Cyborgs an den Start!

Die Luft über der Wüste brennt. Zeit für die Winter-Robolympics

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Höher! Schneller! Weiter! Schwerer gepanzert! Übelriechender! Hinterhältiger! Gieriger! Bei den 25. Winter-Robolympics sind nicht nur die Mitglieder des ausrichtenden Komitees geschmiert, sondern auch die beweglichen Bauteile der Neo-Athleten.

Hans "Bubi" Gerstlmaier aus dem bayerischen Dead im Winkl, Hoffnungsträger der deutschen CyBiathlon-Mannschaft, schlägt seine Stahlklauen zusammen, dass die Funken sprühen. Bubi, die handpolierte Mehrschichtlackierung seines voll modifizierten Hardbodys flammt im Licht der automatischen Kameras, hat seine Erfahrungen am Sniper-Gewehr in seiner Eigenschaft als Scharfschützen-Captain bei der 128. Division der Europäischen Territorialverteidigungskräfte, befestigter Grenzabschnitt T7345.87b, gesammelt und mit 14 gelben, 123 braunen und 98 schwarzen Kills eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dabei ist Bubis Gehirn immerhin noch zu 12 Prozent menschlich!

Noch 10 Prozent mehr menschliche Ursprungsmasse im Körper, und Bubi hätte in der beliebten Klasse der bionischen Amateure mitspielen können. Die bionischen Amateure sind meist noch überwiegend menschlich, aber selbstverständlich langweiliger als die schweren Droiden oder die Bantam-Bots; ihre Körper sind nur leicht verändert und das nur durch die Einnahme diverser nach Erdbeere schmeckender Doping-Substanzen, die von injizierten Depots permanent in ihren Blutkreislauf abgegeben werden. Äußerlich fallen die bionischen Amateure nur durch die subkutan installierten und bei Nacht leuchtenden Logos der Sponsoren-Konglomerate auf.

Hansi Hundskugeleder, im wahren Leben krachlederner Staatssekretariatsbot beim bayerischen Staatsregierungszentralkomitee, hat sich neue Nyke-Beine einbauen lassen, das Nyke-Logo strahlt stolz auf seiner Stirn. Seine Arme sind von den Bayerischen Gliedmassenwerken (Bavarian Body Parts) und mit so starken Servos ausgestattet, dass Hundskugeleder es sich nicht nehmen lässt, jeden Tag damit bis zur 48. Etage des Zentralkommiteegebäudes an dessen Aussenfassade hochzukraxeln. "Des is zünftig" gurgelt der modifizierte Münchner mit modischer Vocoder-Stimme. Ja! Die 80er sind wieder "in", Giorgio Moroder ist wieder ein Begriff.

Gut sieht es aus für die deutsche Sandhockeymannschaft, die bereits den ersten Preis in der Disziplin "Formationsmarschieren" gewonnen hat. Ihr Kapitän, Schorsch Gumpnbrunner aus Wolfratzhausen, bekam von seinen Sponsoren ganze 8 Kilobyte RAM für sein Interview-Sprachmodul spendiert. Jetzt kann er ausser "Jo", "Naa", "Servus", "Varrecka soist!" und "Danke!" endlich auch "Coka trinken!" sagen und das Ganze in astreiner C64-Simons-Basic-Mundart! Man merkt es dem acht Meter hohen und mehrere Tonnen schweren Gumpnbrunner Schorsch in seiner Bodenständigkeit gar nicht an, dass er noch bis vor kurzem für die Uneingeschränkt Solidarische Allianz für Frieden, Unilateralismus, Cäsarenwahn und Kanonenbootpolitik durch die Sümpfe des Okawango-Deltas gewatet ist und mit seinen Nussknackerklauen aus gehärtetem Stahl die Gliedmassen aufmümpfiger Terroristen...

Ui! Da kommen die Skispringer! Allen voran der austro-imperiale Megachamp Jörg Raider, der aus marketingtechnischen Gründen den Mädchennamen der ihn sponsernden Schokoriegelfirma angenommen hat und sich aus lauter Dankbarkeit auch gleich mit einem permanenten Überzug aus hellbrauner (leckeres Karamel) und dunkelbrauner (knackige Schokolade) Sosse übergiessen hatte lassen. Entgegen seiner früheren Aussagen zur Kernkraft, die er unter mehrfach notariell beglaubigten Entschuldigungen wieder zurücknehmen hatte müssen, ist Raider diesmal mit bordeigenem Atomreaktor unterwegs. Den wird er auch brauchen, denn diesmal ist sicher, dass die von der Cape-Kennedy-Rampe startenden Skispringer bei ihren Rekordversuchen die Erdanziehungskraft endgültig verlassen und für Jahrmillionen in der luftleeren Kälte des Raums ihrem sicheren Ende in der glühenden Fusionsreaktorenhölle unserer Sonne entgegentrudeln werden, wo sie dann mit einem leichten "Puff" in einer zufällig vorbeischlendernden Protuberanz verdampfen...

Ui! Da kommen auch schon die Langläufer, allerdings nur die in der Dieselklasse - und ohne Partikelfilter! Gefolgt von den modifizierten Stammzellen... leider nur im Elektronenmikroskop sichtbar, liebe TV-Sportfans... Wer macht diesmal das Rennen? Die amerikanische Linie? Aber nein! Die Israelis sind diesmal gut im Geschäft, die israelischen Stammzellen sind schneller, schaut nur, wie sie sich freuen, die Kleinen, hinter der Ziellinie... Aber auch hier bei den jüngsten Teilnehmern herrscht Fairness, man klopft sich auf die Zellmembran, tauscht höflich Mitochondrien aus und verteilt DNS-Kopien als Autogramme an die begeisterten Bakterien- und Viren-Groupies. Ja, bei den Stammzellen, da herrscht noch echter Esprit de Corps, auch wenn sie morgen weggeschmissen werden, weil sie ihr Verfallsdatum überschritten haben.

Und das war's auch schon von den Robolympics im noch nicht radioaktiv verseuchten Teil der Sahel-Wüste. Während ich und meine Kameracrew uns verdrücken, treffen sich die bei den Wettkämpfen abgelebten und nanotechnisch rekonstruierten Athleten noch zum Après-Mort im nächsten Skibunker und schunkeln ordentlich zu den heissen Rhythmen vom Anton aus Kabul. Soll nochmal einer sagen, Lederhosen passen nicht zu Chrom-Vanadium!