Corona- und Klimakrise: Von Nachhaltigkeit keine Spur
Seite 2: Morddrohungen gegen Wissenschaftler
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Interessant war letzte Woche wie schon in den letzten Monaten zu sehen, wie die sich dem rationalen Argument verweigernden Muster in der Auseinandersetzung um die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie jenen im Umgang mit der Klimakrise ähneln.
Zum Teil sind es sogar die gleichen Menschen, die Wissenschaftler mit Verleumdungen überziehen, weil sie sachlich nichts aufzubieten haben.
Auch im Falle der Virologen und Epidemiologen geht es jetzt bis hin zu Morddrohungen. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Charité in Berlin und bekannt geworden unter anderem durch seine regelmäßigen Gespräche mit Journalisten des NDR, in denen er das Virus, die Pandemie und seine Bekämpfung erklärt, berichtet gegenüber der britischen Zeitung The Guardian von Morddrohungen, die er erhalten und an die Polizei weitergegeben habe.
Drosten ist für manchem zum Hassobjekt geworden, weil er eindringlich davor warnt, die Kontaktbeschränkungen schon jetzt zu lockern. Er hält dies für verfrüht und befürchtet eine zweite, womöglich noch heftigere Infektionswelle.
Ganz so übrigens, wie auch die in den Instituten der Helmholtz-Gesellschaft arbeitenden Epidemiologen, die am Ostermontag in einer wenig beachteten Stellungnahme auf verschiedene durchgerechnete Szenarien verwiesen und vor einer zu frühen Aufhebung der Beschränkungen gewarnt hatten.
Anti-Kohle-Demo verboten
Solche Stimmen werden aber zunehmend von jenen übertönt, die mal aus Angst um die Grundrechte, öfter aber im Interesse der Wirtschaft schnelle Lockerungen fordern. Dass Letzteres in der politischen Praxis eher eine Rolle spielt, ist unter anderem daran zu sehen, dass zwar Shopping Malls und Schulen wiedereröffnet werden, Spielplätze aber geschlossen bleiben und Demonstrationen weiter zum Teil unter dem Vorwand der Pandemie-Bekämpfung verboten werden.
So etwa am vergangenen Wochenende ein Fahrradkorso in Berlin für den Schutz der Flüchtlinge in den katastrophal überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln oder eine für den 30. April im Rheinland geplante Menschenkette gegen die fortgesetzte Zerstörung von Dörfern für den Braunkohletagebau.
Dabei sollte diese mit großem Abstand, Mundschutz und explizit auf 50 Teilnehmer begrenzt durchgeführt werden. Die Organisatoren des Bündnis "Alle Dörfer bleiben" haben gegen den Verbotsbescheid der Verwaltung inzwischen Klage eingereicht.
Klimaschutz als billige Ausrede
Zu den Politikern, die im Interesse der Wirtschaft und der Staatsfinanzen eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen forderten, gehörte am Wochenende auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Er führte dafür im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel am Sonntag ausgerechnet den Klimaschutz ins Feld.
Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt, all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun. Hoffentlich werden uns nicht wieder nur Abwrackprämien einfallen, die es der Industrie ermöglichen, weiter zu machen wie bisher.
Wolfgang Schäuble, Bundestagspräsident
Zur Zeit der Abwrackprämie war Schäuble Bundesinnenminister und dadurch an dem entsprechenden Kabinettsbeschluss beteiligt. Zu der Zeit ist er wie auch sonst in den immerhin rund 20 Jahren, in denen er erst unter Helmut Kohl und später unter Angela Merkel Ministerämter bekleidet hat, nicht als Umwelt- oder gar Klimaschützer aufgefallen. Auch nicht in seinem Intermezzo als CDU-Vorsitzender oder in den neun Jahren als Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.