Das Scheitern der Neuen Linken
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Was von der Neuen Linken nach fünfzig Jahren übrig bleibt, ist enttäuschend
Die alternative politische und kulturelle Bewegung, die später als die "Neue Linke" und Alternativkultur bezeichnet wurde, ist nicht erst im Jahr 1968 entstanden. Gesellschaftlicher Widerstand von Künstlern und der studentischen Jugend formierte sich in den USA und in Mitteleuropa bereits einige Jahre vorher. Aber 1968 wurde mit dem Attentat auf Rudi Dutschke und den umfassenden französischen Straßenprotesten gewissermaßen zum Meilenstein dieser Bewegung. Herbert Marcuse hat in einem Vortrag (Scheitern der Neuen Linken?)1 schon 1975 ein mögliches Versagen dieser Bewegung angesprochen.
Wohlstand, Rebellion gegen das Establishment
Die 1960er und 1970er Jahre waren ein interessantes Zeitfenster, das viele Entwicklungen beschleunigte oder gar erst möglich machte. Hohes Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg, trotz der Rohölkrisen dann gegen Ende dieser Jahre, Konsum war angesagt wie nie zuvor und wurde zum dominanten Lebensstil, dosierter Wohlstand und die sozialen Aufstiegsversprechen erwiesen sich damals tatsächlich als glaubwürdig (wer Leistung bringt, wird belohnt).
Dazu kam als abschreckendes Beispiel der Kommunismus im Osten mit den dort sehr dürftigen Lebensverhältnissen für nahezu Alle, seiner staatlichen Standard-Anstaltserziehung und Überall-Bevormundung und einer harsch durchgesetzten Einheitsmeinung mit rigider Bestrafung bei politischer Abweichung.
Wer im Westen mit seiner ebenfalls verlogenen und autoritären Kultur, dem sozial aufgeschönten Kapitalismus und der auf Machterhalt eingeschworenen Parteiendemokratie unzufrieden war, fand sich genau so rasch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dennoch begannen vor allem Studenten mit Widerspruch gegenüber tyrannischen und kryptofaschistischen Strukturen an den Universitäten sowie in der Politik. Künstlerisch Interessierte und Teile der jungen Bohème experimentierten mit kulturellen Alternativen und bewusstseinserweiternden Drogen. Möglich war das durch die langsam in die alltägliche Lebenswelt gekommene Prosperität der Mittelschicht-Angestellten und kleinen Unternehmer, was ihren Kindern gewisse Freiräume gab, übrigens auch Arbeiterkinder konnten jetzt mit einem Studium beginnen.
Bunte Nische
Vereinfacht gesagt gab es eine alternativ-politische und eine gegenkulturelle Strömung, sowie viel Vermischtes bei der Neuen Linken, die von frischen Lebensformen und dem Kampf gegen das konservative Establishment - da waren auch viele alte Faschisten und Nazimitläufer darunter - angetan war. Neue portable Musik (Schallplatten, Rock ‘n Roll, Beatles und Stones) spielte eine große Rolle.
Politisch waren die Ziele der APO (Außerparlamentarische Opposition) relativ altbacken: mit Klassenkampf Sozialismus (einen besseren als in den kommunistischen Ländern) herstellen, mehr Demokratie, mehr Individualität, Abrüstung/Weltfrieden.
Sture Proletarier
Jedoch, die Arbeiterklasse ließ sich für das alles überhaupt nicht begeistern - mehr Lohn, die Fresswelle, Auto und Adriaurlaub, also das, was das "System": der Kapitalismus, den Braven und Leistungswilligen zu bieten hatte, waren da weitaus interessanter. Ebenso wollten die etablierten sozialdemokratischen Parteien mit den neuen linken Revoluzzern, der SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) wurde rasch aus der SPD geschmissen, nichts zu tun haben. Damit erodierten die politischen Ambitionen der Jungen ziemlich schnell, übrig blieben nur Themen, die von halbwegs fortschrittlichen Menschen der etablierten Parteien, der Kirchen und dem liberalen Teil der Mittelschicht mitgetragen werden konnten. Etwa Protest gegen den US-amerikanischen Vietnamkrieg, Sympathie für süd- und mittelamerikanische Befreiungsbewegungen (so bezeichnete man damals die "guten" Terroristen), Einspruch gegen die weltweite Aufrüstung sowie die Ablehnung von Atomwaffen (Hiroshima), Atomkraft und vor allem die Umweltverschmutzung.
Die alternativen Kulturansätze, am Anfang eher eine fremde Nische, wurden recht rasch von den Medien entdeckt, ausgeschlachtet (insbesondere: die "freie Sexualität", das war schon immer ein Auflagengenerator) und durch die Hintertür kommerziell vereinnahmt, etwa Popmusik. Die kapitalistische Kulturindustrie kennt da kein Zögern. Bei der Kunst dauerte es noch, der Bildungsbürger ist eben konservativ, ein paar Jahre länger.