China: Es boomt noch nicht genug

Seite 2: Mehr Atomkraft für China

Auf jeden Fall werden diese beiden Sektoren die Hauptlast der Transformation tragen müssen, denn die anderen erneuerbaren Sektoren – vor allem die Nutzung biogener Abfälle und die Wasserkraft – sind nicht beliebig ausbaubar.

In China wird als weitere Option auf den Ausbau der Atomkraft gesetzt. Nach den Zahlen der Internationalen Atomenergieagentur in Wien liefern Atomkraftwerke in der Volksrepublik derzeit nicht ganz fünf Prozent des Stroms oder 2,4 Prozent des gesamten Energiebedarfs, wie es bei der Internationalen Energieagentur in Paris heißt.

Derzeit laufen in China 50 Atomkraftwerke (AKW), von denen die allermeisten erst im vergangenen Jahrzehnt ans Netz gegangen sind. Zwölf weitere sind im Bau und wenn der neue Plan verabschiedet und erfüllt wird, gehen bis 2025 acht bis zehn weiteren Anlagen ans Netz.

Die gesamte Kapazität der AKW-Flotte soll von derzeit knapp 50 auf 70 Gigawatt erhöht werden. Womit sich das Ausbautempo im Vergleich zum zurückliegenden Jahrzehnt deutlich verlangsamen würde.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass es günstigere Alternativen gibt. Insbesondere Solarstrom ist inzwischen erheblich billiger als Atomstrom, wenn man jeweils neue Anlagen vergleicht. Außerdem sind Solarzellen schneller zu installieren und können, sofern sie dezentral und verbrauchernah installiert werden, auch noch das Netz entlasten.

Umstellung auf Strom

Zur großen Herausforderung dürfte für China wie auch für andere Länder die Umstellung eines großen Teils des Energieverbrauchs auf Strom werden. China ist bereits weltweit führend in der Nutzung der sogenannten Solarthermie für Warmwasser. Vor allem in seinen südlichen Städten sind entsprechende Anlagen auf den Hausdächern ein alltäglicher Anblick.

Ansonsten wird der Wärmebedarf aber meist genauso wie der Energieeinsatz im Transportsektor durch das Verbrennen fossiler Energieträger gedeckt. Bei den Heizungen und in Heizkraftwerken ist es bisher vor allem die Kohle, die aber gerade in einigen Provinzen im großen Stil durch Erdgas ersetzt wird.

Dies ist jedoch genauso wie Kohle und Erdölprodukte nur sehr begrenzt durch erneuerbare Alternativen wie Holz, Abfälle aus der Landwirtschaft oder Biogas ersetzbar. Auch der zurzeit mal wieder hierzulande beworbene Einsatz von synthetischen Kraftstoffen ist wegen der hohen Umwandlungsverluste und im Falle von Biokraftstoffen wegen des hohen Flächenbedarfs keine großskalige Alternative.

Rasch, aber nicht schnell genug

Immerhin boomt in China, wie berichtet, der Ausbau von Wind- und Solarenergie gewaltig. Im ersten Fall kamen 2020 rund 45 und im Letzteren 48 Gigawatt (GW) hinzu. Zum Vergleich: Das ist jeweils fast so viel wie in Deutschland bisher insgesamt installiert wurde.

Um aber Xi Jinpings Ankündigungen gerecht zu werden, müsste das Tempo noch beschleunigt werden. Unter anderem hatte er im vergangenen Jahr auch angekündigt, dass China bis 2025 Solar- und Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.200 Gigawatt haben würde.

Das wäre ein Schritt nach vorn, der aber noch immer nicht recht zu seinem Ziel der Klimaneutralität in 2060 passt. Mit einer solchen Leistung könnte 2025 ein gutes Fünftel des weiterwachsenden chinesischen Strombedarfs gedeckt werden. Vorausgesetzt, dass je etwa die Hälfte der Gesamtleistung von Windrädern und die andere Hälfte Solaranlagen gestellt wird und der Bedarf bis 2025 um drei bis vier Prozent jährlich wächst.

Um die angekündigten 1.200 GW Gesamtleistung bei Solar und Wind bis zur Mitte des Jahrzehnts zu erreichen, müssten in China aber jährlich Windräder mit einer Leistung von 60 GW und Solaranlagen mit zusammen 70 GW ans Netz gehen.

Das würde selbst alle chinesischen Rekorde in den Schatten stellen. Aber die chinesische Wirtschaft war bisher immer für Überraschungen gut und die Ausbauziele für Sonne und Wind wurden in den letzten zehn Jahren regelmäßig übererfüllt.

Genau das wird auch nötig sein. Denn wenn man davon ausgeht, dass eine Windkraftanlage nur 20 und eine Solaranlage bestenfalls 30 Jahre Strom liefert, dann kommt man auch mit diesem enormen Ausbautempo auf "nur" 3.100 GW.

Das ist zwar eine gewaltige elektrische Leistung – die gut dem 14-fachen der gesamten deutschen Kraftwerkskapazitäten entspricht – aber sie wird bei weitem nicht ausreichen, den chinesischen Energiebedarf im Jahre 2060 abzudecken. Dafür wäre – ganz grob geschätzt – das Acht- bis Neunfache notwendig.

Zur Einschätzung, wie realistisch oder unrealistisch ein entsprechender Ausbau der Erneuerbaren ist, hilft gibt ein Vergleich zwischen Deutschland und China Anhaltspunkte: Deutschland hat in Spitzenzeiten über sieben GW im Jahr an Solaranlagen sowie über fünf GW an Windkrafträdern installiert und könnte sicherlich auch noch deutlich mehr leisten – wenn es denn den politischen Willen dazu gäbe.

Chinas arbeitende Bevölkerung ist hingegen rund 20 Mal so zahlreich wie die hiesige, das Land fast so groß wie Europa und die (weiter wachsende) Wirtschaft bereits etwa 3,8 Mal so stark wie die deutsche.