Computer für die Überwindung der digitalen Kluft
Der indische Simputer und der brasilianische Volkscomputer sollen armen Menschen den Zugang zum Internet eröffnen
Wenn sich die Regierungschefs der G8-Staaten in Genua treffen, wird es auch wieder um die Überwindung der digitalen Kluft gehen. Tatsächlich gibt es hier noch ein gewaltiges Gefälle. In London alleine gibt es mehr Internetaccounts als in ganz Afrika. Noch immer leben mehr als drei Viertel der Internetnutzer in den reichen OECD-Ländern. Hier haben 28 Prozent der Menschen einen Internetzugang, in Osteuropa und den CIS-Ländern 3,9 Prozent, in Lateinamerika 3,2 Prozent, in den arabischen Staaten 0,6, im südlichen Afrika sowie in Südasien jeweils 0,4 Prozent. In Indien, wo auch nur 0,4 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zum Internet haben, versuchen Wissenschaftler durch einen einfachen, tragbaren und billigen Computer einen Beitrag zur Überwindung der digitalen Kluft zu leisten.
Den Prototyp haben die Wissenschaftler und Techniker aus Unternehmen schon entwickelt, deren Initiative aus der Bangalore Declaration im Jahr 1998 hervorgegangen ist. Jetzt fehlt noch ein Geldgeber bzw. eine Firma, um den Simputer massenweise in Lizenz möglichst billig herzustellen und auf den Markt zu bringen. Vermutlich aber werden die G8-Staaten an solchen Entwicklungen kein großes Interesse haben, denn die Förderung der Entwicklungsländer soll gleichzeitig auch den eigenen Interessen, also der eigenen Wirtschaft dienen.
Natürlich gibt es nicht nur eine digitale Kluft in der Welt, wie man gelegentlich glauben könnte. Nach dem Human Development Report 2001 der UN haben 70 Prozent der Menschen auf der Erde keinen Zugang zu sauberem Wasser. 800 Millionen Menschen sind unterernährt. 1,2 Milliarden Menschen müssen täglich mit weniger als einem Dollar, 2,8 Milliarden mit weniger als zwei Dollar auskommen. In den ärmsten Ländern haben die meisten Menschen keine Elektrizität und natürlich auch kein Telefon. Sich einen Computer zu kaufen, ist mit 30 oder 60 Dollar im Monat schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Auch im ländlichen Indien bewegt sich das Durchschnittseinkommen um die 30 Dollar. Zudem würde den meisten armen Menschen ein normaler Computer auch gar nichts nutzen, denn viele sind Analphabeten. Weltweit sind 850 Millionen Erwachsene Analphabeten, den Großteil stellen die Frauen. In Indien kann etwa die Hälfte der einen Milliarde Menschen nicht lesen und schreiben.
Der Simputer soll gerade den Analphabeten helfen, einen Zugang zum Internet zu finden. Kernstück des tragbaren Computers, der an einen Palm erinnert und mit 32 MB RAM und Linux ausgestattet ist, wird allerdings die Software sein. Entwickelt wurde eigens für den Simputer die Information Markup Language (IML) oder auch die Illiterate Markup Language entwickelt, die auf XML basiert. Damit kann Text übersetzt und über Sprachwiedergabe in den indischen Sprachen Hindi, Kannada und Tamil ausgegeben werden, so dass auch Analphabeten die auf Webseiten befindlichen Informationen hören und verstehen können.
Die Texteingabe ist allerdings schon schwieriger. Entweder kann man Text über einen Touchscreen eingeben oder mit dem Programm Tap-to-Tap, mit dem man gleichfalls einzelne Buchstaben drücken kann. Möglich ist auch der Anschluss einer Tastatur über den USB-Eingang, allerdings sagen die Entwickler, dass das Gerät nicht wirklich für das Scheiben gedacht ist, sondern die Benutzer vornehmlich in die Lage versetzen soll, die für sie wichtigen Informationen zu erhalten. Die gesamte, für den Simputer entwickelte Software steht unter der SGPL-Lizenz und kann kostenlos von der Website herunter geladen werden. Das Konzept basiert darauf, dass Hard- und Software eine Plattform darstellen sollen, die für alle Zwecke weiter entwickelt werden kann.
Kosten soll der Simputer, der durch drei Batterien mit Strom versorgt wird, um die 450 Mark. Das ist, wie die Entwickler selber wissen, weitaus mehr, als sich die meisten Menschen leisten können. Gedacht ist auch gar nicht, dass sich Einzelpersonen das Gerät kaufen, sondern dass beispielsweise ein Dorf, eine Schule, eine Gruppe oder auch ein Ladenbesitzer einen Simputer erwirbt und diesen dann verleiht. Dafür hat das Gerät eine besondere Möglichkeit: jeder Benutzer schiebt eine Chipkarte ein, wodurch der Computer personalisiert werden kann, da hier die Einstellungen der Programme und die persönlichen Daten gespeichert sind, mit denen man sich auf den Server einloggen kann.
Ein ähnliches Projekt gibt es auch in Brasilien. Von den 170 Millionen Einwohnern haben nur etwa zwei Millionen einen Internetzugang. Von der Universität von Minas Geiras wird im Auftrag des Staats ein Volkscomputer (Computador Popular) entwickelt, der ungefähr 600 Mark kosten soll und nur mit dem Notwendigsten für das Internet ausgestattet ist: ein 500 Mhz-Prozessor mit einem Hauptspeicher von 64 MB und 16 MB auf einem Chip, der als Festplatte dient. Dazu ein 56kbps-Modem, einen Farbmonitor, Lautsprecher, eine Maus, Linux als Betriebssystem und einen installierten Browser. Anschließbar sollen auf Wunsch ein Drucker oder ein Diskettenlaufwerk sein. Die dahinter stehende Idee war, einen PC schlicht auf das Notwendigste abzuspecken.
Ein Prototyp war bereits im Februar fertig. Gedacht ist der Volkscomputer für Schulen oder für Menschen, die wenig verdienen. Das Problem freilich ist, dass es oft nicht nur keine Telefonverbindungen gibt und die Online-Kosten für die meisten Menschen auch zu hoch wären, sondern dass bislang auch kein Unternehmen gefunden worden ist, das ihn für den erwünschten Preis herstellen würde. Die Regierung hat daher mit einer Ausschreibung begonnen. Die Banco Nacional do Desenvolvimento Econômico e Social (BNDES) wird für die Herstellung einen Kredit gewähren, während andere Banken interessierten Käufern günstige Kredite zum Kauf anbieten wollen. Neben dem abgespeckten Internet-Volkscomputer soll von einem Computerhersteller, wie die Regierung wünscht, ein erweiterter billiger Rechner produziert werden, der ebenfalls auf freier Software läuft, aber besser ausbaubar ist.