Das Plastikmeer
"Europas größter Wintergarten" aus dem Weltall gesehen
Wenn man ahnungslos aus der Perspektive eines Satelliten auf die andalusische Küste heruntersieht, wird man sich vielleicht verwundern, ausgerechnet dort eine riesige weiße Fläche zu sehen, die Schnee vermuten ließe. Aber in der Umgebung gibt es keinen.
Zoomt man näher hin, so wird klar, dass es keine durchgehende weiße Fläche ist, sondern ein Gebiet, das mit weißen Formen übersät ist.
Noch näher wird klar, es handelt sich um große Plastikfolien, weswegen die Gegend auch "mar de plastico" heißt. Aus der Entfernung, von oben, hat es durchaus einen ästhetischen Reiz.
Das Plastikmeer, ein besonders großer Teil der weltweiten "plasticulture", also der Landwirtschaft (agriculture) mit Plastik, erstreckt sich auf mehr als 36.000 Hektar um die Stadt El Ejido in der Provinz Almeria herum. Hier gibt es eigentlich eine weitgehend unfruchtbare, steinige Wüste. Weil es aber unterirdische Flüsse gibt und eine gute Bodenfeuchtigkeit, hat sich hier die weltweit größte Anbaufläche unter Plastikfolien ausgebreitet.
Fotos von Rainer Viertlböck zum Plastikmeer hier. Ab 19. November werden sie in einer Ausstellung in der Architekturgalerie München zu sehen sein.
Angebaut wird hier unter wahrhaft künstlichen agrarindustriellen Bedingungen Gemüse aller Art, auch Obst, gigantische Mengen, mehr als 3 Millionen Tonnen jährlich. Billig ist es, Pestizide werden reichlich eingesetzt, der Großteil wird nach Deutschland geliefert, produziert wird auch Biogemüse, zumindest wird es so verkauft. Drei Ernten gibt es im Jahr.
Die Arbeiter sind oft Einwanderer, die zu Hungerlöhnen schuften, meist aus Afrika, in den letzten Jahren auch aus Rumänien oder Bulgarien. Sie leben zwischen den Plastikbahnen in Verschlägen und Hütten. 2000 war es zu Ausschreitungen gegen die ausgebeuteten Arbeiter gekommen, an deren Bedingungen soll sich wenig geändert haben .
Wenn man nun auch in der EU überlegt, Plastiktüten zu verbieten (Der allmähliche Ausstieg aus dem Plastiktüteneinkauf), so wäre dies nur eine symbolische Geste, da sich die "plasticulture" mit Plastikgewächshäusern, Plastikmulch oder in Plastikbahnen verpacktem Gras weltweit ausbreitet. Weltweit soll die Zahl der Plastikgewächshäuser jährlich um 20 Prozent wachsen, besonders stark in Asien und Afrika. In China sind es 30 Prozent, jährlich werden für die Landwirtschaft eine Million Tonnen Plastik produziert. 80 Prozent der mit Plastikmulch bedeckten Fläche ist in China.
Wenig verwunderlich ist, dass dies natürlich auch zur Umweltverschmutzung beiträgt. Das Plastik verbindet sich mit dem Boden, das es bedeckt. Nach einem Bericht der Beijing News gehen mittlerweile die Schichten aus Erde und Plastik tief in den Boden.
Bauern würden die Folgen nicht verstehen, wenn sie das Plastik unterpflügen, das mehr als 100 Jahre zum Zerfall benötigt. Genannt wird dies "weiße Umweltverschmutzung". Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums wurden für 20 Millionen Hektar (200.000 Quadratkilometer) 1,25 Millionen Tonnen Plastikplanen verwendet. Jährlich werden 10 Prozent mehr verbraucht, so dass in einem Jahrzehnt jährlich 200 Millionen Tonnen eine fast doppelt so große Fläche bedecken.