"Das Gewicht in der Nato wurde verschoben"
Seite 3: Zusammengehen von Deutschland und Frankreich notwendig
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Es müsste doch dann auch ein neuer Internationalismus entstehen. Im Augenblick scheinen die Leute eher überfordert mit dem Leid auf der Welt zu sein und blenden das lieber aus. In der Ukraine alleine sind wahrscheinlich schon Hunderttausende seit Beginn des Kriegs gestorben.
Oskar Lafontaine: Ja, ein neuer Internationalismus wäre ebenfalls notwendig. Ich habe versucht, dies in meinem neuen Essay am deutsch-französischen Verhältnis deutlich zu machen und schlage vor, dass man Anstrengungen unternimmt, um die Kultur des jeweils anderen intensiver erleben zu können.
Wenn wir erkennen, dass ein Zusammengehen von Deutschland und Frankreich notwendig ist, um die Interessen Deutschlands, Frankreichs und Europas in der Welt zur Geltung zu bringen, und wenn wir das strukturelle Problem der neuen Achse Washington-London-Warschau-Kiew und damit die Notwendigkeit der Veränderung sehen, dann müssen wir das kulturell vermitteln.
Der alte Gedanke, dass die Kultur die Völker zusammenführt, muss wieder lebendig werden, wenn wir einen neuen Internationalismus auf den Weg bringen wollen.
Im Augenblick sieht es ja eher so aus, dass die Cancel Culture vorherrscht, also dass man nicht zusammenführt, sondern trennt.
Oskar Lafontaine: Die Cancel Culture ist Ausdruck der Fehlentwicklung unsrer Gesellschaft. Intoleranz und die Sucht andere auszugrenzen nehmen zu.
Es hat sich geradezu eine Sprachpolizei entwickelt, die darauf lauert, ob jemand ein falsches Wort oder einen falschen Satz sagt. Dann geht der Shitstorm los. Wir müssen wieder lernen, den anderen zu verstehen und mit ihm zu fühlen.
Das Interview erschien zuerst im Overton-Magazin.