Darum gibt es auch heute noch den Regengott

Die Dürre an der Ostküste der USA führt zu heftigen Diskussionen um eine neue Not in der Welt. Beginnen nun die sieben dürren Jahre?

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Zunächst hielt ich es für eine Zeitungsente: New York, Maine und der ganze Nordwesten werden zur Wüste verkommen. In Erinnerung sind mir vielmehr sturzbachartige Regenfälle, unter denen die Aufräumarbeiten in Ground Zero litten, und winterliche Schneestürme sowie Eisregen mit den bis dahin in Nordamerika wirklich ungewöhnlichen Massenkarambolagen. Nirgendwo sonst bestimmen die Weather Channels das Fernsehverhalten so wie in den USA: ein bisschen Trockenheit hätte daher gut zum Trend der Programmgestalter gepasst. Mein Interesse wuchs allerdings, nachdem UCAR, University Corporation for Atmospheric Research, immerhin ein Zusammenschluss von 66 Universitäten, das Problem der Trockenheit zur nationalen Angelegenheit machte.

droughtfence: Trockenheit bedeutet Unfruchtbarkeit, Quelle: UCAR

Wissenschaftlich ist der Begriff Trockenheit vielschillernd wie ein Regenbogen. Drought, so der englische Fachausdruck, umfasst die regenarme Periode, die sich in das jahreszeitliche Klima hineingeschmuggelt hat, sei es im Winter, Frühjahr, Sommer oder Herbst. Die Besorgnis der Fachleute beschränkt sich deshalb nicht nur auf die gegenwärtig verminderten Regenfälle, sondern meint dieses Frühjahr, das eben kein typisches Frühjahr werden wollte, und blickt auf die kommenden Sommermonate, die, wenn sie nicht verregnen, Unheil bringen: die alles vernichtenden Waldbrände.

Die winterliche Großwetterlage, möglicherweise durch den aufkommenden El Nino-Effekt im Pazifik bestimmt, hat Nordkalifornien mit Wasser überzogen, zugleich aber nach Südkalifornien, Arizona und den Staaten östlich der Rocky Mountains ungewöhnlich warme und trockene Perioden gebracht. Worüber sich die Wetterfrösche nicht einigen können, ist die kurz- und mittelfristige Vorhersage. Wird es an der Ostküste noch Niederschläge geben, damit wenigstens der minimale diesjährige Grundbedarf an Wasser auf natürliche Weise gedeckt werden kann? Zum Auffüllen der Lagerstätten reicht es längst nicht mehr.

Das Austrocknen hat ganz allmählich vor fünf Jahren begonnen und nimmt jetzt deutlich rascher an Intensität zu. An der Ostküste erinnert man sich nur mehr dunkel an 1966, dem Jahr in dem die letzte Dürre ihren Höhepunkt erreicht hatte. J.L. Snyder, damals Bürgermeister von New York, bot aus seiner Privatschatulle einen erklecklichen Betrag: Er suchte wahrhaftig einen Regenmacher, der dem Spuk ein Ende bereiten sollte.

Trockenheit ist nicht nur eine Frage des Glaubens, sondern verlangt nach Definitionen. Meteorologen messen den Regenfall, Hydrologen den Effekt auf die Wasserspeicher. Die unterschiedliche Sichtweise führt zwangsläufig zu Missverständnissen. Wer auf die Höhe der Niederschläge und die mittlere Dauer des Regenfalls fokussiert, sieht nur ein ungefähres Maß für die Feuchtigkeit, die wirklich in den Boden einsickert und dem Grundwasser zugute kommt. Andererseits vermengen die Merkmale der Hydrologen, nämlich das Wasservolumen der Flüsse und die Tiefe der Seen, verschiedene Kriterien miteinander, die teils auf lokalen Besonderheiten, teils auf Ferneffekten beruhen. In den Weiten des amerikanischen Kontinents gibt es immer irgendwo lokale Dürreperioden, die allerdings nicht durchgängig oder über Jahre hinweg bestehen.

