CNN à la française

Präsident Chirac erfüllt sich einen Neujahrswunsch: Noch 2005 soll ein internationaler Infosender made in France der BBC und CNN Paroli bieten können

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Des Präsidenten lang gehegter Traum von einer medialen Plattform, welche die Grande Nation in der "internationalen Schlacht der Bilder" würdig vertreten soll, scheint seit Ende Dezember der Verwirklichung einen Schritt näher gerückt zu sein. Knapp vor Weihnachten gewährte das Parlament dem künftigen, bereits auf "CII" (Chaine d'Information Internationale) getauften Infosender 30 Millionen Euro für den Sendestart. Ein relativ mickriges Budget angesichts der hochtrabenden Pläne, welche der Präsident und die Regierung für den Newssender schmieden. Denn für das Staatsoberhaupt ist ist der "französische Blick auf die Welt" mehr denn je "unerlässlich". Pikanterweise scheint diese Dringlichkeit nicht für die Franzosen selbst zu gelten, wird doch die CII in Frankreich nicht ausgestrahlt werden. Die Pressegewerkschaften wetzen bereits ihre Messer.

Doch zuallererst geht es darum, der französischen Nation einen der "BBC World, CNN oder Al-Dschasira" vergleichbaren internationalen medialen Vektor zu verschaffen, dessen bisheriges Fehlen von Chirac und seiner Regierung offenbar als heftiges Manko empfunden wird. Und das "obwohl Frankreich ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrates ist", wie im regierungseigenen Pressedossier zur CII betont wird:

Die Divergenzen zwischen den angelsächsischen Ländern (Großbritannien, USA) und Frankreich anlässlich der jüngsten irakischen Krise sind ein perfektes Beispiel für die Unterschiedlichkeit der Standpunkte, und für das Fehlen eines passenden Kanals, der die französische Stimme im internationalen Konzert der Medien erklingen lassen könnte.

Nun gelte es schnellstens eine Alternative zum "dominierenden angelsächsischen Standpunkt" anzubieten. Eine französische Alternative also, die zunächst Europäer, Afrikaner, und die Bewohner des Mittleren und Nahen Ostens und New Yorks erfreuen soll. Der Big Apple wird freilich wegen des UNO-Hauptquartiers angepeilt. Eine Bühne, die bereits der zu Zeiten des angelsächsischen "French-Bashing" amtierende Außenminister Dominique de Villepin (Im Namen eines alten Europäers), vorzüglich zu nutzen wusste. Während der zweiten Entwicklungsphase gilt es dann, den amerikanischen Kontinent und Asien mit der französischen Sicht der Dinge zu versorgen.

Zunächst aber sollen die im Halbstundentakt vorgesehenen Nachrichten in französischer, englischer und arabischer Sprache gesendet werden. Die Zeiten, in denen die Sprache Molieres dank heftiger kolonialer Betätigung noch von einem verhältnismäßig hohen Anteil der Erdbewohner verstanden wurde, scheinen nun endgültig vorbei. "Nur noch" 5-8 Prozent der Weltbevölkerung seien heutzutage der französischen Sprache mächtig, wie man im Pressedossier fast zu bedauern scheint. Doch vergisst man nicht an selbiger Stelle darauf hinzuweisen, dass CNN-International angeblich zur Zeit an einer französischen Version bastelt, die künftig in allen Ländern der frankophonen Gemeinschaft , und da vor allem den afrikanischen, zu empfangen sein soll.

Das Fernsehen, effizientes Mittel zur Demokratisierung?

Aber auch der für den CII als Sendegebiet vorgesehene arabische Sprachraum verspricht ein heißumkämpftes mediales Territorium zu werden: So beglückt u.a. bereits der amerikanische "Broadcasting Board of Governors" (BBG), eine für Auslandsprogramme zuständige föderale Agentur, den Mittleren und Nahen Osten mit einem laut Eigendefinition demokratiefördernden "Anti-terrorism Broadcasting". Die in arabischer Sprache gesendeten Programme, wie es beispielsweise beim im Mittleren Osten empfangbaren Al Hurra der Fall ist, seien allerdings nicht sofort einwandfrei als amerikanisches Produkt identifizierbar, wird im CII-Pressedossier angemerkt.

