Dänen verzögern Nord Stream 2 weiter

Bild: Pjotr Mahhonin. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Ukrainischer Präsident Selenskij begründet Kritik an EU im Trump-Telefonat auch mit der Gaspipeline

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Ein Sprecher des Nord-Stream-2-Konsortiums beklagte sich gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) über eine "Hinhaltetaktik" der dänischen Energieverwaltungsbehörde Energistyrelsen. Die hat zwei Routenvorschläge für die Gaspipeline bislang noch nicht genehmigt, was sie mit Umweltverträglichkeitsprüfungen und Untersuchungen des Meeresbodens begründet. Wann diese abgeschlossen seien, könne sie "derzeit nicht abschätzen".

Die beiden Routen waren nicht die erste Wahl des Konsortiums, sondern Alternativen, die es einreichte, nachdem die damalige dänische Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen (dessen Venstre-Partei im Europaparlament zu den Liberalmacronisten gehört) über die erste angefragte Route zwei Jahren lang nicht entschied, was sie mit der "geopolitischen" und der "europäischen" Bedeutung des Vorhabens begründete (vgl. Nord Stream 2 macht Umweg, um rechtzeitig anzukommen).

"Zusätzliche Kosten von mehreren hundert Millionen Euro"

Die beiden Alternativrouten, die man danach anbot, berühren die dänischen Hoheitsgewässer südlich der Insel Bornholm nicht (vgl. Nord Stream 2: Alternativroute soll dänisches Hinauszögern verhindern). Deshalb ist für diese Routen keine "Empfehlung" des dänischen Außenministers nötig. Einwände kann hier nur die dänische Energistyrelsen erheben, wenn sie glaubhaft machen kann, dass beide neuen Streckenführungen entweder den Schiffsverkehr oder die Umwelt in den Meererswirtschaftszonen gefährden.

Die weitere Verzögerung durch Dänemark könnte den Informationen des NDR nach "zusätzliche Kosten von mehreren hundert Millionen Euro zur Folge haben". In der Vergangenheit hatte das Konsortium stets verlautbart, Verzögerungen seien bereits eingepreist und würden deshalb die Gesamtsumme nicht erhöhen.

Noch höhere Kosten entstehen möglicherweise dann, wenn die Pipeline nicht wie geplant zum Jahresende 2019 fertig wird. Steht diese Alternativkapazität nicht zur Verfügung, könnte die Ukraine (durch deren alte sowjetische Druschba-Leitungen bislang ein Großteil des russischen Erdgases für die EU-Länder strömt) bei den Verhandlungen über einen neuen Transitvertrag und dessen Gebühren und Bedingungen nämlich Druck ausüben. Der für den Transit zuständige ukrainische Staatsbetrieb Naftogas hoffte deshalb in der Vergangenheit ganz offen, dass sich die Fertigstellung von Nord Stream 2 "verlangsamt, wenn eine Genehmigung Kopenhagens ausbleibt".

"Eine der Hauptbedrohungen für unsere Energiesicherheit"

Die USA (die keinen Vorteil von Nord Stream 2 haben, sondern eigenes Flüssigerdgas absetzen wollen), geben sich in dieser Frage als Verbündeter der Ukraine, was auch in dem am Mittwoch veröffentlichten Verlaufsprotokoll eines Telefonats zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj durchscheint. Trump meinte in diesem Gespräch, die amerikanische Staatsführung mache mehr für die Ukraine als die Staats- und Regierungschefs der EU, wobei er vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte. Selenskij stimmte dem zu und beklagte sich dazu noch über den französischen Staatschef Emmanuel Macron und eine seiner Ansicht nach mangelhafte Durchsetzung der Russlandsanktionen durch die EU.

Jean-Claude Junckers Mann für die Ukraine gab daraufhin ein pikiertes Statement ab, in dem er vorrechnete, dass sich die EU selbst ohne Berücksichtigung der "Unterstützungen durch die Europäische Investitionsbank EIB […] mit umgerechnet elf Milliarden Dollar an Zuschüssen und Krediten engagier[e]", während die USA jedes Jahr nur für Geschäfte im Umfang von einer Milliarde Dollar bürgen würden. Zudem sei "der Export der Ukraine in die europäische Union" durch ein Freihandelsabkommen um 30 Prozent gestiegen, was er für eine "dramatische" Zunahme hält.

Selenskyj meinte danach, er stehe zwar zu "jedem Wort", dass er in seinem Telefonat mit Donald Trump sagte, sei aber auch dankbar für die Unterstützung aus der EU. Außerdem habe das Telefonat in einer für die Ukraine "schwierigen" Zeit stattgefunden. In diesem Zusammenhang nannte er neben der Wiederaufnahme Russlands in die Parlamentarische Versammlung des Europarates auch einen seiner Ansicht nach unzureichenden Sanktionsdruck mit Bezug auf Nord Stream 2. Hier hätten ihm europäische Staats- und Regierungschefs kurz vorher gesagt, diese Angelegenheiten seien bereits erledigt. Er halte Nord Stream 2 jedoch für "eine der Hauptbedrohungen für unsere Energiesicherheit".

Urteil gegen Kapazitätsauslastung

Außer über die Verzögerung durch die Energistyrelsen dürfte sich Selenskij deshalb auch über ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) gefreut haben, das am 10. September eine Entscheidung der EU-Kommission von 2016 aufhob, die es Gazprom erlaubte, die Kapazität der OPAL-Erdgasleitung zu 100 Prozent auszuschöpfen (Az: T-883/16). Diese OPAL-Erdgasleitung transportiert russisches Erdgas aus der bereits bestehenden und in Deutschland anlandenden Unterwasserpipeline Nord Stream 1 nach Tschechien. Vor der Entscheidung der EU-Kommission mussten 50 Prozent ihrer Kapazität für theoretische andere Anbieter reserviert werden, auch wenn es diese praktisch gar nicht gibt.

Der polnische Energieminister Krzysztof Tchórzewski lobte das vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anfechtbare Urteil als "Außerkraftsetzung des Gazprom-Monopols". Das sei vor allem "angesichts des bevorstehenden Endes des Vertrages über den Transit von russischem Gas durch die Ukraine von großer Bedeutung". "Zieht man in Betracht", so Tchórzewski, "dass die Möglichkeiten zur Nutzung der OPAL-Pipeline eingeschränkt sind", werde "Gazprom gezwungen sein, die Nutzung von Nord Stream zu reduzieren" - und das werde es dem russischen Staatsunternehmen "wahrscheinlich nicht erlauben, den Gastransit durch die Ukraine komplett einzustellen" (vgl. Polen gewinnt OPAL-Gasleitungsstreit vor EU-Gericht).

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