Das Ende des Stillen Weltkriegs
Seite 2: Ukraine: Den Bogen überspannt
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- Ukraine: Den Bogen überspannt
- Friedensvertrag beendet den "Stillen Weltkrieg"
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Im Jahr 2013 wäre es nach dem angeblichen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Armee beinahe zu einer westlichen Intervention im Land gekommen, die aufgrund der Bündniskonstellationen ungeahnte Folgen hätte haben können. Moskaus erfolgreiche Vermittlung verhinderte dies jedoch - ein enormer Prestigegewinn Putins, den ihm Teile der Nato-Eliten offensichtlich übel nahmen. Sie forcierten die Konfrontation und eröffneten in der Ukraine eine neue Front, wo ihre Strohmänner eine zunächst demokratische Protestbewegung kaperten und im Februar 2014 in einen blutigen Putsch gegen den neutral zwischen Russland und dem Westen taktierenden Präsidenten Janukowitsch münden ließen.
Doch damit hatten die "Neocons" in den USA und anderswo den Bogen endgültig überspannt. Hatten sich Russland und China (und der Iran) zuvor nur scheinbar lose koordiniert, aber eigenständig gehandelt, so rückten sie nun deutlich enger zusammen. Russland stellte klar, dass es seine Verbündeten in Syrien und der Ukraine nicht im Stich lassen würde, und orientierte sich in seinen (Gas-)Handelsbeziehungen neu - und China arbeitete mit Hochdruck an neuen globalen Institutionen und Allianzen, insbesondere im Bereich der Finanzmärkte. Am bekanntesten ist wohl die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), doch ist sie nur ein Element unter vielen.
Mit diesen Entwicklungen wurde Druck auf die USA und ihre Verbündeten ausgeübt, die alle bestehenden internationalen Organisationen dominieren, auf denen die Weltwirtschaft bis dato "alternativlos" beruht: Zum ersten Mal wird eine Alternative zu IWF, Weltbank und Co. geschaffen - und damit auch zum US-Dollar als globalem Zahlungsmittel.
Zum nicht nur symbolischen Kristallisationspunkt wurden nicht zufällig die Verhandlungen mit dem Iran über ein "Atomabkommen" und das damit verbundene Ende der wirtschaftlichen Isolation des Landes: Diese wurden zwar kontinuierlich geführt, doch angesichts der großen Widerstände in der amerikanischen Rechten gab es starke Zweifel daran, ob sie jemals zu einem Ergebnis führen würden - bzw. ob das überhaupt angestrebt wurde.
Es lohnt sich ein Blick zurück: Vor etwa zehn Jahren spielte Teheran mit dem Gedanken, Öl in anderen Währungen als Dollar abzurechnen, und richtete auf der Insel Kish eine eigene Ölbörse ein. Diese kann zwar getrost als eher symbolisch bezeichnet werden, stellte aber dennoch eine klare Herausforderung der bestehenden Ordnung dar. Insofern geht es bei dem Abkommen mit dem Iran um weit mehr als nur Urananreicherung: Es geht um nicht weniger als die Frage, ob die westliche Vormachtstellung mit aller Kraft verteidigt - oder ob eine Form des Nebeneinanders akzeptiert wird.
Obamas folgenschwere Entscheidung
Der BRICS/SCO-Gipfel im russischen Ufa im Juli war die Entscheidung: Mit dem Beitritt Indiens und Pakistans zur SCO wurde endgültig offensichtlich, dass ganz Asien (außer Japan) in dieser Auseinandersetzung hinter China steht. Für Lateinamerika gilt das ohnehin seit vielen Jahren - und für die NATO wird es damit einsam auf der Welt.
In dieser Situation gelang es Obama und seinem Außenminister Kerry endlich, sich gegen die Fraktion der kompromisslosen Hardliner durchzusetzen: Der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen mit dem Iran kündete davon ebenso wie der zeitgleiche Stimmungswandel in der Ukraine, wo die Regierung endlich Ernst machte mit der Umsetzung des Minsker Abkommens vom Februar. Entscheidenden Anteil daran dürfte die Haltung der EU und insbesondere Deutschlands gehabt haben: Diese stellte sich zwar öffentlich klar hinter Washington, verweigerte sich aber dennoch allen Schritten, die zu einer unkalkulierbaren Eskalation hätten führen können, was besonders deutlich wurde im Fall der Ukrainekrise.
Schon jetzt zeigen sich deutlich die Auswirkungen dieser epochalen Entscheidung in allen aktuellen Konfliktregionen: In der Ukraine ebenso wie in Mittelost, Zentralasien und Südostasien gibt es deutliche Zeichen der Entspannung, werden plötzlich Wege zu einer Auflösung der kriegerischen Konflikte bzw. der extremen Anspannung sichtbar. Insbesondere in Syrien und Jemen wird der Krieg sicher nicht von einem Tag auf den anderen aufhören - aber die Strategien und (möglichen) Bündnisse haben sich grundlegend verändert, und damit auch die Kräfteverhältnisse. Und was Asien angeht, so wird sich der Rest der Welt nicht nur an Chinas neue Stützpunkte im Südchinesischen Meer gewöhnen (müssen), sondern auch an die Kontrolle der Straße von Malacca oder der Beringstraße durch die chinesische Marine. Der Ende 2011 verkündete "pivot to Asia" der USA hat nie wirklich Früchte getragen; jetzt braucht Asien ihren "Schutz" nicht mehr.