Das Massaker von Mosul: "Wir töteten sie alle. Daesh, Männer, Frauen und Kinder"
Wie viele Menschen in der Schlacht um die Stadt starben, wird niemals mehr eruiert werden können, zuletzt ging das irakische Militär nach Aussagen von Soldaten mit großer Brutalität vor
Man wird wahrscheinlich nie wirklich eruieren können, wie viele Menschen - Zivilisten, Soldaten und IS-Kämpfer oder deren Angehörige - beim Kampf um Mosul (Mossul) gestorben sind. Die irakische Regierung hat die Zahlen der getöteten und verletzten Soldaten zurückgehalten, allerdings dafür immer wieder von zigtausenden getöteten IS-Kämpfern gesprochen. Völlig unklar ist auch, wie viele Menschen durch Artilleriebeschuss und Bombardierung aus der Luft getötet oder zum Opfer des IS wurden. Keiner der Beteiligten hat Interesse an einer Aufklärung und der von allen Seiten begangenen Kriegsverbrechen, auf die von Menschenrechtsorganisationen hingewiesen wurde. Die Bilder von der verwüsteten Stadt, in der sich noch bis zuletzt Zivilisten aufhielten, weil sie an der Flucht vom IS gehindert wurden und von der Regierung zu Beginn und während der Offensive dazu aufgefordert worden waren, in ihren Häusern zu bleiben.
Aber es sickern erste Berichte und Äußerungen durch, die einen Hinweis auf das Ausmaß des Schlachtens geben können. Das barbarische Vorgehen des IS und die Kämpfe gegen ihn haben die Brutalität auf allen Seiten verstärkt und zur Verrohung geführt. Middle East Eye (MEE) berichtet, dass unter den Trümmern der Altstadt Hunderte von Leichen liegen, oft sieht man nur die Füße. Es breitet sich Verwesungsgeruch bei der Hitze schnell aus. Am schlimmsten soll es während der Eroberung der Altstadt gewesen sein, in die sich die IS-Kämpfer zurückgezogen hatten. Allerdings wurde der Schlachthof schon teilweise bereinigt. Bulldozer räumten die Trümmer der zerstörten Häuser beiseite und begruben damit nicht nur mögliche Eingänge zu Tunnels, sondern auch viele Leichen. Aber es sind auch noch Leichen von Menschen zu sehen, die offensichtlich exekutiert wurden. Manche Leichen sind an Händen und Füßen gefesselt, man habe sie durch die Straßen gezogen. Andere Leichen wurden verbrannt.
Ein irakischer Soldat berichtete MEE, dass beim blutigen Kampf um die Altstadt alle Hemmungen gefallen seien: "Wir töteten sie alle. Daesh, Männer, Frauen und Kinder. Wir töteten alle." Ein irakischer Offizier sagte, es gebe viele Zivilisten unter den Leichen: "Nachdem die Befreiung verkündete wurde, gab es den Befehl, alles zu töten, was sich bewegt." Der Befehl sei nicht richtig gewesen, aber die Soldaten hätten gehorchen müssen: Die meisten IS-Kämpfer ergaben sich und wir töteten sie einfach. Wir machten sehr wenige Festnahmen."
Der Grund sei nicht, dass die Gefängnisse in Bagdad voll seien. Am Anfang der Offensive habe man IS-Kämpfer noch den Geheimdiensten übergeben - was für Gefangene allerdings mitunter noch schrecklicher war, als gleich erschossen zu werden (IS-Verdächtige werden wie Vieh in Gefängnissen gehalten) -, aber dann habe man immer weniger festgenommen. Nach der vom irakischen Regierungschef erklärten Befreiung (Der IS wird nie wieder eine Stadt im Irak erobern) wurde an manchen Stellen weiter gekämpft. Einzelne IS-Kämpfer haben sich in den angelegten Tunnelsystemen versteckt und verüben von dort aus weiter Angriffe.
MEE veröffentlicht Bilder von den Trümmern und den Leichen in der Altstadt und am Fluss. Unter den Leichen gibt es auch Kinderkörper. Nicht alle kamen durch Gewalt ums Leben, manche verhungerten oder verdursteten auch. Die Menschen, die zuletzt aus der Altstadt kamen, sahen, so MEE, wie Insassen von KZs aus, ausgemergelt, am Rande des Todes.
Journalisten werden nach MEE aus der Stadt vertrieben, man will keine Zeugen. So hätten einige Journalisten beobachtet, wie ein IS-Gefangener von Spezialeinheiten mit gebundenen Händen und einem Seil um den Hals durch die Ruinen der Altstadt geschleppt wurde. Die Journalisten hätten ihre Speicherkarten mit den Bildern hergeben müssen und seien aufgefordert worden, die Stadt zu verlassen. Der Offizier sagte, es gebe kein Recht mehr in Mosul: "Jeden Tag sehe ich, dass wir dasselbe wie der IS machen. Menschen gingen an den Fluss, um Wasser zu holen, weil sie verdursten, und wir töteten sie."