CDU-Ideen zur Rente: Können alte weiße Männer sie noch wählen?
Programmentwurf der CDU: Späterer Renteneintritt im "Land der Eigentümer". Muslime sollen "unsere Werte" teilen. Aber wer ist dieses "Wir"?
Noch sind die Unionsparteien in bundesweiten Umfragen die stärkste Kraft – vom Entwurf eines neuen Grundsatzprogramms der CDU, über den seit Montag berichtet wird, könnten sich allerdings nicht nur Muslime und andere Minderheiten, sondern auch ältere weiße "Normalos" vor den Kopf gestoßen fühlen.
Sollte sie demnächst wieder Regierungsverantwortung übernehmen, will die CDU unter anderem eine längere Lebensarbeitszeit durchsetzen: Um die Rente finanzierbar zu halten, spreche "viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird", heißt es in dem Entwurf.
Allgemein soll eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge eingeführt werden – für Geringverdienende verspricht die CDU hier allerdings staatliche Zuschüsse.
Daumenschrauben für Erwerbslose
Kleine und mittlere Einkommen sollten steuerlich entlastet und arbeitende Rentner bessergestellt werden, heißt es weiter.
Die aktuellen Regelungen zum Bürgergeld will die CDU aber zugunsten eines neuen Sanktionssystems beim Bezug von Lohnersatzleistungen wieder abschaffen: "Wer Sozialleistung erhält und arbeiten kann, soll arbeiten."
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, hat den Programmentwurf scharf kritisiert: "In einer Zeit, in der immer mehr Teile der Bevölkerung Abstiegsängste haben, ist das Papier denkbar ungeeignet, die Menschen zu beruhigen", sagte Schneider dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
"Angriff auf gesetzliche Rentenversicherung"
"Vielmehr lässt sich der Angriff auf die gesetzliche Rentenversicherung und auf das Bürgergeld kaum überlesen", warnte der Verbandschef. "Damit werden jedoch Grundpfeiler unseres Sozialstaates zur Disposition gestellt. Statt Wohlstand für alle, den das Papier verspricht, erzeugt es Verunsicherung für viele."
Die CDU stellt sich Deutschland als "Land der Eigentümer" vor, kann aber nicht glaubhaft machen, wie sie mehr Menschen den Erwerb von Wohneigentum ermöglichen will – aktuell lebt weniger als die Hälfte der Haushalte in selbst genutztem Wohneigentum, nämlich 46,5 Prozent, was der schlechteste Wert in der gesamten EU ist – und das, nachdem die CDU in den letzten zwei Jahrzehnten überwiegend die Kanzlerin gestellt hat.
Zudem ist die Eigentumsquote in Großstädten deutlich schlechter: In Berlin liegt sie bei 15 Prozent. Im Umland werden die Preise erst da spürbar günstiger, wo der Standort kaum noch mit Bus oder Bahn zu erreichen ist.
Wer gehört zu Deutschland – wenn auch nur am Katzentisch?
Wer einem mäßig bezahlten Präsenzjob in der Großstadt nachgeht und nichts erben wird, kann den Traum vom Eigenheim in der Regel vergessen. Er oder sie bleibt dem Mietmarkt ausgeliefert, wie es aktuell die Mehrheit der Haushalte ist. Eingriffe in den Mietmarkt waren der CDU aber immer schon zuwider. Gegen den Berliner Mietendeckel hat ihre Bundestagsfraktion sogar geklagt.
Bei Mieterprotesten in der Hauptstadt wurde ihr deshalb Klassenkampf von oben vorgeworfen. So stellt sich dann auch die Frage, welches "Wir" die CDU überhaupt zugrunde legt, wenn es an anderer Stelle in ihrem Programmentwurf heißt: "Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen" und "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland".
Welches "Wir" entscheidet, wer dazugehört? Wessen Werte? Die der CDU, die der christlichen und besserverdienenden Deutschen – oder die einer "Volksgemeinschaft", in der ärmere und konfessionslose Deutsche zumindest noch am Katzentisch Platz nehmen dürfen?
Hat die CDU bei der AfD "gespickt"?
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, wirft der CDU vor, mit dem Satz am rechten Rand zu fischen. "Spicken bei der AfD war schon in der Schule nicht besonders klug", sagte er dem stern "Im Übrigen wird erfahrungsgemäß der Wähler das Original am Ende wählen."
Spicken? - Es kann natürlich reiner Zufall sein, aber auch die Formulierung "Land der Eigentümer" tauchte schon im Sommer 2022 in einem Antrag der AfD-Bundestagsfraktion auf.
Sie wollte die Immobilienpreise vor allem durch Abstriche beim Umwelt- und Klimaschutz im Baubereich sowie durch die Abschaffung der Grunderwerbssteuer beim erstmaligen Hauskauf reduzieren.
Die CDU will hier "familienfreundliche Freibeträge". Beides dürfte Menschen in unsicheren Arbeitsverhältnissen sowie Mindestlohn-Jobs aber kaum zu Wohneigentum verhelfen.