Bundestag: Keine allgemeine Impfpflicht, auch nicht ab 60 Jahren
Der Gesetzesvorschlag aus den Reihen der Regierungsfraktionen wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt
Der Bundestag hat sich gegen eine Impfpflicht entschieden. Mit 378 Nein-Stimmen gegen 296 Ja-Stimmen fiel die Entscheidung gegen einen Antrag, der eine gesetzliche Impfpflicht ab 60 Jahren vorsieht, deutlich aus. In der Liveübertragung aus dem Bundestag war Jubel zu hören.
Der namentlichen Abstimmung heute Mittag lag ein Antrag zugrunde, der zwei Gesetzesempfehlungen, den der "Abgeordneten Heike Baehrens (SPD) und weiterer Abgeordneter" (Drucksache 20/899) sowie den der Abgeordneten "Dieter Janecek (Grüne) und weiterer Abgeordneter" (Drucksache 20/954) zusammenführte (siehe: Bundestag ringt um Lösung im Corona-Impfstreit).
Der gestern ausgearbeitete Kompromissvorschlag sah eine gesetzlich verankerte Impfpflicht ab dem Alter von 60 Jahren vor. Vertreter der Fraktionen der Regierungskoalition hatten sich darauf verständigt. Gesundheitsminister Lauterbach sprach sich im Plenum vor der Abstimmung dafür aus: "Wir brauchen heute einmal ihre staatstragende Unterstützung, um im Herbst anders dazustehen als wir jetzt stehen", so Lauterbach.
Mit dem Beschluss des Bundestags wird es "zum jetzigen Zeitpunkt keine über die seit März geltende Corona-Impfpflicht für das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen hinausgehende Verpflichtung für andere Bevölkerungsgruppen in Deutschland geben" (Tagesschau).
Es gab keinen Vorschlag zur Impfpflicht der Regierung, sondern lediglich, wie erwähnt, Anträge von Abgeordneten aus der Regierungskoalition (der FDP-Abgeordneten Kubicki legte einen Antrag gegen die Impfpflicht vor, an dem sich Abgeordnete verschiedener Fraktionen beteiligten. Der Antrag zielt darauf ab, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ohne eine Verpflichtung zu erhöhen. Auch er fand keine Mehrheit: 590 Parlamentarier votierten dagegen, 85 Abgeordnete dafür).
Die CDU/CSU-Fraktion schlug ein Impfvorsorgegesetz mit einem gestaffelten Impfmechanismus vor, der "unter bestimmten Voraussetzungen vom Bundestag aktiviert" werden sollte. Auch dieser Antrag, der zu den "Modellen für eine Einführung der Impfpflicht" gereiht wird, wurde mit einer großen Stimmenmehrheit abgelehnt: 497 Nein-Stimmen gegenüber 172 Ja-Stimmen.
Gesundheitsminister Lauterbach kommentierte das Scheitern des Gesetzesvorschlags unverzüglich auf Twitter mit Blick auf die nächste kalte Saison:
Einziger Gesetzentwurf, der die allgemeine Impfpflicht gebracht hätte, ist gerade gescheitert. Es ist eine sehr wichtige Entscheidung, denn jetzt wird die Bekämpfung von Corona im Herbst viel schwerer werden. Es helfen keine politischen Schuldzuweisungen. Wir machen weiter.
Karl Lauterbach
Auch dieser Sichtweise Lauterbachs wurde von Expertenseite schnell widersprochen. Die Impfpflicht war seit vier Monaten intensiv diskutiert worden. Es zeigte sich, dass die Impfpflicht ab dem Alter 18 Jahren schon in der Vorabstimmung zu Anträgen keine Mehrheit fand.
Die "gesundheitspolitisch wie verfassungsrechtlich fragwürdige Begründung der Impfpflicht" (siehe: Was das Scheitern der Impfpflicht ab 18 Jahren bedeutet) war offensichtlich ausschlaggebend auch für die Bundestagsabgeordneten, die eine Impfpflicht von Bürgern über 60, die zu den Risikogruppen gezählt werden, ablehnten.