CDU will jetzt Verbote verbieten
Die Energie- und Klimawochenschau: Von Kurzstreckenflügen, drastischen Veränderungen in der Arktis, kalifornischen Waldbränden, indischen Wirbelstürmen und einer Hungerkrise auf Madagaskar
Viel Lärm hat es letzte Woche – noch bevor die CDU schließlich das Gendersternchen als das alles entscheidende Thema in dieser an Krisen, Kriegen und Katastrophen nicht armen Welt entdeckte – um das Thema Kurzstreckenflüge gegeben. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte es gewagt Kurzstreckenflüge infrage zu stellen, woraus der CDU-Wirtschaftsrat, Vizepräsident ist Friedrich Merz, messerscharf schlussfolgerte, dass nun das Aus für Urlaubsflüge nach Mallorca, Italien und so weiter drohe. Für Merz offenbar alles Inlandsdestinationen.
Dabei hatte Baerbock eigentlich nicht viel mehr gesagt, als dass das Fliegen über kurze Distanzen unattraktiver gemacht werden müsse. Konkret heißt es in ihrem Entwurf für ein Bundestags-Wahlprogramm, über den in knapp drei Wochen ein Parteitag abstimmen wird, lediglich in dürren Worten: "Kurzstreckenflüge wollen wir bis 2030 überflüssig machen, indem wir die Bahn massiv ausbauen. Die Zahl von Langstreckenflügen gilt es zu vermindern und das Fliegen gleichzeitig zu dekarbonisieren." Nichts weiter. Kein Verbot; nicht einmal die Forderung nach einem Ende der massiven Subventionen für Flugbenzin und Flughäfen.
Das Umweltbundesamt nennt in einer im Dezember 2019 veröffentlichten Broschüre Fliegen die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Die Abgase von Flugzeugen machten weltweit etwa 2,5 Prozent aller Emissionen des Treibhausgases CO2 aus. Hinzu kämen noch andere Emissionen, vor allem Wasserdampf sowie Schwefel- und Stickoxide, die den Treibhauseffekt der Abgase noch einmal verdoppeln bis verdreifachen.
Aber Wasserdampf und Stickoxide werden auch von Flugzeugen ausgestoßen, die synthetische Kraftstoffe verbrauchen. Insofern ist also die Grüne Forderung nach Dekarbonisierung des Luftverkehres, was den Einsatz von Wasserstoff oder synthetisierter Kohlenwasserstoffe meint, bestenfalls halbherzig und die wüste Kritik aus den Reihen der Union besonders absurd. Schlechtestes Theater, das - gewollt oder ungewollt - von einer ernsthaften Diskussion über die anstehenden Probleme ablenkt.
Verbotsparteien
Übrigens: Frankreichs Anfang Mai verabschiedetes neues Klimagesetz sieht ein Verbot von Kurzstreckenflügen auf Routen vor, die mit dem Zug in weniger als zweieinhalb Stunden zurückgelegt werden können. Außerdem wurde der Neubau und die Erweiterung von Flughäfen verboten.
Beschlossen wurde das Gesetz von Konservativen und Liberalen, deren hiesige Parteifreunde, derlei für Teufelszeug halten und die einmal mehr versuchen, die Grünen als Verbotspartei zu stigmatisieren, ein Framing, das auch von vielen, den Krawall liebenden Journalisten gerne aufgegriffen wird.
Der Vorwurf ist dazu natürlich noch besonders originell von einer Partei, die unter anderem Cannabis und das Gendersternchen verboten sehen will und die überhaupt kein Problem damit hat, dass Ärzte bestraft werden, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Und er ist ungefähr auf dem Niveau gutbezahlter Schauspieler, die durch die Talkshows tingeln, um vor der Kamera zu verkünden, dass man dieses oder jenes nicht mehr sagen dürfe.
Klimakrise in der Arktis
Der Klimawandel macht derweil keine Pause und ist längst eher ein reißender Fluss als ein plätschernder Bach, sodass eigentlich statt von Wandel eher von einer handfesten Klimakrise gesprochen werden sollte. Besonders offenkundig ist das in der Arktis.
Wir hatten bereits letzte Woche an dieser Stelle darüber geschrieben, dass auf Grönland für einen Teil des Eises und damit den globalen Meeresspiegel ein Punkt ohne Wiederkehr erreicht sein könnte, ein Punkt also, an dem im Westen der Eisinsel ein größerer Teil der Gletscher nicht mehr zu retten sein wird, selbst, wenn sofort alle Treibhausgasemissionen eingestellt würden.
