Das Verschwinden der Insekten von der Oberfläche des Kapitals

Seite 3: Eine Gesetzesänderung war das Ziel der Initiative, nicht die grundsätzliche Lösung des Problems

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Was die volksbegehrende Bürgerseite betrifft, so ist festzuhalten: Ursachenforschung, die ihr Anliegen wirklich ernst nimmt, kommt zu einem Befund, der sich aus der Erkenntnis der einer Entwicklung zugrundeliegenden Notwendigkeiten ergibt, um daraus dann folgerichtige Schlüsse für die Beseitigung des Problems zu ziehen. Die Initiatoren des Volksbegehrens aber hatten sich - bevor das Problem überhaupt in seinem gesamten Umfang entschlüsselt worden war - von vornherein auf einen Verfahrensweg festzulegen, der mit dem Problem erst einmal überhaupt nichts zu tun hat, dafür aber den möglichen Lösungsansätzen ihre inhaltliche Bestimmung bereits wesentlich mit vorgab, nämlich nur unter Wahrung der rechtlich vorgeschriebenen Teilnahmebedingungen am Gesetzgebungsverfahren Einfluss auf den Wortlaut der Gesetze nehmen zu können, die einer Änderung unterzogen werden sollen.

Nicht das Problem und dessen mögliche Lösung stand also im Vordergrund, sondern der gesetzlich vorgezeichnete Verfahrensweg zur Bearbeitung des Problems: Eine Gesetzesänderung war das Ziel, nicht die grundsätzliche Lösung des Problems. Und das ist keine Spitzfindigkeit: die gesetzliche Fixierung der Regeln, unter denen konkurrierendes Wirtschaften erlaubt ist, sorgt dafür, dass das wechselseitige Schädigen beim Konkurrieren unter ökonomie- und staatsdienlichen Bedingungen vonstatten geht und das Konkurrenzwesen dabei prinzipiell unangetastet bleibt.

Das Verfahren, dem das Bürgerbegehren unterworfen ist, macht überhaupt nur Sinn, weil der Staat als regulierende Instanz es sich vorbehält, zwischen die Kontrahenten mit ihren sich widerstreitenden Interessen zu treten und auf Akzeptanz seiner regulativen Rolle zu bestehen. Auch im Fall des vorliegenden Bürgerbegehrens zeigt sich: Wenn sich Bürger, die ein allgemeines Anliegen verfolgen, der gesetzlich erlaubten Mittel zur Durchsetzung ihres Willens bedienen, haben sie sich von vornherein damit abzufinden, dass sich ihr Wille an konkurrierenden Interessen und an den staatlichen Eingriffsbefugnissen zu relativieren hat. Das haben auch die Veranstalter des Volksbegehrens begriffen.

Dazu erklärte die ÖDP-Politikerin Agnes Becker: "Wir werden am runden Tisch verhandeln mit der Gewissheit, dass so viele Menschen hinter uns stehen, und hoffen, dass der große Wurf des Herrn Söder nicht nur ein kleines Würflein wird." Wer die Bereitschaft zum Verhandeln mitbringt, geht bereits davon aus, dass die eigenen Interessen nicht gänzlich durchgesetzt werden können und bezieht diese Erwartung in seine Forderungen mit ein.

Die Vorstellung eines großen Wurfes blamiert sich im vorliegenden Fall allerdings bereits am Inhalt des von den Initiatoren vorgelegten Gesetzänderungsentwurfs, denn dieser hat an den grundlegenden Geschäftsbedingungen, unter denen Landwirtschaft hierzulande stattzufinden hat, überhaupt nichts auszusetzen, weiß aber eine ganze Reihe flankierender Maßnahmen einzubringen, die von vornherein an eben jenen ökonomischen Voraussetzungen Maß genommen haben, an denen sie sich mit ihren Vorschlägen abmühen und die auf keinen Fall zur Disposition stehen dürfen.

Dass die durch ein Volksbegehren einzubringenden Vorschläge dem gesetzlich abgesicherten normalen Regierungsbetrieb auch garantiert nicht in die Quere kommen - dafür sorgt eine besondere Vorschrift, die es in sich hat: "Es gibt bei Volksbegehren das sogenannte Kopplungsverbot, das bedeutet, dass man nur ein Gesetz ändern darf." Wäre ja noch schöner, wenn Bürger auf die Idee und auch noch damit durch kämen, sämtliche sie schädigenden Gesetze in einem Aufwasch aus dem Weg zu räumen!

Gegen den in diesem Zusammenhang mit Sicherheit auftauchenden Einwand, dass nichts tun alles doch nur noch verschlimmern würde, bleibt anzumerken: Gegen Bemühungen zum Schutz der natürlichen Umwelt in allen ihren Facetten ist überhaupt nichts einzuwenden! Wenn eben diese Bemühungen hingegen einfach nicht so richtig von der Stelle kommen wollen und die Schädigungen immer gravierendere Ausmaße anzunehmen drohen, dann drängt sich die Frage nach den tieferen Ursachen dieser Entwicklung doch geradezu zwangsläufig auf!

Dass hier die sogenannten Marktmechanismen am Wirken sind, deutet sich in manchen Antworten von Fachleuten zum Thema ja durchaus an: "Nicht die Bauern sind das Problem, sondern das System: Landwirte, die produzieren, was man von ihnen verlangt, und natürlich die Politik."6 Daraus allerdings die richtigen analytischen Schlüsse zu ziehen, die anstehenden Probleme in ihrer Folgerichtigkeit überhaupt erst einmal konsequent zu durchdenken, statt immer nur die Verbraucher als die letztendlich Verantwortlichen vorzuschieben - das grenzt schon an Absicht und macht nur deutlich, dass "das System" als Ganzes eben nicht in Frage gestellt werden soll und darf!

Würden sich darüber hinaus diejenigen, die mit viel persönlichem Einsatz versuchen, die immer verheerender sich auswirkenden Folgen kapitalistischen Wirtschaftens abzumildern, sich gleichzeitig mit derselben Inbrunst den eigentlichen Ursachen des Übels, nämlich der ökonomischen Profitmacherei entgegenstellen, wären wir schon ein großes Stück weiter! So aber bewegen sich sämtliche Beteiligten immer nur im eigenen Hamsterrad und wundern sich, daß sie dabei nicht von der Stelle kommen!

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