Das Ende von Telegram?

Telegram auf einem Handybildschirm

(Bild: Yau Ming Low/Shutterstock.com)

Kurswechsel beim Messengerdienst: Nutzerdaten sollen an Behörden weitergegeben werden. Gründer Durow wurde in Frankreich verhaftet. Das Ende einer Ära?

In einer bemerkenswerten Abkehr von seiner bisherigen Datenschutzpolitik hat das Unternehmen Telegram angekündigt, auf entsprechende Anfragen auch persönliche Daten seiner Nutzer an Behörden weiterzugeben. Die Entscheidung folgt auf die Verhaftung des Telegram-Gründers Pawel Durow in Frankreich aufgrund des Vorwurfs, extremistische Inhalte auf der Plattform nicht ausreichend zu managen.

Kehrtwende nach Verhaftung

Der russischstämmige Telegram Co-Gründer Durow, der für seine starke Position in Sachen Datenschutz bekannt ist, steht nun im Mittelpunkt juristischer Ermittlungen.

Wie die Newsweek berichtet, hat Durow jetzt in einer Erklärung angekündigt, dass die IP-Adressen und Telefonnummern von Personen, die gegen die Regeln der Plattform verstoßen, künftig an die zuständigen Behörden weitergegeben werden könnten.

Das stellt einen deutlichen Wendepunkt für Telegram dar, das sich bisher vehement gegen eine solche Praxis ausgesprochen und immer mit Unabhängigkeit gegenüber nationalstaatlichen Behörden geworben hatte.

Durow wurde Ende August in Frankreich festgenommen. In dem eingeleiteten Ermittlugnsverfahren werden dem 39-jährigen Beihilfe zu einer Reihe von Straftaten vorgeworfen. Ihm drohen bis zu 10 Jahre Haft. Mittlerweile ist der Unternehmer nach Hinterlegung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro wieder auf freiem Fuß, allerdings darf er Frankreich nicht verlassen.

Durows Anwalt ließ erklären, es sei "absurd", den Gründer oder Betreiber einer Plattform direkt für dort stattfindenden Missbrauch haftbar zu machen.

Telegram in der Kritik

Telegram wurde 2013 von den Brüdern Pawel und Nikolai Durow gegründet und hat weltweit fast eine Milliarde Nutzer.

Insbesondere (aber nicht nur) in westlichen Ländern stand die App in der Kritik, als Plattform für illegale Aktivitäten wie Drogenhandel, Kinderpornographie und Geldwäsche zu dienen und zu deren Bekämpfung nicht ausreichend mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

Vor allem die umfangreiche Kanalsuche wurde als wie geschaffen für die Vernetzung krimineller Aktivitäten und illegalem Handel gewertet. Anfang September kündigte Durow an, mit stärkerer Moderation der App gegensteuern zu wollen. Auch eine neue Meldefunktion hielt zuletzt Einzug.

Vor allem im Westen stand jedoch die russische Urheberschaft der App immer wieder im Fokus der Kritik.

Als Reaktion auf wahrgenommene Sicherheitsbedrohungen aus Russland kündigte beispielsweise der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine ein Verbot der Nutzung von Telegram auf staatlich ausgegebenen Geräten für Regierungs- und Militärpersonal sowie für Mitarbeiter in den Bereichen Verteidigung und kritische Infrastruktur an.

Auch in den USA wird Telegram in diesem Kontext als potentielles Cybersicherheitsrisiko gesehen.

"Durow hat sich verkalkuliert"

Russlands Ex-Präsident Dimitri Medwedew reagierte am Sonntag auf die laufenden Ermittlungen. Er habe Durow bereits vor Jahren versucht klar zu machen, dass er "in jedem Land der Welt" Probleme bekommen würde, wenn er nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeite.

Durow habe ein "Weltbürger und brillanter Mann sein wollen", so Medwedew. "Er hat sich verkalkuliert". "Aus Sicht unserer gemeinsamen Feinde ist er jetzt Russe – und daher unberechenbar und gefährlich", sagte Medwedew.

Die jüngsten Entwicklungen rund um Telegram werfen wichtige Fragen zum Spannungsfeld zwischen Datenschutz, Rechtsstaatlichkeit und dem Anspruch auf ein unabhängiges Internet auf. Dabei wird die anhaltende Tendenz einer Regionalisierung des Netzes deutlich: weg von globalen Plattformen, hin zu nationalstaatlich zugeschnittenen und regulierten Anbietern.

Ob Telegram in diesem Spannungsfeld auch über die russische Kernnutzerschaft hinaus weiterhin jenseits einer Nische existieren kann, bleibt abzuwarten.