Nun hat am Donnerstag letzter Woche in Islands Hauptstadt Reykjavik, wie berichtet, der Arktische Rat getagt. Bei ihm handelt es sich um ein regelmäßiges Treffen der Anrainer-Länder des hohen Nordens und einiger Beobachterstaaten, auf dem sich auch in diesem Jahr unter anderem über den raschen Wandel in der Region ausgetauscht wurde.
Den Ministern lag dazu ein Update über das sich verändernde Klima der Region vor. Demnach hat sich sowohl über dem Land als auch dem Meer die Luft zwischen 1971 und 2019 dreimal so schnell erwärmt wie im globalen Durchschnitt. Bisher war meist von einer doppelt so schnellen arktischen Erwärmung die Rede.
An den hier aufbereiteten, bis 1950 zurückreichenden Temperaturdaten des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) kann man relativ gut ablesen, dass die Arktis sich vor allem in den letzten 20 Jahren deutlich erwärmt hat und dass heute insbesondere die Monate der kälteren Jahreshälfte zum Teil erheblich wärmer ausfallen.
Das bedeutet zwar noch lange nicht, dass es in der Arktis im Winter nicht mehr friert. Doch wenn der starke Frost ausbleibt oder seltener wird, dann wächst die Eisschicht weniger stark. Das Eis wird von Jahr zu Jahr dünner und kann im Sommer leichter von den Stürmen aufgebrochen und zusammengeschoben werden.
Die rund um die Uhr scheinende Sonne trägt ein Übriges dazu bei, dass inzwischen am Ende des Hochsommers weite Teile des arktischen Meeres eisfrei sind. Im September, wenn das jährliche Eisminimum erreicht wird, fällt dieses mittlerweile 43 Prozent niedriger aus als noch in den 1970er-Jahren, heißt es in dem Bericht an den Arktischen Rat. Das Eis werde außerdem von Jahr zu Jahr dünner.
Mit dem Ergebnis, dass in Alaska und Sibirien heute Sommerstürme mit starkem Seegang auf dem nun zeitweise offenen Meer die Küsten angreifen können, Küsten, die wegen des nun verstärkt auftauenden Bodens leichter als in früheren Jahrzehnten erodieren.
Erdgasversorgung nicht sicher
Für manche Siedlung wird das bereits zur Bedrohung, und langfristig könnte es sogar die Versorgung Deutschlands mit russischem Erdgas infrage stellen. Ein großer Teil des über die Ostseepipelines importierten Energieträgers wird nämlich auf der Jamal-Halbinsel im äußersten Nordwestens Sibiriens gefördert.
Noch ist das dortige flache, tiefliegende Land eine Landschaft ewigen Frosts, deren steinharter Boden im Sommer nur oberflächlich antaut. Doch dieser Permafrost gerät durch die Erwärmung der Arktis mehr und mehr unter Druck. Taut er auf - was schon jetzt nicht mehr auszuschließen ist und mit den weiteren Treibhausgas-Emissionen immer wahrscheinlicher wird - wird sich die Landschaft in einen tiefen Morast verwandeln. Pipelines könnten brechen, weil ihre Lager im Erdboden versinken. Zusätzlich wird die geringe Höhe des Landes es für den steigenden Meeresspiegel und für etwaige sommerliche Sturmfluten zur leichten Beute machen.
Ferne Zukunftsmusik? Der diesjährige Mai ist für den Wandel des hohen Nordens ein besonders anschauliches Beispiel. Während hierzulande die Temperaturen für die Jahreszeit zu kalt sind, ist es über weiten Teilen Osteuropas, Sibiriens, Grönlands und des arktischen Ozeans zu warm – und zwar oft erheblich zur warm, wie diese Darstellung zeigt.
Dürren und Hungerkrisen
Derweil manifestiert sich die Klimakrise an vielen Orten des Planeten. Wir hatten in den letzten Tagen bereits über die wachsende Zahl von Menschen berichtet, die durch extreme Wetterereignisse zu Flüchtlingen werden. Der weitaus überwiegende Teil von ihnen findet bisher in den jeweiligen Heimatstaaten Aufnahme, was natürlich besonders ärmere Länder vor gewaltige Herausforderungen stellen kann.
