Das geplante Spitzelsystem des US-Justizministeriums wird weiter zurückgefahren

Nach heftiger Kritik sollen nun Berufstätige, die wie Handwerker Zugang zu Privatwohnungen haben, nicht mehr als Informanten dienen

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Es war ein schöner Plan, den sich US-Justizminister Ashcroft ausgedacht hatte, um die Menschen an der Heimatfront weiter auf den Kriegskurs einzuschwören, den die US-Regierung bislang erfolgreich zu ihrer primären politischen Strategie gemacht hat. Um das Gefühl für eine permanente Gefährdung wach zu halten und vielleicht auch zur Stärkung der nationalen Geschlossenheit sollte ein landesweites Spitzelsystem mit dem bezeichnenden Namen TIPS (the Terrorism Information and Prevention System) aufgebaut werden. Millionen von Menschen, die wie Briefträger, Handwerker, Lastwagen- oder Busfahrer geeignete Berufe ausüben, sollten zur Mitarbeit gewonnen werden (Ashcrofts Spitzelsystem). Doch nun scheint der Unwille in den USA an einer derartigen Überwachungsgesellschaft doch größer als vom erzkonservativen Ahcroft erwartet zu sein, der das Projekt daraufhin flugs zurückschneidet.

TIPS, das irgendwann in nächster Zeit anlaufen soll, sollte im wesentlichen aus einem Heer von freiwilligen, patriotisch gesinnten Amerikanern bestehen, die alles, was sie bei ihren Mitbürgern an Auffälligem feststellen, über eine Hotline melden. Die Informationen sollen dann an das FBI weitergereicht werden, um wichtige Hinweise zu überprüfen und ihnen nachzugehen. Besonders interessant wären dabei natürlich die Informationen von denjenigen gewesen, die beruflich Zugang zu den Häusern und Wohnungen erhalten. Die Millionen neuer und neugieriger Ohren und Augen des FBI, die bei Jedem mehr oder weniger unauffällig herumschnüffeln, hätten es ermöglicht, alle lästigen Formalitäten wie eine richterliche Genehmigung für eine Hausdurchsuchung oder erst einmal eine Begründung für einen Verdacht umgehen.

Doch daraus scheint erst einmal nichts zu werden. Der Druck von Bürgerrechtsorganisationen wie der ACLU, aber auch von Politikern war offenbar zu groß. Das Justizministerium entschied am Freitag, man habe nicht mehr vor, diejenigen, die wie Briefträger oder Handwerker Zugang zu den Wohnungen und Häusern haben, als Informanten zu gewinnen. Jetzt sollen nur noch Bus- und Lastwagenfahrer, Straßenarbeiter und andere, die öffentliche Straßen und Plätze überwachen können, als Informanten agieren. "Die Menschen, so Deborah Daniels vom Justizministerium. "haben ganz legitime Befürchtungen, was die Privatheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung angeht. Wegen dieser Befürchtungen wird das Programm sich nicht auf Arbeiter erstrecken, die Zugang zu Privateigentum haben."

Ashcroft hatte zwar sein Programm verteidigt und etwa gesagt, dass Briefträger oder Handwerker jetzt schon freiwillig Informationen an die Polizei geben könnten, was durch TIPS dann nur in einer besser organisierten Weise geschehen würde. Allerdings hatte er vor kurzem bereits einen anderen Bestandteil des Programms gekippt und erklärt, dass man nicht vorhabe, die einlaufenden Informationen in einer zentralen Datenbank zu speichern (US-Justizminister Ashcroft verteidigt das geplante Spitzelsystem TIPS). Mitarbeiter des Justizministers sagten auch, dass es keine Zusammenarbeit mit der Fernsehsendung "America's Most Wanted" geben würde, wie dies Salon berichtet hatte. Der Artikel sei lediglich Folge eines Missverständnisses zwischen einem Journalisten und einem Mitarbeiter der Fernsehsendung (TIPS für FOX).

Ob TIPS überhaupt so, wie geplant, in die Gänge kommt, ist überhaupt ziemlich fraglich. Schon zur Startphase in 10 Städten hatte man eine Million Mitarbeiter angekündigt. Umgerechnet wäre dann ein TIPS-Informant auf 24 US-Bürger gekommen. Davon ist jetzt nichts mehr zu lesen. Auch die schon zuvor von US-Präsident ausgerufene Initiative, die Organisationen für die Neighborhood Watch auch in den Dienst des Kampfes gegen den Terrorismus zu nehmen und ihre Zahl zu verdoppeln, scheint eher auf taube Ohren gestoßen zu sein. Auch da mag freilich ein gesundes Misstrauen gegen den Staat als Big Brother wirken. Selbst wenn man den Krieg gegen die Terroristen in Afghanistan und anderswo unterstützen mag und es zulässt, patriotisch gestimmt, dass viele Milliarden US-Dollar mehr in Rüstung und Sicherheit gesteckt werden, so will man offensichtlich die Paranoia des Kalten Kriegs in gewandelter Form nicht wieder im eigenen Land haben. Möglicherweise handelt es sich aber auch nur um eine Form der Apathie, die nicht politisch motiviert ist, sondern einfach der Unlust entspringt, sich mehr als bisher zu engagieren.