Corona: Gericht erzwingt Neuwahlen in Katalonien am Pandemie-Höhepunkt
Fast alle Parteien hatten sich auf eine Verschiebung geeinigt; die spanische Sozialdemokratie hofft auf gute Ergebnisse. Die Intensivstationen sind am Limit
Die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) hatten sich gegen die Verschiebung der katalanischen Parlamentswahlen am 14. Februar gestemmt. Durch ihnen nahestehende Parteien - die nicht im Parlament vertreten sind - und Personen hatten sie gegen den Beschluss der katalanischen Regierung Einspruch eingelegt.
Der Oberste Gerichtshof hat nun am vergangenen Freitag definitiv beschlossen, am ursprünglichen Wahltermin festzuhalten. Es solle "keine weitere Ungewissheit erzeugt werden", erklärte der Gerichtshof. Die genaue Urteilsbegründung soll erst am Montag veröffentlicht werden.
Von der antikapitalistischen CUP bis zur rechten spanischen Volkspartei (PP) hatte man sich - mit Ausnahme der PSOE - auf die Verschiebung der Wahlen in Katalonien auf den 30. Mai geeinigt, um der angelaufenen Impfkampagne eine Chance zu geben.
Die PSOE, die ihren nun gerade zurückgetretenen spanischen Gesundheitsminister Salvador Illa ins Rennen in Katalonien schickt, erhofft sich für ihn ein gutes Ergebnis, angeblich sogar den Sieg. Dabei deuten Umfragen darauf hin, dass Illa keine Siegchance hat, die Unabhängigkeitsparteien dagegen mehr als 50% der Stimmen erhalten sollen. Gewinnaussichten haben demnach die Republikanische Linke (ERC) vor der Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) des Exilpräsidenten Carles Puigdemont.
Dass die PSOE aus parteitaktischen Gründen handelt, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, dass die Partei mit der Verschiebung der Wahlen im Baskenland und Galicien auf den 12. Juli 2020 keine Probleme hatte. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Wahlbeteiligung im Baskenland auf das Rekordtief von knapp 51 % gesunken war.
Dritte Corona-Welle in Katalonien: Intensivstationen am Limit
Viele halten es für falsch, nun in einer Situation zu wählen, in der die dritte Corona-Welle auch Katalonien fest im Griff hat. Die 14-Tage-Inzidenz war zwar gegenüber Freitag am gestrigen Samstag leicht gesunken, doch mit 612 war sie weiter enorm hoch. Insgesamt wurden inzwischen eine halbe Million Infektionen registriert, mehr als 19.000 Menschen sind allein in Katalonien am Virus gestorben.
Die Intensivstationen befinden sich am Limit, wo am Samstag 723 Menschen gegen das Virus um ihr Leben kämpfen. Die Entscheidung des Gerichtshofs fiel, als sich Katalonien auf der Spitze der Pandemie in der dritten Welle befand.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich auch die aggressivere britische Mutation in Katalonien breitmacht, die nach Ansicht von Virologen im März bestimmend sein dürfte. Die Wahlen, so wird befürchtet, könnten zur Verbreitung beitragen. Schon jetzt haben sich mehr als 1.000 Wahlhelfer an den Ombudsmann gewendet. Sie wollen nicht ihre Gesundheit in Wahllokalen im Februar aufs Spiel setzen. Rafael Ribó soll sich für ihr "Recht auf Gesundheit" einsetzen.
Nicht nur bei Bürgern, sondern vor allem bei Medizinern und Virologen sind die Wahlen im Februar sehr umstritten. "Eigentlich sind sich alle einig, dass Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht abgehalten werden sollten", stellt zum Beispiel auch die Wiener Zeitung fest. Sie zitiert den Vorsitzenden der Ärztekammer von Barcelona. Jaume Padrós fragt sich, wie man in der derzeitigen Lage 5,5 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmenabgabe auffordern kann.
"Keine Schlangen vor den Wahllokalen!"
Die katalanische Regierung will nun Schlangen an Wahllokalen verhindern. Deshalb können die Katalanen nun ihre Wahlunterlagen über das Internet anfordern. Der Stimmzettel kann dann ausgefüllt wieder dem Postboten ausgehändigt werden. Die Regierung hat von Madrid gefordert, die Organisation rechtzeitig an die zu erwartende erhöhte Anzahl von Briefwählern anzupassen. Allen Bürgern soll die Ausübung des Wahlrechts garantiert werden, insbesondere denen, die sich aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in Wahllokale begeben können.
Dass man Wahlen auch in einer Pandemie sicher abhalten kann, hat Portugal am vergangenen Sonntag eindrücklich gezeigt. Dass sie sicher waren, konnte Telepolis vor Ort feststellen und wurde auch von den Teilnehmern bestätigt. Einwendungen gab es bei den Präsidentschaftswahlen nicht. Die Beteiligung blieb zwar mit gut 40 % noch einmal 10 Punkte niedriger als 2016, sie war aber hoch genug, um befürchtete Überraschungen zu verhindern.