Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Voraussetzungen für eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes sind nicht erfüllt. Auch die "Wahlfreiheit" ist dafür ein unzureichendes Argument

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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute einstimmig die Betreuungsgeldparagrafen §§ 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes für "nichtig" erklärt.

In seinem Urteil zum Betreuungsgeld stellte das Karlsruher Gericht fest, dass dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld fehlt. Das Betreuungsgeld ist Sache der Ländergesetzgebung. Laut Gericht erfüllt das Betreuungsgeld keinerlei Voraussetzungen, die vom Grundgesetz (insbesondere 72 Abs. 2 GG) vorgesehen sind, damit die Gesetzgebungskompetenz an den Bund übergeht.

Zwar sehen Bestimmungen des Artikel 74 GG die Möglichkeit vor, dass der Bund das Gesetzgebungsrecht hat. Die Voraussetzung dafür ist aber daran gebunden, dass die Gesetzgebung zur "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" notwendig ist oder "die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht".

Beide Voraussetzungen erfüllt das Gesetz zum Betreuungsgeld nicht, so die Richter, die auch die von der CSU eingebrachte "Wahlfreiheit" als unzureichendes Argument für eine Bundesgesetzgebung einstuften.

Schließlich vermag auch der gesellschaftspolitische Wunsch, die Wahlfreiheit zwischen Kinderbetreuung innerhalb der Familie oder aber in einer Betreuungseinrichtung zu verbessern, für sich genommen nicht die Erforderlichkeit einer Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG zu begründen. Auf die Frage, ob das Betreuungsgeld überhaupt geeignet ist, dieses Ziel zu fördern, kommt es daher nicht an.

Der Bund hätte als das Betreuungsgeld gar nicht einführen dürfen. Dass er es tat war Koalitionsgeschacher, der von vom obersten Gericht demontiert wurde. Die CSU hatte das bundesweite Betreuungsgeld mit Einsatz gegen große Widerstände durchgedrückt, um den Wählern in Bayern zu bedeuten, wie einflussreich die CSU in Berlin ist. Schon frühzeitig machten Gegner des Gesetzes auf verfassungsrechtliche Bedenken aufmerksam. SPD regierte Ländern ahnten bereits, dass die Regelungen besser auf Länderebene bleiben sollten.

Politisch ist das Urteil eine Niederlage. Das auch von der CSU oft beanspruchte Bild vom "Hausaufgaben machen" kann nun angesichts elementarer Gesetzgebungsfehler gegen die CSU verwendet werden. Man wird beim anderen Gesetzesprojekt, das Wählerstimmen holen soll, bei der Maut, sehr genau hinschauen, was aus dem CSU geführten Ministerium an Gesetzesvorschlägen kommt, wie bei einem zwar lauten, aber eben nicht immer sorgfältig arbeitenden Schüler.

Tatsächlich ist das Betreuungsgeld in Bayern sehr beliebt; 75 Prozent der dazu Berechtigten nehmen es in Anspruch, hieß es heute Morgen im BR. Man habe den Familienhaushalt darauf abgestellt, wurde aus Familien zitiert. CSU-Chef Seehofer beruhigte nun seine "große Koalition", die Wähler in Bayern. Man werde das Betreuungsgeld weiter auszahlen.

Andere Bundesländer überlegen, ob sie das Geld nicht besser in den Ausbau von Betreuungseinrichtungen stecken. Laut Statistischem Bundesamt wurde der staatliche Betreuungszuschuss nach den nun nichtigen Paragrafen im ersten Quartal 2015 für 455.277 Kinder ausbezahlt.