Copyright-Richtlinie überdenken!

Die Internet Society warnt die EU vor negativen Folgen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Internet Society fürchtet, daß sich die geplanten Verschärfungen des Urheberrechts in Europa für das Internet und die Verbraucher katastrophal auswirken könnten und sich die EU selbst ins Bein schießt

"Das Internet braucht keine Gesetze, die seine Leistung drücken, seine Arterien verstopfen und seinen Wert für die Nutzer schmälern", sagt Don Heath, Präsident und Geschäftsführer der Internet Society. Ein solches Gesetz sieht Heath aber gerade in der Überarbeitung des Copyright durch die Europäische Union am Entstehen: In der zweiten Februarwoche hatte das Europäische Parlament in der Ersten Lesung der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft eine Reihe von gravierenden Änderungen gutgeheißen, mit denen die Ausnahmeregeln für die Erlaubnis von Kopien urheberrechtlich geschützter Werke (Fair-Use-Prinzipien) deutlich beschnitten würden. Was der ISOC besonders die Haare zu Berge stehen läßt: auch Zwischenkopien von Webseiten in den Cache-Servern europäischer Internetprovider sollen unterbunden werden.

Die ISOC geht davon aus, daß die täglich übers Internet transportierten Inhalte weltweit bis zu einem Drittel die gleichen sind: Surfer besuchen immer wieder dieselben Nachrichtendienste, nutzen dieselben Einstiegsseiten oder suchen in Searchengines nach den ewig gleichen, schlüpfrigen Dingen. So werden innerhalb weniger Minuten oft exakte Kopien von Webinhalten abgefragt. Viele Internetprovider speichern deswegen bekanntermaßen begehrte Webseiten in Cache-Servern in ihren lokalen Netzwerken, so daß sie diese Inhalte schnell und wiederholt an die Nutzer ihrer Dienste weiterleiten können. Dadurch wird das World Wide Wait im Web für viele Surfer gemildert und das Internet insgesamt entlastet. Im Prinzip profitieren alle Seiten von diesem Caching: die Provider und ihre Kunden sparen sich Übertragungskosten, dem Internet bleibt der bereits oftmals prophezeite große Zusammenbruch erspart und die Kosten für seine Nutzung halten sich in Grenzen.

Die Mehrheit der Europa-Abgeordneten sieht - nach langem und hartnäckigen Lobbying (Copyright: Hitzige Debatten und Lobbygedränge) der Musik- und Softwareindustrie - durch die Zwischenkopien allerdings die Urheberrechte in Gefahr. Letztlich läßt sich, so die Verfechter des Verbots der umstrittenen Kopien, kaum kontrollieren, was für wie lange in den Caches der Provider "zwischen"-gespeichert und vor allem von dort aus von wie vielen Nutzern wie oft abgerufen wird. Dadurch werden etablierte Vergütungsmodelle in Frage gestellt oder sogar Einzelverkäufe von urheberrechtlich geschützten digitalen Werken behindert. Die ISOC weist dagegen darauf hin, daß das normale im Web eingesetzte HyperText Transport Protocol (HTTP) bereits klar definierte Vorkehrungen kennt, mit denen die Besitzer von Urheberrechten - falls gewünscht - die Speicherung "ihrer" Inhalte in Cache-Servern verhindern können. Technischen Lösungen sei gerade in einer elektronischen Welt, für die angemessene Mechanismen im Umgang mit dem Copyright gerade erst entwickelt würden, rigiden und im schlimmsten Fall zerstörerischen Gesetzesmaßnahmen vorzuziehen.

Die ISOC fordert das Europäische Parlament daher auf, ihr getroffenes Votum bis zu der noch nicht terminierten Zweiten Lesung der Richtlinie zu überdenken. Das Internet mit seinen digitalen Publikationsmöglichkeiten stelle zwar eine Herausforderung an die Inhaber intellektuellen und künstlerischen Eigentums dar. Die Copyrightbedenken müßten aber in einer sorgfältigen Weise angegangen werden, die keine Barrieren für den digitalen Handel mit Ideen, Informationen, Inhalten und Entertainment aufbauten. Künstliche und einschränkende Regeln wie ein Verbot des Web-Caching seien dagegen kein geeignetes Verfahrensmittel - zumal, wenn sie das Kernproblem des intellektuellen Eigentums aus dem Blick verloren hätten.

Letztlich fürchtet die ISOC sogar, daß der Schuß nach hinten losgehen wird und Europa trotz aller Bemühungen, in der Informationsökonomie eine wichtigere Rolle einzunehmen und den Rückstand gegenüber den USA im Internetbereich aufzuholen, weiter zurückfallen könnte: Wer gerade die Technologien behindere, die den Wandel vorantreiben und ermöglichen, schade allen Europäern. Tatsächlich könnte die Weitergabe der vermutlich durch das Cache-Verbot steigenden Providerkosten an die Verbraucher das "Internetfieber" in Europa deutlich bremsen - wo doch die zusätzlich zu den eigentlichen Internetgebühren anfallenden saftigen Telefonkosten bereits die Lust am Surfen deutlich drosseln.