Spürbar ist die Klimakrise aber auch in den reichen Ländern. Der US-Bundesstaat Kalifornien ist zum Beispiel weiter fest im Griff einer zunehmenden Dürre, schreibt das Magazin Phys.org. Es habe bereits 900 mehr Wald- und Buschbrände als 2020 um diese Zeit gegeben, wobei das vergangene Jahr einen neuen Rekord aufgestellt hatte. Vier Prozent der Landesfläche waren betroffen.
Die Hauptfeuersaison steht mit dem Herbst allerdings noch bevor. Bisher seien 2021 bei 2600 Bränden 62 Quadratkilometer Land zerstört worden. Im vergangenen Jahr wurden hingegen bei über 10.000 Bränden 17.231 Quadratkilometer (annähernd die Fläche Sachsens) vernichtet.
In 94 Prozent Kaliforniens herrschten derzeit Dürrebedingungen, schreibt Phys.org. Der US-Dürremonitor zeigt für den 18. Mai Dürrebedingungen im ganzen Bundesstaat in unterschiedlichen Abstufungen. Die höchste Kategorie herrscht im Südosten. Auch die angrenzenden Bundesstaaten Nevada, Utah, Arizona und New Mexico sind ähnlich stark oder stärker als Kalifornien von Wassermangel betroffen.
Man kann also sicher sein, dass schwere Waldbrände in den USA auch in diesem Jahr wieder ein Nachrichtenthema werden. Nichts hört man in den internationalen Medien hingegen von der anhaltenden schweren Dürre im Süden Madagaskars.
An der geringeren Opferzahl kann es nicht liegen. Seit vielen Wochen warnen die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und das World Food Programme vor erheblichen Ernteausfällen und der sich deshalb abzeichnenden Hungerkrise.
Die südafrikanische Nachrichtenagentur Cajnews nennt es die schlimmste Dürre Madagaskars in 40 Jahren und spricht unter Berufung auf Amnesty International von einer Menschenrechtskrise. Tausende würden Hungern und mehr als eine Million Menschen hätten Schwierigkeiten, genug Nahrungsmittel zu bekommen.
"Yaas" bedroht Indien
Derweil wird das coronagebeutelte Indien, wo täglich bis zu 4.000 Menschen an der Pandemie sterben, erneut von einem schweren Tropensturm bedroht. Diesmal betrifft es den Osten des Landes. Anfang der Woche hat sich über dem Golf von Bengalen "Yaas" (ausgesprochen "Jass") gebildet.
Am heutigen Mittwoch wird er voraussichtlich als besonders schwere Zyklone auf die dicht besiedelte indische Küste südwestlich von Kolkata treffen. Als schwere Zyklone gilt in Indien ein Wirbelsturm, der es auf mittlere Windgeschwindigkeiten zwischen 118 und 165 Kilometer in der Stunde bringt.
Für tropische Wirbelstürme werden je nach Meeresregion unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Taifun, Hurrikan oder Zyklone sind Namen für das gleiche meteorologische Phänomen, nämlich sehr starke Tiefdruckgebiete mit extremen Niederschlägen und ebensolchen Windstärken, die sich über warmen tropischen oder subtropischen Meeren (selten auch über dem Mittelmeer) bilden.
Je nach Zugrichtung können sie zudem erhebliche Sturmfluten verursachen. Über Land und kühlerem Wasser schwächen sie sich meist innerhalb von Tagen schnell ab. Ihre Ausdehnung ist deutlich kleiner als die der aus den gemäßigten Breiten bekannten Tiefs.
Klimaschutz nur Vorwand
Und dann wäre da noch von einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zu berichten, der Polen vorerst den Abbau von Braunkohle im Dreiländereck mit Tschechien und Deutschland untersagt. Prag hatte geklagt, weil es seiner Ansicht nach an einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Tagebau Turów fehle. Der EuGH erließ eine einstweilige Anordnung.
Vor Gericht ist auch die Deutsche Umwelthilfe DUH mal wieder gezogen. Sie mag sich, wie der NDR berichtet, nicht damit abfinden, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern die vom Betreiber der derzeit durch die Ostsee gebauten Nord-Stream-2-Pipeline finanzierte "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" anerkennt.
