Das al-Qaida-Videoband zum Jahrestag
Der Sender al-Dschasira hat Ausschnitte aus dem Video gezeigt, auf dem Bin Laden mit Anhängern wie Binalshibh bei der Vorbereitung für die Anschläge vom 11.9. zu sehen ist
Zum fünften Jahrestag der Anschläge vom 11.9. nehmen die medialen Aktivitäten sichtlich zu. Alle Medien sind voll von Berichten, um das Ereignis, das die Weltgeschichte tatsächlich nachhaltig verändert hat, zu begreifen und einzuordnen oder aus ihm Kapital zu schlagen. US-Präsident Bush nutzt den Termin, um noch einmal den Krieg gegen den Terrorismus als Schicksalskampf der Amerikaner und der Zivilisation in den Vordergrund zu spielen (Al-Qaida und Iran, Bin Laden und Hitler/Lenin). Nun hat sich offenbar auch die Medienabteilung von al-Qaida etwas einfallen lassen.
Der Sender al-Dschasira hat drei Minuten eines insgesamt 90-minütigen Videobands gesendet, das ihm zugespielt worden ist. Dabei soll es sich um Aufnahmen handeln, die die Planung der Anschläge vom 11.9. 2001 dokumentieren und von al-Qaidas Propaganda-Abteilung As-Sahab produziert wurden. Der Inhalt scheint die Verschwörungstheoretiker zu widerlegen und zu bestätigen, dass die Anschläge von Osama bin Laden mit seinen Leuten in Afghanistan geplant und organisiert worden sind.
Neben Bin Laden sind auf dem Video auch Mohammed Atef, 2001 durch einen Angriff mit einer bewaffneten Drohne getötet, und Ramsi Binalshibh zu sehen. Letzerer wurde 2002 in Pakistan festgenommen und wurde nun, wie US-Präsident Bush erklärte, aus einem CIA-Geheimgefängnis, in dem er verhört wurde, nach Guantanamo gebracht. Er gilt als Mitorganisator der Anschläge und soll am Aufbau der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta mit beteiligt gewesen sein. Im Video werden die drei angeblich bei einer Zusammenkunft zur Planung der Anschläge gezeigt. Offenbar ist es der mit Bin Laden verbundenen Organisation wichtig, die Urheberschaft für die Anschläge für sich in Anspruch zu nehmen, vermutlich um eine größere Aufmerksamkeit und damit wieder mehr Gewicht zu erhalten. Die Anschläge haben schließlich die schon mythische Prominenz von Bin Laden und al-Qaida besiegelt. Erst vor kurzem hat sich Sawahiri mit einem Videoband zurückgemeldet, um die Amerikaner dazu aufzufordern, zum Islam zu konvertieren (Botschaften im medialen Aufmerksamkeitskrieg). Vor zwei Jahren hatte Bin Laden vor der Präsidentschaftswahl in den USA erstmals explizit gesagt, dass er die Anschläge vom 11.9. in Auftrag gegeben hatte (Bin Laden gibt sich staatsmännisch).
Auf dem Video ist auch ein bislang unbekannter Abu Al-Turab Al-Urduni, der die Terroristen trainiert haben soll. Sie hätten nicht nur gelernt, wie man Passagiermaschinen steuert, sondern Methoden des Straßenkampfs und der Fälschung von Dokumenten. Zu sehen waren auch Ausschnitte der Märtyrervideos von Wail al-Shari und Hamsa al-Ghamdi, die zu den 19 Flugzeugentführern zählen. Sie sagen, dass sie sich wegen der Leiden der Muslime in Kaschmir, Tschetschenien oder auf den Philippinen als Selbstmordattentäter zur Verfügung gestellt haben. Zu sehen sind nach Angaben von al-Dschasira auch Szenen, auf denen al-Qaida-Kämpfer trainieren. Sie üben beispielsweise, wie sie sich befreien können, wenn sie von hinten angegriffen werden, oder wie sie Klappmesser verstecken und schnell herausziehen können. Bin Laden läuft in einem Lager herum und grüßt seine Anhänger, die teilweise maskiert sind und Schusswaffen tragen. Nach al-Dschasira sind darunter auch einige der späteren Selbstmordattentäter, deren Gesichter aber kaum zu erkennen sind. Ansonsten soll der Alltag des Lebens in den Camps zu sehen sein.
Gestern hat der US-Senat auch einstimmig im Rahmen der Abstimmung über den Haushalt des Pentagon ein Gesetz gebilligt, nach dem erneut eine Spezialeinheit zur Jagd auf Bin Ladin und anderen al-Qaida-Führern eingerichtet werden soll. Dazu sollen 200 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden. Eingebracht haben – es ist Wahlkampfzeit – das Gesetz die beiden demokratischen Senatoren Byron Dorgan und Kent Conrad. Dorgan äußerte sich entrüstet, was es denn für eine Botschaft an Terroristen sei, wenn fünf Jahre „nach der Tötung von 3000 Amerikanern“ der Rädelsführer des Anschlags noch in Freiheit sei. Letztes Jahr erst war die Einheit, die unter Bill Clinton zur Jagd auf Bin Laden gegründet wurde, aufgelöst worden. Offenbar meinten die republikanischen Senatoren, dass sie wohl für das Gesetz stimmen müssen, obwohl es indirekt eine Kritik an der Regierungspolitik darstellt.