China-Strategie der Bundesregierung: Überheblich und ohne wirtschaftliches Konzept
Die Bundesregierung hat ihr Verhältnis zu China definiert. Chinesische Diplomaten protestieren, deutsche Wirtschaft sieht kein Konzept. Wie Deutschland künftig mit Beijing umgehen will.
Die Bundesregierung hat am Donnerstag ihre Strategie im Umgang mit China vorgestellt. Das Land soll zugleich als Partner und Rivale behandelt werden, wobei die Partnerschaft sich in der Hauptsache darauf beschränkt, globale Probleme wie den Klimawandel anzugehen.
In dem Papier heißt es etwa zur Partnerschaft:
Die Bundesregierung sucht die Zusammenarbeit mit China, insbesondere als unverzichtbarer Akteur für die Lösung zentraler globaler Herausforderungen: China ist der größte CO2-Emittent weltweit. Ohne China wird die Klimakrise nicht zu bewältigen sein; sein Verhalten ist entscheidend für den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Umwelt. Gleichzeitig ist China der größte Produzent erneuerbarer Energien.
Lese-Tipp: Westen: Große Fehler in der China-Politik
Der Glaube an eine "systemische Rivalität" sitzt bei der Bundesregierung dagegen tiefer. In wichtigen Bereichen habe man unterschiedliche Vorstellung über die Prinzipien der internationalen Ordnung, heißt es in dem 61 Seiten starken Papier. Mit Sorge betrachte man, dass China die internationale Ordnung entlang der eigenen Interessen beeinflussen wolle. Und das kollidiere mit den westlichen Vorstellungen einer regelbasierten Weltordnung – was auch immer das sein soll.
Geschäfte sollen weiterlaufen – nur mit Kritik garniert
Dass sich China nicht von Russland distanzierte, hat für die Bundesregierung eine unmittelbare sicherheitspolitische Bedeutung. Das deutsche Außenministerium wirft der Regierung in Beijing auch vor, immer offensiver eine regionale Vormachtstellung zu beanspruchen und dabei völkerrechtliche Grundsätze infrage zu stellen.
Trotz allem wolle sich die Bundesregierung nicht von China abkoppeln, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Twitter. Die neue China-Strategie gebe den Beziehungen zu Beijing lediglich einen neuen Rahmen. "Kritische Themen wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und fairen Wettbewerb sprechen wir dabei immer an."
Deutsche Unternehmen, die in China aktiv sind, müssen die Risiken ihres Engagements künftig viel stärker selbst tragen. Das machte die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock (Grüne), deutlich. Unternehmen sollten "Klumpenrisiken" abbauen, welche nicht nur sie selbst, sondern die gesamte Volkswirtschaft betreffen.
Lese-Tipp: US-Autobauer Tesla bekennt sich in China zu sozialistischen Grundwerten
"Deshalb werden Unternehmen, die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen müssen", erklärte sie laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag in Berlin. Die Verantwortung für riskante unternehmerische Entscheidungen müssten klar bleiben. Entsprechend wurden Investitionsgarantien auf drei Milliarden Euro gedeckelt.
"In guten Zeiten auf die unsichtbare Hand des Marktes vertrauen und in schwierigen Zeiten, in Krisenzeiten nach dem starken Arm des Staates zu verlangen, das wird auf Dauer nicht funktionieren", so Baerbock. Das könne auch eine der stärksten Volkswirtschaften der nicht stemmen. Ob dieses Prinzip auch in der nächsten Banken- oder Energiekrise gelten soll, sagte sie nicht.
Chinesische Diplomaten wittern Einmischung in innere Angelegenheiten
China hat sich indessen verärgert über die deutsche Strategie gezeigt. Laut dpa erklärte die chinesische Botschaft in Berlin, China sei nicht der Verursacher von Problemen, mit denen Deutschland konfrontiert sei.
"China ist Deutschlands Partner in der Bewältigung von Herausforderungen und kein Gegner." Man hoffe zudem, dass die deutsche Seite die Entwicklung Chinas "rational, umfassend und objektiv" betrachte. Ein ideologischer Blick auf das Land verschärfe nur Missverständnisse und schade dem gegenseitigen Vertrauen.
Lese-Tipp: Die EU-Strategie gegen China: Zwischen kolonialem Blick und Hybris
Einige Passagen der neuen China-Strategie werteten die chinesischen Diplomaten als Einmischung in die chinesische Innenpolitik. Dabei handelte es sich um die Abschnitte zu Taiwan, Hongkong, der Situation der Uiguren in der Provinz Xinjiang und zur Frage der Menschenrechte.
Kritik der deutschen Wirtschaft
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärte, das Papier der Bundesregierung habe viele richtige und wichtige Ansätze – doch in einem Punkt überhaupt kein konkretes Konzept: Wie "De-Risking" funktionieren soll.
Dem Papier wird bescheinigt, die Probleme und Risiken im Umgang mit China offen anzusprechen. Es verschiebe aber auch die Prioritäten von Partnerschaft hin zum Konflikt.
Der Tenor ist richtig: Weil sich China unter Xi Jinping verändert hat, müssen wir unser Verhältnis zu dem Land neu kalibrieren. Bisher war Deutschland beim Umgang mit China in einem gewohnten Dreiklang unterwegs: Das Land war Partner, Wettbewerber und Systemrivale zugleich. Jetzt verschiebt die Bundesregierung die Schwerpunkte, weg von der partnerschaftlichen Kooperation und hin zu den beiden stärker konfliktbeladenen Rollen.
Beim "De-Risking", also dem Abbau von wirtschaftlichen Risiken, bleibe das Konzept zu vage. Wirklich kritische Abhängigkeiten müssten erst noch klar identifiziert werden. Auf dieser Basis solle die Bundesregierung ein regelmäßiges Monitoring aufbauen, ob es mit dem Vorhaben auch vorangehe. Bisher sei das nicht der Fall.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.