Bundestag beschließt Masern-Impfpflicht
Spahn hält Eingriffe in körperliche Unversehrtheit für verhältnismäßig
Gestern hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD auf die Initiative des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn hin eine mit bis zu 2500 Euro Bußgeld bewehrte Masern-Impfpflicht für Kinder in Kindertagesstätten, das dortige Personal, Schüler, Lehrer, Ärzte, Schwestern, Pfleger und Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften beschlossenen. Die Einhaltung dieser Impfpflicht sollen die Gesundheitsämter kontrollieren, wobei sie ermutigt werden, zusammen mit den Krankenkassen wieder Reihenimpfungen anzubieten, mit deren Hilfe man im 20. Jahrhundert die Pocken ausrotten und die Kinderlähmung deutlich eindämmen konnte (vgl. Polio-Ausbruch in der Ukraine).
In der Debatte um diese Impfpflicht bestritt der Gesundheitsminister nicht, dass diese einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt - wie sehr viele andere medizinische Eingriffe auch. Bei ihren Grundrechtsabwägungen kamen er und die Juristen in seinem Ministerium aber zum Ergebnis, dass dieser Eingriff ein verhältnismäßiger ist. Auch deshalb, weil Impfungen ihrer Natur nach nicht nur die Gesundheit von Geimpften betreffen, sondern ebenso die von Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft (aber leicht angesteckt) werden können.
"Sehr, sehr sichere" Impfstoffe
Dem gegenüber stehen Spahns Worten zufolge "sehr, sehr sichere" Impfstoffe gegen Masern. Tatsächlich sind die Risiken dieser Impfung gut erforscht und im Vergleich zu denen einer Masernerkrankung (die tödlich oder mit einer geistigen Behinderung enden kann) verschwindend gering. Anders als beim Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix werden nämlich keine Adjuvantien beigemengt, die man statistisch mit Narkolepsie in Verbindung bringt.
Der Grund, dass einige Milieus dieser Masernschutzimpfung besonders skeptisch gegenüberstehen, liegt nicht etwa in einer fehlenden Kostenübernahme, sondern in esoterischen Ängsten mancher Eltern (vgl. Prinzip "Stille Post" oder warum Diskussionen mit Impfgegnern sinnlos sind , Die unsichtbare Superdiktatur und Was Impfgegner wirklich überzeugt). Die trugen dazu bei, dass die zur Vermeidung einer Epidemie nötige Durchimpfungsrate von mindestens 95 Prozent mit 92,8 in Deutschland unterschritten wird.
Viren mit Langzeitwirkung
Deshalb kam es in den letzten Jahren in mehreren deutschen Städten immer wieder zu Masernausbrüchen (vgl. Masern: ein Todesfall in Berlin). Im hessischen Hofheim mussten deshalb nicht nachweislich geimpfte Lehrer und Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden, was unter anderem die Abiturvorbereitungen beeinträchtigte.
Das Masernvirus beeinträchtigt das menschliche Immunsystem (anders als das HIV-Virus) zwar nicht dauerhaft, aber über einen längeren Zeitabschnitt. Dadurch werden Masern immer wieder von anderen Infektionskrankheiten wie Gehirnentzündungen, Lungenentzündungen oder Mittelohrentzündungen begleitet. Besonders gefährlich werden solche Begleiterkrankungen, wenn Eltern nicht nur Impfgegner sind, sondern der wissenschaftlich fundierten Medizin so sehr misstrauen, dass sie auch bei der Behandlung dieser Krankheiten alternativen Heilvorstellungen anhängen.
Im norditalienischen Cagli musste deshalb vor zwei Jahren der sechsjährige Francesco B. sterben, dessen Eltern ihn mit einer Mittelohrentzündung nicht zu einen "Schulmediziner", sondern zum "Naturheiler" Massimiliano M. brachten. Der verbot den Erziehungsberechtigten trotz hohen Fiebers die Gabe von Antibiotika und die Einlieferung in ein Krankenhaus. Als die Eltern schließlich doch die Rettung riefen, konnte dem Buben auch keine Notoperation mehr helfen (vgl. Gefährlicher Glaube).
Auch vor dem Hintergrund solcher Fälle entschied der deutsche Bundesgerichtshof 2017, dass ein Elternteil sein Kind auch gegen den Willen des anderen Elternteils die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen zukommen lassen darf.
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