In einer Presseerklärung spricht die DUH von einer Fake-Stiftung. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihr Energieminister hätten diese lediglich eingerichtet, um "über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb den Weiterbau der Mega-Pipeline Nord Stream 2 zu ermöglichen." Klima- und Umweltschutz dienten der Landesregierung lediglich als Vorwand.
Grüne Autobahnen
Ebenfalls vor Gericht wird über den Fall einer Baumbesetzerin verhandelt, der die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung bei der Räumung des hessischen Dannenröder Waldes im Herbst letzten Jahres vorwirft. Telepolis berichtete mehrfach.
Die Betroffene war an ihren Beinen in 15 Metern Höhe aus einem Baum gezogen worden, schreibt die Rote Hilfe, eine linke Hilfsorganisation für politische Gefangene.
Im hessischen Alsfeld fand am gestrigen Dienstag der Erste von vier Verhandlungstagen statt. Die Beschuldigte sitzt seit dem 26. November in Beugehaft, da sie ihre Identität nicht preisgibt.
Durch den zuvor besetzten Dannenröder Wald wurde im Herbst und Winter eine breite Schneise für den Bau der Autobahn A49 geschlagen. Anwohner und Besetzer haben die verantwortliche schwarz-grüne Landesregierung in Wiesbaden seinerzeit scharf kritisiert und sprachen von einem brutalen Vorgehen der über Wochen eingesetzten Polizei, das mitunter das Leben der Besetzer gefährdete. Mit einem neuen Protestcamp in der Nachbarschaft der Baustelle geht derzeit der Widerstand gegen den Autobahnbau weiter.
Auch die Lebenslaute, ein Orchester, das in wechselnder Zusammensetzung seit gut vier Jahrzehnten bei vielen Protesten gegen Krieg, Faschismus, Rüstungsindustrie, Giftmülldeponien, Atommülltransporten, Tagebaue und ähnlichem aufspielt, war am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude, um mit musikalischen Mitteln gegen die Repression gegen Umweltschützer zu protestieren.
Vielleicht fahren auf dieser schönen neuen Autobahn – wenn der grüne hessische Verkehrsminister sie denn tatsächlich durchsetzen kann – demnächst auch selbststeuernde Pkw. Für Politiker, die Verkehr nur aus der Lenkrad-Perspektive kennen, sind diese ja der letzte Schrei. Was kaum nachvollziehbar ist. Wer nicht selbst fahren will, kann sich doch schließlich in Bahn oder Bus setzen oder auch ein Taxi rufen.
Jedenfalls schreibt die Berliner Zeitung über ein kaum beachtetes, letzte Woche verabschiedetes Gesetz, das den Betrieb autonomer Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen erheblich ausweitet. Der Autor ist ganz aus dem Häuschen, weil damit nach seiner Vorstellung deutsche Unternehmen, die entsprechende Steuerungssysteme anbieten, auf dem weltweiten "Milliardenmarkt" die Nase vorn haben könnten. (Hier ein Bericht über Abstimmung und Debatte auf der Seite des Bundestages.
Schließlich wäre noch, um mit einer versöhnlichen Nachricht zu enden, vom israelischen Umweltschützer Yossi Leshem zu berichten. In der neuesten Ausgabe des populärwissenschaftlichen Magazins Spektrum erzählt er, wie Vogelschutz im Jordantal zur grenzüberschreitenden Verständigung beiträgt. Gemeinsam mit Partnern in Israel, Jordanien und dem israelisch besetzten Westufer des Jordans kümmert er sich um das Wohl von Zugvögeln und hilft moslemischen wie jüdischen Bauern auf Pestizide zu verzichten. Stattdessen werden Greifvögel angesiedelt, die die zuvor mit Gift bekämpften Ratten und Mäuse fangen.
Er habe als Luftwaffenoffizier in diversen Kriegen gekämpft und schließlich verstanden, dass man mit Gewalt nichts erreiche:
Es wird nur Blut vergossen, es werden nur Hunderte von Milliarden Dollar für Kriege verschwendet statt für Forschung, Umweltschutz und Bildung eingesetzt. Die einzige Lösung ist also die Kooperation.
Yossi Leshem, Vogelschützer
Sein jordanischer Partner, General a.D. Mansour Abu Rashid habe 20 Jahre gegen Israel gekämpft, sei zweimal verwundet worden und habe ebenfalls erkannt, "dass Frieden der einzige Weg ist".