China kämpft um technologische Souveränität, nicht um Dominanz

Containerschiff CSCL Globe. Foto: CSCL GLOBE, kees torn, CC BY-SA 2.0 Deed

Technologie-Wettlauf mit den USA wird in Beijing nicht als Frage globaler Dominanz diskutiert. China will nachholende Entwicklung. Wovor die Chinesen Angst haben.

Peking will "nicht weniger als die Weltherrschaft", tönt es aus dem deutschen Blätterwald angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Erfolge der Volksrepublik China.

Und auch in politischen Kreisen, die es eigentlich besser wissen müssten, wird dieses Bild sorgfältig gepflegt: "Chinas Weg zur Weltherrschaft", heißt es etwa in den Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung.

In China selbst sorgt man sich derzeit dagegen vor allem darum, dass man in die Falle des mittleren Einkommens (middle income trap) hineingerät, wenn man technologisch den Anschluss verliert. Die Falle des mittleren Einkommens beschreibt eine Situation, in der ein Land, das bereits ein mittleres Einkommensniveau erreicht hat, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit bei standardisierten, arbeitsintensiven Gütern (z.B. Kleidung, Schuhe, Spielzeug, Möbel) verliert.

Gefangen im Hamsterrad?

Die Löhne sind dann bereits vergleichsweise hoch, aber die Produktivität selbst bei Tätigkeiten mit höherer Wertschöpfung zu niedrig, um international bestehen zu können.

Als Beispiele für Länder, die in diese Falle geraten sind, gelten unter anderem Argentinien, Laos, Kolumbien, Nigeria, oder Uruguay. Aber auch europäische Nationen wie Bulgarien, Griechenland, Kroatien und die Slowakei zählen dazu. Als Länder, die dieser Falle entrinnen konnten, gelten die vier asiatischen Tiger Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan sowie Polen.

Gerät ein Land in die Falle des mittleren Einkommens, werden die Folgen als verlangsamtes Wirtschaftswachstum, stagnierende oder sinkende Löhne und eine wachsende Schattenwirtschaft sichtbar. Als "Kern" der Falle mittleren Einkommens sieht die Asiatische Entwicklungsbank eine "unzureichende Entwicklung inländischer Innovationskapazitäten".

Weiter von Importen abhängig

Daher macht es Sinn, wenn chinesische Fachleute diese Gefahr als "Falle der mittleren Technologie" neu gefasst und konkretisiert haben.

Viele meinen denn auch, dass es selbst für eine große Volkswirtschaft wie China sehr schwierig werden würde, ohne technologische Fortschritte eine qualitativ hochwertige wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen.

In einer weithin bekannt gewordenen Einlassung, beklagte etwa Zheng Yongnian, ein Politikwissenschaftler von der Chinesischen Universität Hongkong in Shenzhen, die Volksrepublik liege derzeit nur bei "vier bis sieben" von zehn Punkten in Bezug auf die technologische Entwicklung. Es gelte jedoch, sich auf einen Wert von "acht oder mehr" zu verbessern.

Nur "vier bis sieben" von zehn Punkten?

Nicht alle sehen die Situation so düster und betonen, dass China die USA in einigen Bereichen technologisch bereits überholt hat. Und doch: Selbst da, wo das Reich der Mitte führend ist, wie z. B. bei Elektrofahrzeugen, kann es derzeit bislang nicht auf ausländische Technologie verzichten.

In Kernbereichen der E-Autoherstellung wie Batterien, elektrischen Antriebssystemen und elektronischen Steuerungssystemen hat China zwar weitgehend eigene Lösungen entwickelt. Aber die unverzichtbare Simulationssoftware etwa, die schon vor der Entwicklung des Modells die Erstellung eines digitalen Zwillings ermöglicht, muss noch importiert werden.

Ähnlich beurteilen viele die Situation im Bereich der Künstliche Intelligenz – vor allem, nachdem das Text-zu-Video-System Sora veröffentlicht wurde.

Entwicklung universeller Technologie

Wenn man um diese Debatte weiß, wird auch verständlicher, worum es in den "zwei Sitzungen" des Politischen Konsultativkonferenz des Volkes (CPPCC) und des Nationalen Volkskongresses (NVK) geht, wenn "neue produktive Kräfte" und "qualitatives Wachstum" beschworen werden.

Um beides zu verwirklichen, sollen Technologie, Dienstleistungen und vor allem einheimische Innovationen gefördert werden ‒ speziell technologisches Fachwissen in Bereichen wie zum Beispiel Infrastrukturbau, mobiler Zahlungsverkehr und digitale Wirtschaft. Diese Branchen können aber erst mit der Entwicklung universeller Technologien, wie vor allem der Künstlichen Intelligenz, ihr volles Potential entfalten.

In China ist erstaunlicherweise immer noch umstritten, ob die USA in wichtigen Hightech-Bereichen wirklich Rivale und nicht doch Partner sind. Doch angesichts der harten Linie, die die USA politisch und wirtschaftlich gegenüber der Volksrepublik eingeschlagen haben, mehren sich die warnenden Stimmen.

Peking braucht technologische Unabhängigkeit

So ist Zhou Yu, Professorin am Vassar College in New York und mit Globalisierung und Hightech in China befasst, durchaus der Ansicht, dass die Rivalität weiter zunehmen wird, wenn sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt weiter entkoppeln.

Zhou geht davon aus, dass sich Chinas Hightech-Wachstum in Zukunft in Bereichen wie Internet, grüne Technologien, alternative Energien, Biotechnologie, Materialwissenschaft und -anwendung, Robotik, künstliche Intelligenz und Fertigung manifestieren wird.

Und so kann es auch nicht verwundern, dass Peking seine Anstrengungen bei der Fertigung von Mikrochips von den USA unabhängig zu werden, gerade wieder um umgerechnet 27 Milliarden US-Dollar aufstockt.

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