Ob nun berechtigte Kritik oder bereits beginnender Konkurrenzkampf, um tatsächlich mit weltweit präsenten Schwergewichten wie der BBC World, die angibt 256 Millionen Haushalte rund um den Erdball zu erreichen , oder CNN International mithalten zu können, wird die französische Regierung wohl ziemlich tief in die Tasche greifen müssen. Höchstwahrscheinlich tiefer als die parlamentarisch vorgesehenen 30 Millionen Euro. Selbst im CII-Pressedossier werden die laufenden jährlichen Kosten noch auf mindestens 70 Millionen Euro geschätzt. Das Außenministerium gibt jetzt schon jährlich 165 Millionen Euro für die über die französischen Grenzen hinweg ausstrahlenden elektronischen Medien aus, wie das nicht informationszentrierte "TV5" oder "Radio France Internationale".

Um die laufenden Kosten möglichst niedrig zu halten, wird der neue Infosender auf die bereits bestehenden Infrastrukturen der öffentlich-rechtlichen und privaten französischen TV-Anstalten zurückgreifen. CII ist als Gemeinschaftsprojekt zwischen dem privaten Marktführer TF1 und der öffentlich-rechtlichen Sendergruppe France Télévisions vorgesehen. Was eine reichlich explosive Mischung zu werden verspricht, sieht man sich die jetzt schon gereizten Reaktionen der Pressegewerkschaften der öffentlichen Fernsehsender an. Das öffentlich-rechtlich-private Projekt sei nichts anderes als eine "Veruntreuung öffentlicher Gelder", da "TF1" nur technische und keine finanziellen Mittel beisteuere. Ganz abgesehen davon, dass CII in Frankreich selbst nicht zu sehen sein wird. TF1 betrachtet den werdenden Nachrichtenkanal als Konkurrenz zum eigenen heimischen Infosender LCI, und legte daher sein Veto ein.

Immerhin kann man damit Coca-Cola verkaufen...

Die zuminderst der Theorie nach so unterschiedlichen Unternehmenskulturen der öffentlich-rechtlichen einerseits und der privaten Fernsehanstalten andererseits, eine Unterschiedlichkeit auf die sich die Pressegewerkschaften gerne berufen, wurde letzten Sommer vom Generaldirektor des TF1, Patrick Le Lay, unfreiwillig auf den Punkt gebracht. Der Mann sorgte für ein aufgebrachtes Rauschen im sommerlichen Blätterwald, als er "Coca-Cola-Verkaufen" zum Job seines Senders erklärte:

Damit eine Werbebotschaft wahrgenommen werden kann, muss das Gehirn des Fernsehzuschauers verfügbar sein. Unsere Sendungen verfolgen das Ziel, es verfügbar zu halten, d.h. es zu unterhalten und zu entspannen, um es zwischen zwei (Werbe-) Botschaften vorzubereiten. Was wir Coca-Cola verkaufen, ist verfügbare Zeit des menschlichen Gehirns.

Ob so viel Ehrlichkeit blieb freilich so manchem aufrechten Vertreter des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags die Spucke weg. Auch wenn nun der "Wolf in den Schafstall" vorgelassen wurde, und da möge man sich die Rollenverteilung aussuchen, 2005 soll und muss das Geburtsjahr des Gemeinschaftsprojektes CII werden, wie Premier Raffarin letzte Woche noch einmal forderte. Realistischere Gemüter vertrösten lieber auf die ersten Monate des kommenden Jahres. Auch wenn die Welt, ginge es nach Raffarin und Chirac, angesichts der tragischen Ereignisse der letzten Zeit mehr denn je der "französischen Sensibilität" bedürfte.