Das Zeitversteck

Einen Tarnumhang für die Zeit haben US-Forscher entwickelt - damit wäre das perfekte Verbrechen möglich. Wenn man schnell genug ist

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Ein Objekt vor einem Beobachter zu verstecken, ist zwar noch immer eine Domäne von Science Fiction ("Tarnfeld") oder Fantasy ("Tarnumhang"). Doch auch in der experimentellen Physik ist das Problem längst gelöst. Zumindest prinzipiell - der Trick besteht darin, das Licht so um das zu versteckende Objekt zu leiten, dass es nie von diesem reflektiert wird. Und ein Gegenstand, der weder durch Aussendung von eigenem Licht noch durch Reflexion oder Absorption auf sich aufmerksam macht, ist für das Auge, aber auch für ein Messinstrument unsichtbar. Zumal bei den Tarnvorrichtungen der Physiker peinlich genau darauf geachtet wird, dass das optische Feld vor dem Objekt nicht anders aussieht als dahinter.

Den Schlüssel dazu, solche zunächst nur theoretisch vorhergesagten Konstrukte tatsächlich bauen zu können, haben Meta-Materialien geliefert - (künstliche) Stoffe mit einer derartigen Struktur, dass ihr Brechungsindex negativ wird. Sie ermöglichen es, dass das Licht, das eigentlich auf das Objekt treffen und damit dessen Existenz verraten würde, geschickt darum herum geleitet wird. In der Praxis muss man allerdings noch mit diversen Einschränkungen leben.

Diese beruhen darauf, dass man Meta-Materialien noch nicht wirklich jede gewünschte Eigenschaft verleihen kann. Deshalb gilt der Tarneffekt in der Regel nur für elektromagnetische Wellen bestimmter Frequenzen. Angefangen hat man da im Terahertz-Bereich, doch allmählich dringen die Forscher auch in den Bereich des sichtbaren Lichts vor.

In der Zeit verstecken

Parallel eröffnen nun allerdings Forscher der Cornell University im US-Bundesstaat New York eine weitere spannende Tarn-Möglichkeit, die im Grunde auf der Schaffung eines Zeit-Lochs basiert. Vielleicht trifft der Begriff Zeit-Pause das Prinzip auch besser. Ein Ereignis, das weiß die Physik (selbst wenn es der Alltagslogik widerspricht), das man nicht nachweisen kann, hat nicht stattgefunden. Keine Ursache ohne Wirkung. Wenn es nun gelingt, den Nachweis auszuschließen, hätte man das Ereignis perfekt in der Zeit versteckt. Im Wissenschaftsmagazin Nature beschreiben die Forscher, wie ihr Zeit-Loch funktioniert.

Wie machen sich Ereignisse irgendwelcher Art dem Beobachter bemerkbar? Indem sie eine elektromagnetische Welle verursachen (oder in charakteristischer Form beeinflussen) - ganz allgemein gesprochen. Diese breitet sich mit der Lichtgeschwindigkeit c aus. Allerdings ist c materialabhängig - und lässt sich damit auch in sehr weiten Grenzen von den Forschern manipulieren.

Der Trick besteht nun darin, den vorderen Teil der Welle zu beschleunigen, während man den hinteren dehnt - tatsächlich ist die Experimentaltechnik heute zu solchen Kunststücken in der Lage. Dadurch bleibt eine, wenn auch kurze, Lücke - alles, was darin passiert, wird sich nie nachweisen lassen. Ein skeptischer Beobachter würde allerdings die Manipulation des Lichts bemerken, deshalb muss ma anschließend den umgekehrten Weg gehen und den hinteren Teil der Welle beschleunigen, während man den vorderen bremst.

Noch ein sehr kleiner Zeithorizont

Das ist den Forschern zwar noch nicht auf ideale Weise, aber doch mit erstaunlicher Genauigkeit gelungen. Jedenfalls ließ sich ein im Zeitloch initiiertes Ereignis nur noch mit einer auf den zehnten Teil reduzierten Amplitude nachweisen - sprich: die Tarnung war weitgehend, aber nicht komplett. Wer jetzt schon das perfekte Verbrechen plant, sollte allerdings die Einschränkung beachten: Der Zeithorizont, für den ein Ereignis unsichtbar wird, lag gerade einmal bei 50 Pikosekunden, also 50 Billionstel Sekunden.

In dieser Zeit legt Licht im Vakuum labortaugliche 15 Millimeter zurück. Außerdem ist der Effekt winkel- und polarisationsabhängig. Die Forscher hoffen aber, die Pause in Zukunft auf den Mikro- oder gar Millisekunden-Bereich ausdehnen zu können. Dafür können sie sich sogar schon einen praktischen Nutzen vorstellen: Bei der optischen Informationsverarbeitung könnte man zum Beispiel, falls zwei Datenstreams gleichzeitig eintreffen, einen der beiden auf diese Art bremsen, so dass er etwas später bequem verarbeitet werden kann.