Wasserressourcen in den USA, Stand April 2002

Vielfach unbeachtet bleibt das Wechselspiel zwischen Luftfeuchtigkeit und Bodenerwärmung. Der Morgentau verdampft unter Sonneneinstrahlung und hilft Wolken bilden. Längere Dürre heizt den Boden zusätzlich auf mit dem Ergebnis, daß von dieser Region Hitzewellen ausgehen und den Regenfall geradezu umleiten. Dieses einfache Bild hat allerdings seine Tücken. Deshalb widmet sich die NASA (earthobservatory.nasa.gov) auch den Wolken. "Clouds remain one of the largest uncertainties in the climate system's response to temperature changes," klagt Bruce Wielicki, Wetterforscher am Langley Research Center der NASA. "We need more data to understand how real clouds behave." Wielicki leitet die Untersuchungen für orbitale Teleskope auf dem Terra-Satelliten, nämlich das Projekt CERES, die Kurzform für Cloud and the Earth's Radiant Energy System. Während der letztjährigen großen Hitze in Kalifornien glühte der Bundesstaat geradezu im Infrarotem als unverkennbares Zeichen für die Bodenwärme und die Abstrahlung. Dennoch schuf die Wolkenbildung mehr Fragen als Antworten.

Die Infrarotstrahlung dokumentiert die enorme Wärmeentwicklung über Kalifornien während der Hitzeperiode des Sommers 2001, Quelle: CERES, NASA

Die Bauern halten nichts von den akademischen Debatten. Sie nehmen den Boden in die Hand, zerkrümeln und prüfen damit auf Feuchtigkeit; und sie werfen einen Blick in die Brunnen und Zisternen. Trockenheit bedeutet für sie Missernte, weil die Frucht nicht sprießt oder am Halm stehen bleibt.

Dürre in den USA. Für viele ist der Schuldige längst ausgemacht. Das Schlagwort heißt globale Erwärmung. Auch fehlt es nicht an gescheiten Erklärungen für das gegenwärtige Dilemma. Besonders einleuchtend die Argumentation: Je höher die Temperatur, um so mehr Wasser wird in der Atmosphäre gehalten. Diesen Effekt kann jeder beobachten, der hinter den Vorhang der Trockenreinigung schaut. Weniger offensichtlich ist die Erkenntnis, wonach Gewitter und Schneestürme bei höherer Grundwärme ebenfalls mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Das führt zu heftigen Stürmen in den Sturmzentren mit kräftigem Schnee und Regen. Dazwischen aber bleibt es trocken. Folglich werden die schweren und aus der 100jährigen Tradition der Wetterbeobachtung ungewöhnlichen Unwetter zum unumstößlichen Beweis für die Extreme, die durch die globale Erwärmung entstehen.

An der amerikanischen Ostküste, gerade als die Sonne prächtig im Meer versinkt, beschleichen mich allerdings Zweifel. Es ist nicht Häme, weil die Wetterfrösche wieder einmal daneben tippten. Ich werden eingefangen von den sieben dürren Jahres des Alten Testaments und Gedanken an die Fruchtbarkeitskulte, die sich weltweit wiederfinden - bei den Ägyptern im Niltal ebenso wie 3000 oder mehr Jahre später bei den Mayas in Mittelamerika. Dazu die Erinnerung an schreckliche Bilder aus Äthiopien, dem heutigen Eritrea. Das Schlimmste im Leben ist - seit Jahrtausenden - die Trockenheit, der die Ernte zum Opfer fällt. Diese von Generation zu Generation wiederkehrende Gefahr hat die Menschen zusammengebracht, auf den Regengott und sein menschliches Abbild einschwören lassen und religiösen Eifer begründet. Ich denke auch an den Tempel auf dem Plateau von Mexico City, in dem das Relief einer Schlange so angeordnet ist, dass wirklich nur einmal im Jahr die Sonne mit ihrem Strahl genau an dem vorgegebenen Spalt auf den Boden fällt. Trotz dieser Meisterleistung der Maya und dem Beweis für ihr großartiges Wissen um die Natur, ist der Mensch machtlos, wenn der Regen ausbleibt. Wir mögen heute zu globalen Erkenntnissen kommen. Für den Farmer bleibt es beim beschwörenden Gebet um das Wasser zur richtigen Zeit. Daran wird auch das Kyoto-Protokoll nichts ändern.