskanzleramts Braun über die weiteren Schritte beraten.
Es sei "bestürzend", dass Nawalny Opfer eines Angriffs mit einem "chemischen Nervenkampfstoff" geworden sei. Die russische Regierung wird "dringend aufgefordert, sich zu dem Vorgang zu erklären".
Offenbar ist Größeres geplant, ähnlich möglicherweise wie nach dem Anschlag auf die Skripals. Die Bundesregierung unterrichte die Partner in der EU und der Nato, um nach einer "russischen Einlassung" Reaktionen zu beschließen. Überdies werde die OPCW eingeschaltet.
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, erklärte, Berlin habe Moskau nicht über seine Schlussfolgerungen bezüglich der Vergiftung von Nawalny durch Nowitschok informiert. Nach Ria Novosti hieß es aus dem russischen Außenministerium, dass man noch auf eine "Antwort auf die Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft" warte. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte Vorermittlungen eingeleitet.
Die Charité berichtet: "Die Symptomatik der durch eine nachgewiesene Vergiftung ausgelösten Cholinesterase-Hemmung ist zunehmend rückläufig. Grund dafür ist eine schrittweise Regeneration der Cholinesterase-Aktivität. Alexei Nawalny wird weiterhin auf einer Intensivstation behandelt und maschinell beatmet."
Ermittlungen in Russland
Nach einem Bericht der Zeitung Moskowski Komsomolez wurde Nawalny während seiner Reise in Sibirien genau von Sicherheitskräften überwacht - und er soll sich sehr vorsichtig bewegt haben. So soll er in Tomsk in einem Hotel sieben Zimmer für sich und seine drei Begleiter gebucht und in einem anderen Zimmer geschlafen haben, als er für sich gebucht hatte. Er soll mit großer Vorsicht unterwegs gewesen sein und seine Kreditkarte nicht benutzt haben. Die Polizei habe aus Beobachtungen und Überwachungskameras keine verdächtigen Kontakte beobachtet.
Am Vorabend vor seiner Abreise war Nawalny noch mit einem Freund in einem Fluss, 25 km von Tomsk entfernt, schwimmen gegangen. Ein Anwalt hatte ihm den Eigentümer eines Hauses an dem Fluss empfohlen. Das sei wohl zufällig gewesen, Nawalny sei auch hier vorsichtig gewesen und habe das Haus auch nicht betreten.
Überdies hatte Nawalny mit seinem Team noch ein "sicheres Haus" angemietet. Darauf sei man gekommen, weil einer seiner lokalen Helfer sich dort Sushi hatte liefern lassen. Nawalny sei zu dieser Zeit auch dort gewesen, vermutlich um das aufgenomme Videomaterial zu sichten.
Im Unfallkrankenhaus Omsk, in das Nawalny zuerst eingeliefert und versorgt wurde, sind angeblich im Blut Nawalnys Alkoholspuren gefunden worden. Es bleibe aber ein Rätsel, denn die Polizei habe alle Geschäfte und Orte aufgesucht, in bzw. an denen er und seine Mitarbeiter sich aufgehalten haben. Überall wurden auch Proben genommen und analysiert. Gekauft wurde nur Wasser und Säfte, auch nichts in Apotheken oder irgendwelche Haushaltschemikalien. Nawalny habe nur zwei Tassen Tee vor dem Abflug im Flughafen Tomsk getrunken. Wenn eine Vergiftung stattgefunden habe, so müsse sie nach der Generalstaatsanwaltschaft auf dem Flughafen oder im Flugzeug geschehen sein.